Wenig Kohle, viel zu tun: Warum diese jungen Hamburger trotzdem anderen helfen
Gutes tun und gleichzeitig fürs Leben lernen: Das ist die Idee des Freiwilligendienstes. Junge Menschen sollen nach der Schule für ein Jahr in sozialen oder kulturellen Einrichtungen mithelfen, sich ausprobieren, Erfahrungen sammeln. Doch viele Hamburger Träger haben inzwischen Probleme, die angebotenen Plätze auch zu besetzen. Zu gering ist das Taschengeld, zu zahlreich sind die Alternativen seit dem Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen. Was motiviert diejenigen, dich sich dennoch für den Dienst entscheiden?
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Gutes tun und gleichzeitig fürs Leben lernen: Das ist die Idee des Freiwilligendienstes. Junge Menschen sollen nach der Schule für ein Jahr in sozialen oder kulturellen Einrichtungen mithelfen, sich ausprobieren, Erfahrungen sammeln. Doch viele Hamburger Träger haben inzwischen Probleme, die angebotenen Plätze auch zu besetzen. Zu gering ist das Taschengeld, zu zahlreich sind die Alternativen seit dem Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen. Was motiviert diejenigen, dich sich dennoch für den Dienst entscheiden?
Wenn Can Özcan morgens seine Arbeit in der Förderschule Bekkamp antritt, weiß er, dass er sich das Leben schwerer macht, als er müsste. Der 20-Jährige leistet seit Anfang des Jahres sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) an der Jenfelder Schule ab. Als Schulbegleiter kümmert er sich dort um Kinder, deren geistige Entwicklung beeinträchtigt ist.
Freiwilliges Soziales Jahr in Hamburg: So wenig Geld wird gezahlt
Ein Vollzeitjob, für den er monatlich gerade mal 455 Euro erhält. „Bei einem Minijob müsste ich nur ein Drittel der Zeit arbeiten und bekäme genauso viel Geld“, meint er. Den Dienst macht er aus Überzeugung, das Soziale liegt ihm: „Ich helfe gerne anderen Menschen“, erzählt Can lächelnd.
Seine FSJ-Kollegin Celina Heyden verdient über 500 Euro im Monat: „Ich bekomme mehr Geld als die anderen, weil ich einen anderen Träger habe. Das finde ich ungerecht!“ Die 20-Jährige muss davon 50 Euro für das HVV-Ticket beisteuern, da ihr Träger diese Kosten nicht vollständig übernimmt. Dabei werden die Freiwilligen an der Bekkamp Schule noch relativ gut entlohnt. Im Sportbereich sind Taschengelder von gerade mal 300 Euro üblich.
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In seinem Bekanntenkreis ist Can der einzige Freiwillige: „Ich höre von all meinen Freunden: Ich mache kein FSJ, weil man da ausgenutzt wird.“ Das geringe Taschengeld bereitet ihm Schwierigkeiten. „Ich komme damit gar nicht klar. Wir kriegen zuhause Unterstützung vom Staat, so dass mir 200 Euro direkt wieder abgezogen werden.“
Nach Angaben der Sozialbehörde entschieden sich in den letzten Jahren rund 2500 junge Menschen jährlich für ein FSJ. Der Corona-Pandemie zum Trotz „ist es den FSJ-Trägern gelungen, das Niveau der Vorjahre im wesentlichen zu halten“, sagt Sprecherin Stefanie Lambernd auf MOPO-Anfrage.
Koalitionsfraktionen fordern Stärkung des Dienstes
Die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen sehen das anders. In einem Antrag forderten sie den Senat unlängst auf, den Freiwilligendienst attraktiver zu machen. Das Engagement habe in der Corona-Zeit „stark gelitten“.
Für den FSJ-Träger Arbeiterwohlfahrt Hamburg (AWO) schildert Jenny Fabig die Lage so: „In der Corona-Zeit hatten wir zunächst einen Rekord, was die Teilnehmerzahlen angeht. Vermutlich, weil die jungen Leute nach der Schule nicht mehr ins Ausland gehen konnten. Ab Sommer 2022 brachen die Zahlen jedoch ein.“
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Im Kulturbereich hingegen sieht man bei der Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendarbeit den Trend nicht bestätigt. Dort kämen auf 70 Plätze noch immer rund 400 Bewerber.
FSJlerin: so ein Gemeinschaftsgefühl ist anderswo nicht zu kriegen
An der Schule Bekkamp sind sich die FSJler einig, dass das geringe Taschengeld junge Menschen von der Teilnahme abhält: „Für das, was wir hier tun, ist das Geld zu wenig“, meint Celina. Ihre Kollegin Mia Bloßfeld pflichtet ihr bei: „Wenn man zuhause wohnt, reicht es gerade so aus, aber was gönnen kann man sich nicht.“
Auch die Träger bemängeln, dass man sich ein FSJ erstmal leisten können muss. Dadurch würden viele junge Menschen von vornherein ausgeschlossen.
Die Arbeit an der Schule ist fordernd, ein Sprung ins kalte Wasser: „Ich wusste überhaupt nicht, worauf ich mich einlasse“, erzählt Julia Deryagin. Auch sie ist zufrieden mit dem Job, so ein Gemeinschaftsgefühl sei anderswo nicht zu kriegen. Für den Dienst wünscht sie sich mehr Werbung in den Schulen. „Die Möglichkeit, ein FSJ zu machen, war bei uns überhaupt kein Thema.“
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Bei Can hat die Idee des Freiwilligendienstes, junge Menschen an soziale Berufe heranzuführen, offenbar gefruchtet. Er will nach Abschluss des FSJ eine Ausbildung zum Erzieher machen oder Soziale Arbeit studieren. Für seine Freunde hingegen wird es noch deutlich mehr Anreize brauchen, um sie von einem Dienst zu überzeugen.