Streit in Hamburgs FDP: Kruse greift durch – Julis reagieren mit hässlichen Vorwürfen
Es rumort weiter gewaltig in Hamburgs FDP: Nachdem der Partei-Nachwuchs dem Landes-Chef Michael Kruse bereits vergangene Woche „politische Erpressung“ vorhielt, eskalieren nun die Vorwürfe. Bei der Landesvorstandssitzung greift Kruse durch, die Julis reagieren mit weiteren heftigen Anschuldigungen.
Es war eine Sitzung, die bis in die Nacht dauerte. Am Montag schaltete sich die Führungsriege der FDP um 19 Uhr zusammen, bis 0.30 Uhr wurde laut Teilnehmerangaben über eine zweistellige Zahl an Tagesordnungspunkten beraten. In den Stunden zuvor waren Anschuldigungen und Rücktrittsforderungen hin- und hergeflogen. Am Dienstag folgte dann die nächste Eskalationsstufe.
Der Hintergrund des FDP-Ärgers in Hamburg
- Deutsch (Deutschland)
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Es rumort weiter gewaltig in Hamburgs FDP: Nachdem der Partei-Nachwuchs dem Landes-Chef Michael Kruse bereits vergangene Woche „politische Erpressung“ vorhielt, eskalieren nun die Vorwürfe. Bei der Landesvorstandssitzung greift Kruse durch, die Julis reagieren mit weiteren heftigen Anschuldigungen.
Es war eine Sitzung, die bis in die Nacht dauerte. Am Montag schaltete sich die Führungsriege der FDP um 19 Uhr zusammen, bis 0.30 Uhr wurde laut Teilnehmerangaben über eine zweistellige Zahl an Tagesordnungspunkten beraten. In den Stunden zuvor waren Anschuldigungen und Rücktrittsforderungen hin- und hergeflogen. Am Dienstag folgte dann die nächste Eskalationsstufe.
Der Hintergrund des FDP-Ärgers in Hamburg
Ursprung allen Ärgers ist die Auseinandersetzung zwischen dem Ex-Nachwuchschef Carl Cevin-Key Coste (26) und FDP-Chef Michael Kruse (38). Coste hatte Kruses Ankündigung, gegen die Hotspot-Regel in Hamburg zu klagen, unmittelbar vor dem Parteitag öffentlich als „PR-Aktion“ bezeichnet, die einer Rechtstaatspartei wie der FDP unwürdig sei.
Nachdem dann auch noch die Jungen Liberalen, deren Vorsitzender Coste bis vor wenigen Wochen war, unter neuer Führung nach dem Parteitag öffentlich Kritik an der Parteiführung übten, soll Kruse die Nachwuchspolitiker um Neu-Juli-Chefin Theresa Bardenhewer (26) dazu gedrängt haben, sich öffentlich von ihrem Ex-Chef Coste zu distanzieren und ihn zum Rücktritt aus dem Landesvorstand aufzufordern. Sonst könne es kaum eine Zusammenarbeit zwischen FDP-Führung und den Julis geben. Die mutmaßliche „politische Erpressung“ hatten die Jungen Liberalen in einem internen Schreiben, das der MOPO vorliegt, mit deutlichen Worten kritisiert.
Mehrheit der Landesvorstands drängt Coste zum Rücktritt
Im Lichte dieser Ereignisse tagte nun der Landesvorstand. Dort forderten nach MOPO-Informationen mindestens 15 der 20 anwesenden stimmberechtigten Mitglieder – darunter FDP-Chef Kruse – Coste zum Rücktritt aus dem Landesvorstand auf. Er habe seinen Landeschef öffentlich diffamiert, hieß es von verschiedenen Seiten. Coste selbst verteidigte sich laut Teilnehmerangaben und verwies unter anderem darauf, dass seine Kritik inhaltlicher und nicht persönlicher Natur gewesen sei. Einen Rücktritt lehnte er ab.
Allerdings ist er nun seinen Sprecherposten für Innen und Recht los – eine große Mehrheit des Landesvorstands entzog ihm auf Drängen Kruses die Rolle. Damit ist er nur noch Mitglied des Landesvorstands ohne weitere Funktion. Der Landesvorstand wird vom Mitgliederparteitag alle zwei Jahre neu gewählt.
Ein Mitglied des Landesvorstands fasste gegenüber der MOPO den allgemeinen Unmut so zusammen: „Mit Coste ist es so, als wenn man beim Fahrradfahren immer jemanden dabeihätte, der einem einen Stock in die Speichen steckt.“ Ständig soll er gegen die Mehrheitsauffassung der Parteiführung Einwände gehabt haben. Coste wiederum beklagt: „Die letzten Tage zeigen, wie in der FDP mit Kritikern umgegangen wird, dass man mundtot gemacht wird.“ Auch Kruse werde er nicht um Vergebung bitten. „Ich werde mich nicht für meine inhaltlichen Überzeugungen entschuldigen“, sagte er der MOPO.
Nächster Streit: Verhindert die FDP-Führung den Aufstieg des Nachwuchs?
Dass das eigentlich schon ausreichend Dissens für eine Landesvorstandssitzung war, bedeutet jedoch nicht, dass es sich damit an dem Abend gehabt hätte. Unter dem letzten Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ sollte besprochen werden, ob ein Mitglied des neuen Landesvorstands der Julis mit in den Landesvorstand der FDP aufgenommen werden soll.
Die Julis würden gerne ihren stellvertretenden Vorsitzenden Nils Knoben (23) dort installieren. Hintergrund: Es ist üblich, dass ein Juli-Vorstandsmitglied mit am Tisch der „Großen“ sitzt. Allerdings ist mit Carl Cevin-Key Coste nach wie vor ein Juli-Mitglied Teil des Landesvorstands. Beim letzten Wechsel der Führungsriege der Julis hatten aber auch zwei Nachwuchspolitiker am Tisch des FDP-Landesvorstand Platz genommen. Darauf beriefen sich die Julis auch jetzt wieder.
Juli-Stellvertreter spricht von „Gleichschaltung“
Nach den jüngsten Konflikten verschob der Landesvorstand nun aber Montagnacht eine Entscheidung zu dieser Personalfrage – und erntete am Dienstag heftigste Vorwürfe der Julis, die darin eine taktische Verzögerung zur Verhinderung eines Juli-Vertreters im Landesvorstand sehen. „Nachdem Michael Kruse gegenüber unserer Landesvorsitzenden in der letzten Woche massiv Druck ausgeübt hat, hat er einen erneuten Versuch unternommen, jungen Menschen in der FDP das Wort zu verbieten“, erklärte Knoben in einer Pressemitteilung. Er warf Kruse außerdem „eine inhaltliche Gleichschaltung der Partei“ vor.
Ein ungeheurer Vorwurf, weckt das Wort doch zuvorderst Erinnerungen an die dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte, als die Nationalsozialisten mit ihrem Gleichschaltungsgesetz den Föderalismus abschafften und sämtliche Institutionen und Lebensbereiche auf ihre Ideologie trimmten. Kruse wollte die jüngsten Vorwürfe wie bereits zuletzt nicht kommentieren. Mehrere Personen aus dem Landesvorstand zeigten sich aber schockiert ob der Wortwahl und Attacken von „einer kleinen Minderheit der Partei“.
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Ob der Parteinachwuchs und die Parteiführung nun wieder zusammenfinden, ist fraglich. Die Gräben werden von Tag zu Tag tiefer. Dass man aber irgendwie wieder zusammenfinden muss, ist auch klar. „Das Leben muss weitergehen“, sagte eine ranghohes Mitglied aus der Parteiführung der MOPO. Schließlich ist die FDP auf den Austausch mit ihrem Nachwuchs angewiesen.