Fachkräftemangel? Von wegen! Ich bekomme trotz 100 Bewerbungen keinen Job
In Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Überall werden Kollegen gesucht, wer arbeiten will, findet sofort einen Job, so heißt es. Umso überraschender, was ein 57-Jähriger aus Uhlenhorst gerade erlebt: Er bekommt Absage nach Absage – und glaubt, den Grund zu kennen. Seine Vermutung wird auch von Experten gestützt.
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In Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Überall werden Kollegen gesucht, wer arbeiten will, findet sofort einen Job, so heißt es. Umso überraschender, was ein 57-Jähriger aus Uhlenhorst gerade erlebt: Er bekommt Absage nach Absage – und glaubt, den Grund zu kennen. Seine Vermutung wird auch von Experten gestützt.
Nils Ehrich ist 57 Jahre alt. Er verlor seinen Job als Personalleiter im Februar, als das Unternehmen, in dem er arbeitete, Stellen kürzte. Daraufhin klagte er vor dem Arbeitsgericht und gewann: Bis Oktober dieses Jahres muss sein ehemaliger Arbeitgeber ihm Gehalt bezahlen, danach hat er Anspruch auf Arbeitslosengeld. Doch eigentlich will Ehrich schnellstmöglich wieder arbeiten, er schrieb bereits 98 Bewerbungen – ohne Erfolg. Sein Verdacht: Arbeitgeber diskriminieren ihn aufgrund seines Alters.
Kaum Einladungen zu Bewerbungsgesprächen
Der Hamburger ist gelernter Einzelhandelskaufmann und bildete sich 2011 als Personalfachkaufmann für Personalwesen weiter. Sieben Monate ist es her, dass er seine Stelle als Personalleiter verlor. Die Suche nach einem neuen Job gestaltet sich schwieriger als erwartet: Trotz der Vielzahl an Bewerbungen in unterschiedlichsten Branchen wurde der erfahrene Personaler nur zu fünf oder sechs Bewerbungsgesprächen eingeladen. Immer kam wenig später eine Absage.
Eine Erfahrung war besonders hart: „Nach einem eineinhalbstündigen Gespräch, was eigentlich nach meiner Ansicht sehr gut verlief, dann eine Mail zu bekommen, in der steht, es sei der Funke nicht rübergesprungen, traf mich dann schon.“ Jobs in der „HR“ (Human Resources, wie Personalabteilungen auch heißen) sind gut bezahlt, die Jahresgehälter liegen zwischen 50.000 und 75.000 Euro.
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Er bringe nicht genug Kompetenzen mit, heißt es in vielen Absagen. Das verletze ihn, sagt Nils Ehrich: „Ich will nicht verdummen, ich will wieder arbeiten.“ Einige Arbeitgeber hätten auch erklärt, sie hätten jemand besser Geeigneten gefunden – und wenig später war die Stellenanzeige wieder online. Als Führungskraft im Bereich Personal fühlt er sich unterschätzt, er mutmaßt, ihm werde aufgrund seines Alters keine Chance gegeben.
Ehrich wünscht sich mehr politisches Engagement
Die Bundesagentur für Arbeit sei keine große Hilfe, sagt er. „Einem wird direkt von der zugewiesenen Sachbearbeiterin gesagt, dass man sich nicht häufig sehe.“ Der Grund: Zeitmangel. Stattdessen wurde ihm ein Bewerbungskurs vorgeschlagen – dabei wisse er als Personaler, worauf es in Bewerbungen ankommt.
Bundesagentur für Arbeit sieht Probleme für ältere Arbeitslose
Haben es ältere Menschen trotz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgetzes immer noch schwerer auf dem Jobmarkt? „Die Chancen für Ältere nach Arbeitslosigkeit eine neue Stelle zu finden, liegen weiterhin deutlich unter denen jüngerer Arbeitsloser“, bestätigt Matthias Kleindienst, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit, der MOPO. Ältere seien auch vergleichsweise häufig langzeitarbeitslos.
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Als Gründe nennt Kleindienst unter anderem gesundheitliche Einschränkungen der älteren Bewerber, schlechte Verdienstmöglichkeiten, die einen neuen Job unattraktiv machen, und zu wenig berufliche Weiterbildung: „Auch für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spielt das Thema ,Lebenslanges Lernen‘ eine große Rolle.“ Die Bundesagentur unterstütze Unternehmen aber finanziell dabei, Ältere einzuarbeiten.
Nils Ehrich hofft weiter auf einen Job. Erst am Freitag hatte er wieder ein Vorstellungsgespräch.