Eskalation der Eskalation: Jetzt will die FDP vier Nachwuchspolitiker rausschmeißen!
Dem ein oder anderen ranghohen FDP-Mitglied dürfte am Donnerstagmorgen beim Blick in das E-Mail-Postfach das Frühstücksei heruntergefallen sein. Dort wartete nämlich bereits eine Einladung zur außerordentlichen Vorstandssitzung, anberaumt für den Abend. Ab 19 Uhr soll es weniger um politische Inhalte gehen, als viel eher um knallharte Personalfragen. Präziser: Rauswürfe aus der Partei. Plural, weil gleich vier Personen auf der Abschussliste stehen.
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Dem ein oder anderen ranghohen FDP-Mitglied dürfte am Donnerstagmorgen beim Blick in das E-Mail-Postfach das Frühstücksei heruntergefallen sein. Dort wartete nämlich bereits eine Einladung zur außerordentlichen Vorstandssitzung, anberaumt für den Abend. Ab 19 Uhr soll es weniger um politische Inhalte gehen, als viel eher um knallharte Personalfragen. Präziser: Rauswürfe aus der Partei. Plural, weil gleich vier Personen auf der Abschussliste stehen.
So sollen nach Willen der Parteioberen die Nachwuchspolitiker Theresa Bardenhewer (26, Chefin der Jungen Liberalen), ihr Stellvertreter Nils Knoben (23), JuLi-Pressesprecherin Gloria Teichmann sowie Ex-Nachwuchschef und FDP-Landesvorstandsmitglied Carl Cevin-Key Coste vors Schiedsgericht der Partei gebracht werden, um sie rauszuwerfen. Der Landesvorstand stimmt am Donnerstagabend über jeden einzelnen Namen ab.
Ein Parteiausschluss ist das schärfste Schwert, das einer Partei zur Verfügung steht, um Mitglieder zu sanktionieren. Die Hürden dafür sind extrem hoch. Die SPD benötigte Jahre, um Ihr rassistisches Mitglied Thilo Sarrazin loszuwerden.
FDP Hamburg: So kam es zu der Eskalation in der Partei
Es ist die nächste Eskalation in der dieser Tage an Eskalationen nicht sparsamen FDP Hamburg. Angefangen hatte es mit einem Dissens zwischen Ex-Nachwuchschef Carl Cevin-Key Coste und FDP-Chef Michael Kruse über die Frage nach einer Klage im Namen der FDP gegen die in Hamburg geltende Hotspot-Regel. Coste formulierte im Vorfeld des Parteitags öffentlich Kritik an seinem Parteichef und bezeichnete die von Kruse in Aussicht gestellte Klage als der Partei unwürdige PR-Aktion.
Kruse wiederum kritisierte in der Folge die öffentlichen Angriffe seines Parteikollegens, andere ranghohe Mitglieder zeigten sich zunehmend genervt von Costes internem Agieren. Am Ende fast grotesk: Wie die MOPO berichtete, entschied sich Kruse, aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten überhaupt keine Klage einzureichen. Ein von ihm beauftragter Anwalt habe die Aussichten einer Klage „zum jetzigen Zeitpunkt als nicht sehr aussichtsreich“ beurteilt, teilte Kruse am Donnerstagabend mit.
Nach dem Parteitag meldete sich dann der neu gewählte Vorstand der Junge Liberale (JuLis) lautstark zu Wort, weil Anträge des Nachwuchses keine Mehrheiten gefunden hatten. Daraufhin soll es intern mächtig zwischen FDP-Chef Kruse und seinem Nachwuchs geknallt haben. Kruse soll außerdem die JuLi-Chefin Theresa Bardenhewer bedrängt haben, sich vor dem Hintergrund einer künftigen Zusammenarbeit dafür einzusetzen, dass Ex-JuLi-Chef Carl Cevin-Key Coste aus dem Landesvorstand zurücktritt. In einem internen Schreiben zeigten sich die JuLis anschließend „schockiert über die interne Kommunikation“ und „politische Erpressung“.
Hamburg: JuLi-Vize sprach von „inhaltlicher Gleichschaltung”
Als dann Anfang dieser Woche im Landesvorstand der FDP die Entscheidung darüber, ob JuLi-Stellvertreter Nils Knoben in das Gremium mit aufgenommen werden soll, verschoben wurde, knallten endgültig die Sicherungen durch. Knoben erhob öffentlich den Vorwurf der „inhaltlichen Gleichschaltung“ der Partei und bediente sich damit eines Vokabulars, das in Deutschland in direkter Verbindung mit dem Nationalsozialismus steht.
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Nach MOPO-Informationen entschuldigte sich Knoben zwar einen Tag später in einer E-Mail beim Landesvorstand für seine Wortwahl und auch JuLi-Chefin Bardenhewer versuchte zu deeskalieren, doch das stieß sowohl bei den JuLis intern (die Mehrzahl der Vorstandsmitglieder hat diese Woche hingeworfen) als auch bei der FDP-Führung nur noch auf taube Ohren. Stattdessen wurde die Landesvorstandssitzung einberufen mit dem Ziel, beide aus der Partei zu werfen. Was dem Vernehmen nach bei den Betroffenen für große Überraschung sorgte. „Mir fehlen die Worte, so etwas hat es noch nie gegeben“, so Bardenhewer zur MOPO.
Coste wird bei Abstimmung dabei sein
Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Carl Cevin-Key Coste, der nun heute Abend bei der Abstimmung über sein vorläufiges Schicksal als einziger dabei sein wird, zuletzt davon sprach, dass man kritische Stimmen in der Partei „mundtot“ machen würde. Tatsächlich ist es vor der Vorstandssitzung nur schwer nachvollziehbar, mit welcher Begründung genau gleich alle vier Nachwuchspolitiker aus der Partei ausgeschlossen werden sollen.
Am ehesten fällt wohl Knobens Gleichschaltungskommentar ins Gewicht, aber ob das für einen Ausschluss reicht, ist fraglich. Bei den drei anderen wird es noch schwieriger. In der Satzung der FDP heißt es: „Ein Mitglied kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze der Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.“
FDP Hamburg: Parteichef Kruse hält sich offiziell raus
Am Donnerstagabend wird aber ohnehin erst einmal nur darüber abgestimmt, ob ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet wird. Ferner sollen Coste, Bardenhewer, Knoben und Teichmann bis zur Entscheidung ihre Rechte als Mitglied verlieren. Eine Mehrheit dafür gilt als wahrscheinlich. Schon am Montag hatte fast der gesamte Landesvorstand den Rücktritt Costes gefordert.
Parteichef Michael Kruse hält sich nach wie vor bedeckt und äußert sich nicht. Sogar die Ausübung seines Amtes hat er in der Causa Parteiführung gegen Parteinachwuchs an seinen Stellvertreter Andreas Moring übertragen. Auch dazu gibt es parteiintern zwei Lesarten: Der Chef hält sich vernünftigerweise raus, weil er längst zum Gegenstand des Streits geworden ist. Oder: Er will sich nicht selbst die Hände schmutzig machen.