Es brodelt in Wandsbek: Große Straßen sollen schrumpfen – Aufstand!
Die Hamburger sollen vermehrt Bus und Bahn fahren, das Fahrrad nehmen oder zu Fuß gehen. Dafür muss Platz geschaffen werden, am ehesten geht das durch Verengung und Verkleinerung von Straßen. Besonders deutlich wird das im Bezirk Wandsbek, in dem sich das Erscheinungsbild mehrerer großer Straßen radikal verändern könnte. Zeitgleich regt sich dagegen Widerstand: Anwohner und Gewerbetreibende fühlen sich übergangen und bevormundet.
Die Hamburger sollen mehr Bus und Bahn fahren, das Fahrrad nehmen oder zu Fuß gehen. Dafür wird an vielen Stellen der Stadt der vorhandene Raum für alle Verkehrsteilnehmer neu aufgeteilt – für die Autos bedeutet dies weniger Platz. Besonders deutlich wird das im Bezirk Wandsbek, in dem sich das Gesicht mehrerer großer Straßen radikal verändern könnte. Gleichzeitig regt sich dagegen überall Widerstand: Anwohner und Gewerbetreibende fühlen sich übergangen und bevormundet.
Jens Kürsten ist müde. Seit 2016 schon kämpft der Inhaber des Kartonage-Gewerbes Werner Kürsten an der Walddörferstraße dafür, dass dort keine Fahrradstraße eingerichtet wird. Zunächst mit Erfolg, jetzt ist das Thema wieder aktuell.
Walddörferstraße: Wie soll sie umgebaut werden?
„Eine Fahrradstraße wäre die schlimmste Lösung“, sagt der 50-Jährige. „In unserem Gewerbegebiet werden viele per Lkw mit großen Gütern beliefert, darunter ein Teppichhandel, eine Autowerkstatt für Unfallautos oder ein Gewerbe für Rolltreppenprofile – aber auch wir als Kartonagen-Unternehmen.“ Wenn diese sich künftig die Straße mit Fahrrädern teilen müssten, befürchtet er einen großen Nachteil für die Gewerbetreibenden. Bei einem zusätzlichen Fahrradweg auf der Straße müssten wiederum Bäume gefällt werden. „Warum saniert man nicht einfach den vorhandenen Fahrrad- und Gehweg ordentlich?“, schlägt der 50-Jährige vor.

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Seit sieben Jahren plant Hamburg auf der sechs Kilometer langen Straße eine schnellere Radverkehrsanbindung. Der Radstreifen auf dem teilweise unebenen Gehweg ist vielen zu schmal – das holprige Pflaster passt längst nicht mehr zum Zeitgeist der Verkehrswende. Das Ziel von Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) ist klar: Um den Autoverkehr zu reduzieren und CO2 einzusparen, will er Hamburg Schritt für Schritt zur Fahrradstadt machen. Immer wieder stößt das Vorhaben in Hamburg auf massiven Widerstand.
Das Wandsbeker Bezirksamt werkelt derzeit an neuen Plänen für die Walddörfer Straße. Die möglichen Varianten wurden im August 2022 vorgestellt, darunter auch die erwähnte Fahrradstraße.
Die Entscheidung dazu wird bald fallen: Auf Nachfrage teilte Bezirksamtssprecherin Claudia Petschallies mit, dass der Entwurf am 23. März im Mobilitätsausschuss vorgestellt werde. Dazu kommt: An diesem Tag wollen die in Wandsbek regierenden SPD und Grünen zusätzlich einen Antrag zum Berner Heerweg einreichen – eine vierspurige Straße, die einige Stadtteile in den Walddörfern mit der Innenstadt verbindet.
Das sind die Pläne für den Berner Heerweg in Farmsen-Berne
Auch diese Straße soll laut den Grünen „gleichermaßen dem Bedarf des Auto-, des Rad- und des Fußverkehrs gerecht werden“. Im Herbst 2021 hatte das Bezirksamt dazu eine Online-Umfrage organisiert, laut der sich die Mehrheit für den zweispurigen Umbau ausgesprochen hatte. Kritik kam damals von CDU und FDP aus Wandsbek. Denn in relativen Zahlen hätten die meisten für die vierspurige Variante gestimmt. Die Stimmen für einen zweispurigen Umbau verteilten sich auf vier Vorschläge.

„Wir erachten nur eine Fahrspur pro Richtung als problematisch“, sagt Finn Ole Ritter von der FDP Wandsbek. „Was passiert zum Beispiel mit dem Wirtschaftsverkehr, den Notarztwagen und Paketdiensten?“ Laut Ritter sei eine vierspurige Variante nie ernsthaft geprüft worden. Auf einer Veranstaltung im Oktober 2022 hielt der Bezirk dagegen: Bei einer vierspurigen Variante plus Rad- und Gehweg müssten unter anderem 44 Straßenbäume gefällt werden.
Welche Variante es jetzt wohl wird? Besagten Antrag für den 23. März halten die Wandsbeker Grünen jedenfalls hochgeheim. Derzeit bereite man diesen laut Pressereferentin Nora Schumacher noch zusammen mit dem Koalitionspartner SPD noch vor. Ein Blick auf die Webseite lässt allerdings eine Tendenz für zwei Fahrspuren zu erkennen.
Rodigalle in Jenfeld: Nur noch eine Fahrspur pro Richtung?
Das ist übrigens auch der Plan für die vierspurige Rodigallee in Jenfeld, die parallel zur A24 verläuft. „Wir wurden als Anwohner überhaupt nicht darüber informiert, das ist unmöglich!“, wetterte Frank Hiemer, Gründer der Bürgerinitiative vor Ort, bereits. Er und die anderen Mitglieder würden am liebsten alles so behalten, wie es jetzt ist, sie befürchten einen extremen Rückstau im Berufsverkehr.

Diese Befürchtung teilt die Verkehrsbehörde nicht: „Die vier Fahrstreifen der Rodigallee sind schon heute nur während weniger Stunden am Tag erforderlich“, sagte ein Sprecher. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sollen dort „regelkonforme Rad- und Fußwege“ entstehen. Schon im Sommer 2023 starten die Umbauarbeiten. Patrick Martens von der SPD Wandsbek ergänzt, dass die Pläne zudem nach Rückmeldungen der Bürger überarbeitet worden sein. „Zum Beispiel werden einige Kurzzeitparkplätze entlang der Straße errichtet.“
Auch die Grünen betonen, dass sie sich für Bürgerbeteiligung einsetzen. „Bürger:innenbeteiligung bedeutet jedoch nicht nur, den Forderungen der lautesten Gruppe zuzuhören“, betont Nora Schumacher. „Viele Wandsbeker:innen wünschen sich bessere Fahrradwege sowie barrierearme und gut ausgebaute Fußwege.“ Zudem erhöhe die Reduzierung des Kfz-Verkehrs auf all den betroffenen Straßen die Lebensqualität der Anwohner.

Während es an der Rodigallee also bald losgeht, stehen jetzt erst einmal die neuen Entwürfe für den Berner Heerweg und die Walddörferstraße an. „Wenn uns das Leben hier so schwer gemacht wird, werden viele Betriebe abwandern oder zumachen“, prognostiziert Kürsten. Sein Familienunternehmen ist seit 24 Jahren an der Walddörferstraße – auch er weiß noch nicht, wie es weitergeht.