Diese Hamburgerin sollte eigentlich gar nicht mehr leben
„Gewöhnen Sie sich nicht an ihr Kind“, sagten die Ärzte zu den Eltern von Nannette Emmerich. Ihre Tochter habe nur eine Lebenserwartung von zwei Jahren, so die unbarmherzige Aussage. Die Hamburgerin hat eine seltene Pigmentstörung – nicht einmal ein Dutzend Menschen weltweit litten daran, erklärten die Ärzte. Heute ist Emmerich 46 Jahre alt – und steht im Rampenlicht.
Wenn Nannette Emmerich an ihre Kindheit denkt, denkt sie zuerst an Rollkragen. Die sich an ihren Hals schmiegen und ihn schützen, vor der Sonne. Denn das Mädchen, das 1976 in Rostock geboren wurde, ist mit einer seltenen Krankheit auf die Welt gekommen, der Pigmentstörung Congenital Melanocytic Naevi, kurz CMN.
Große Teile ihres Körpers, auch Hals und Oberarme, sind mit dunklen Pigmenten übersät. „Man könnte meinen, mein Körper wurde mit dem Malerpinsel tätowiert oder van Gogh hätte mich als Leinwand benutzt“, beschreibt Nannette das Phänomen.
„Gewöhnen Sie sich nicht an ihr Kind“, sagten die Ärzte zu den Eltern von Nannette Emmerich. Ihre Tochter habe nur eine Lebenserwartung von zwei Jahren, so die unbarmherzige Aussage. Die Hamburgerin hat eine seltene Pigmentstörung – nicht einmal ein Dutzend Menschen weltweit litten daran, erklärten die Ärzte. Heute ist Emmerich 46 Jahre alt – und steht im Rampenlicht.
Wenn Nannette Emmerich an ihre Kindheit denkt, denkt sie zuerst an Rollkragen. Die sich an ihren Hals schmiegen und ihn schützen, vor der Sonne. Denn das Mädchen, das 1976 in Rostock geboren wurde, ist mit einer seltenen Krankheit auf die Welt gekommen, der Pigmentstörung Congenital Melanocytic Naevi, kurz CMN.
Große Teile ihres Körpers, auch Hals und Oberarme, sind mit dunklen Pigmenten übersät. „Man könnte meinen, mein Körper wurde mit dem Malerpinsel tätowiert oder van Gogh hätte mich als Leinwand benutzt“, beschreibt Nannette das Phänomen.
„Gewöhnen Sie sich nicht an ihr Kind“
Die Ärzte, die sie behandeln, sind ratlos und schlecht informiert. „Gewöhnen Sie sich nicht an ihr Kind“, denn das habe nur eine Lebenserwartung von zwei Jahren, geben sie den Eltern unbarmherzig mit auf den Weg. Es gebe auf der Welt nur etwa sieben Kinder mit CMN. Und Sonne dürfe nicht auf die Haut, sonst sei das Krebsrisiko für die Kleine eminent hoch. Später erklären die Ärzte den verzweifelten Eltern, das Kind könne wohl seine Pubertät noch erleben – aber länger würde es nicht gehen.
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Mit diesem Damokles-Schwert über sich wächst Nannette auf, es prägt ihre Erziehung. Dass immerhin jedes zwanzigtausendste Baby mit CMN auf die Welt kommt, die Lebenserwartung von der Pigmentstörung nicht tangiert wird und das Hautkrebsrisiko nur minimal erhöht ist, das hat Nannette erst vor wenigen Jahren erfahren.
„Ich habe diese Blicke nicht ertragen“
Anders sein. Anders aussehen. In der Pubertät macht die Pigmentstörung Nannette das Leben schwer. Sie findet schwer Anschluss, wird gehänselt wegen ihrer Haut. „Das trifft dich, wenn du nicht den Glauben hast, in Ordnung zu sein“, sagt sie heute. Doch wie soll ein Kind mit einer solchen Diagnose, das seinen Körper permanent vor der Sonne schützen und damit automatisch auch vor Blicken verstecken muss, diesen Glauben gewinnen?
Musik ist schon früh ein Thema in Nannettes Leben. Sie lernt Violine, singt im Chor. Dort stellt sie sich in die letzte Reihe, aus Angst davor, „angestarrt zu werden“. „Ich habe diese Blicke nicht ertragen, habe mir ausgemalt, was die Zuschauerinnen und Zuschauer wohl denken, wenn sie mich sehen.“ Eine Angst, die Nannette über Jahrzehnte begleitet.
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Heute steht das Kind aus der letzten Reihe, das vor zwanzig Jahren nach Hamburg zog, im Rampenlicht. Aus Nannette wird auf der Bühne Nanée, die Solokünstlerin, die diese Woche ihr neues Album mit deutschen, von ihr selbst geschriebenen Texten erstmals auf einer Bühne präsentiert.
Der Weg aus der Dunkelheit ins Scheinwerferlicht war weit. Schritt für Schritt hat sich die Künstlerin nach ganz vorne auf die Bühne getraut, doch dazu war – so einer ihrer Songtitel – mancher „Mutausbruch“ nötig. „Der Mut muss die Angst besiegen“, sagt sie und ergänzt: „Das war schon ein sehr großer Schritt, mit so persönlichen Liedern auf die Bühne zu gehen“. Musik ist für Nanée Therapie und Botschaft zugleich: „Ich möchte die Menschen inspirieren, zu sein, wer sie sind, und das zu machen, was sie möchten.“
Heute macht Nannette Emmerich Musik und setzt sich als „Body-Revolution-Aktivistin“ ein
Empowerment-Pop nennt Nanée das, was sie auf die Bühne bringt. Mutmach-Hymnen, die ganz eigen sind und zugleich doch ein bisschen nach Rosenstolz, Sarah Connor oder Ina Müller klingen dürfen, die sie als Künstler sehr schätzt. Die Botschaft ihrer Lieder: „Sei stolz darauf, wer du bist und schäme dich nicht dafür, wie jemand anders dich sieht.“
Um diese Einstellung zu erlangen, hat sich Nanée viel mit gängigen Schönheitsidealen auseinandergesetzt, ist zur „Body-Revolution-Aktivistin“ geworden. Was das heißt? „Wir müssen nicht nur lernen, unseren Körper anzunehmen, sondern auch, andere nicht nach Äußerlichkeiten zu beurteilen.“ Sie gibt Online-Seminare zu dem Thema und trifft sich mit Menschen, die wie sie CMN haben.
Was sich in ihrem Leben geändert hat? Die Blicke fremder Menschen auf ihre Haut, die gibt es immer noch. Nur stören sie Nanée heute nicht mehr.
➤ EP: Nanée: „Tausend Farben“, www.nanee-music.com
➤ Konzert: Mi 4.5., 19.30 Uhr, Atelier Gausz, Gaußstr. 60, Eintritt 15 Euro, Anm. unter www.gausz-ottensen.de