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  • Mai Thi Nguyen-Kim ist promovierte Chemikern, Moderatorin und YouTuberin – und seit April immer mehr im Fokus der Öffentlichkeit.
  • Foto: Henning Kaiser/picture alliance/dpa

Die neue Corona-Influencerin: Beim Virologen-Check entlarvt sie Experten

Mai Thi Nguyen-Kim ist Wissenschaftsjournalistin, Moderatorin des Wissenschaftsmagazins „Quarks“ und promovierte Chemikerin. Auf ihrem erfolgreichen YouTube-Kanal „maiLab“ erklärt die 32-Jährige komplexe Themen so, dass jeder sie versteht. Seit Anfang April steht Nguyen-Kim zunehmend im Fokus der Öffentlichkeit, tritt in Talk-Shows auf und bewertet die wissenschaftliche Kommunikation der Virologen auf ihrem YouTube-Kanal. Ein Experte kommt dabei schlecht weg.

„Die Corona-Krise geht also gerade erst richtig los.“ Mit diesen Worten lädt Mai Thi Nguyen-Kim am 2. April nach etwas längerer Pause ein Video zur aktuellen Corona-Pandemie hoch. Dort erklärt sie in knapp 23 Minuten sachlich und ruhig die derzeitige Lage und zeigt verschiedene Szenarien auf, wie der weitere Verlauf der Epidemie aussehen könnte. 

„Ganz ohne Verzicht werden wir lange Zeit nicht auskommen“, ist ihr Credo, große Menschenansammlungen hält sie in diesem Jahr für unrealistisch. Das Video wird innerhalb von Tagen millionenfach angeklickt, landet auf Platz 1 der YouTube-Trends und ist das bisher erfolgreichste Video der 32-Jährigen. Die Inhalte produziert sie mit ihrem kleinen Team aus drei Leuten, zwei davon sind promovierte Wissenschaftler. 

Mai Thi Nguyen-Kim: Auf YouTube bekannt unter „maiLab“

„Im Grunde verfahren wir so, wie damals an der Universität: Wir arbeiten uns in die Forschung ein und schauen uns die Studien, die es zu dem Thema gibt, sehr gründlich an“, erzählt sie in einem Interview mit brand eins. Ihren Erfolg in den sozialen Medien erklärt sie sich dort mit dem Abheben von anderen Inhalten. „Viele schaffen das mit Zuspitzung und Empörung – wir mit wissenschaftlicher Tiefe.“

Mai Thi Nguyen-Kim wurde in Heppenheim (Hessen) geboren und studierte von 2006 bis 2012 Chemie sowohl an der Universität Mainz als auch am Massachusetts Institute of Technology (MIT). 2017 promovierte sie an der Universität Potsdam. Seit Anfang Mai 2018 moderiert sie unter anderem die Sendung „Quarks“ vom WDR und startete 2016 ihren YouTube-Kanal „schönschlau“, der von „funk“ produziert wird – einem Gemeinschaftsangebot von ARD und ZDF. Dieser heißt seit 2018 „maiLab“. 

Video über Corona-Pandemie: Kanal „maiLab“ schießt durch die Decke

Der YouTube-Kanal „maiLab“ hat seit dem Video einen deutlichen Zuwachs an Abonnenten bekommen. In den letzten vier Wochen waren es über 230.000 Menschen, die ihren Kanal neu abonniert haben. 

Auch bei der „Tagesschau“ trat sie auf, kommentierte die Debatte um die Herdenimmunität und kommt zu einem klaren Standpunkt. „Die Idee ist faul“, stellt sie klar, „für eine natürliche Herdenimmunität müssten sich grob 50 Millionen Menschen infizieren.“ Das ginge nur mit starken Einschränkungen über ein Jahr.

Auch den Vorschlag, nur die Risikogruppen wegzusperren und die anderen kontrolliert Herdenimmunität aufbauen zu lassen, hält sie für undenkbar: „Das ist nicht nur unsolidarisch, sondern auch grob fahrlässig.“ Denn es sei nicht möglich, Risikopatienten zu 100 Prozent zu isolieren. 

Neues Video auf YouTube: Virologen im Check

In ihrem neuesten Video auf YouTube vergleicht die 32-Jährige jetzt drei der derzeit bekanntesten Virologen Deutschlands: Prof. Christian Drosten, Prof. Hendrik Streeck und Prof. Alexander Kekulé. Nguyen-Kim geht es dabei um die Wissenschaftskommunikation in den Medien – und sowohl die Journalisten als auch die Wissenschaftler selbst seien dafür verantwortlich. Auch dieses Video erreichte schnell die Millionen-Marke.

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Virologe Hendrik Streeck.

Foto:

picture alliance/dpa

Die Chemikerin vergleicht die Virologen anhand dem „What?“ (Informationen über das Coronavirus) und dem „So What?“ (was sind die Folgen?). Christian Drosten liefert laut ihr sehr viel „What?“ und erreiche ein wissenschaftliches Niveau, das man sonst in den Medien selten finde. „Er geht verantwortungsvoll mit seinem Experten-Status um“, fasst sie zusammen.

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Bei Hendrik Streeck sieht die Sache schon etwas anders aus. Er ist besonders als Virologe der Heinsberg-Coronavirus-Studie bekannt geworden. Nguyen-Kim kritisiert seine Kommunikation dieser Studie, die angeblich Hoffnung auf Lockerungen gemacht habe. „Diese Zwischenergebnisse konkretisieren aber nur das, was geschätzt wird. Die Lage ist genauso ernst.“ Sie kommt zu dem Schluss, dass Streeck zwar sauber in der Forschung sei, „in der Kommunikation ist er es leider nicht.“

Virologen im Check: Nguyen-Kim vergleicht Experten

Als letztes im Check steht Alexander Kekulé, der oft als Medienexperte bezeichnet werde.  Zu ihm zitiert Nguyen-Kim eine Aussage von Volker Stollorz vom Media Science Center in Köln: Dieser hatte gegenüber „radioeins“ erzählt, dass Kekulé in den vergangenen Jahren zum Fortschritt der Virologie nichts mehr beigetragen und noch nie etwas über Corona-Viren publiziert habe. „Man muss natürlich nicht selbst an Corona forschen, um einer breiten Öffentlichkeit die wissenschaftlichen Grundlagen zu erklären“, stellt sie allerdings klar.

Kritischer sieht sie einen Tweet des Virologen vom 6. April, in dem er sehr klare Ansagen für den Lockdown-Exit gemacht hat. Die wissenschaftlichen Grundlagen dafür habe ihr Team bei der Recherche aber nicht nachvollziehen können. „Wenn das ‚What?‘ schon nicht schlüssig ist, wäre ich vorsichtig, so klare ‚So What?‘ Ansagen zu machen“, sagt sie.

Trotz allem ist sich die 32-Jährige sicher, dass es mehr Fachleute in den Medien brauche. „Ansonsten entsteht nur mehr Platz für Personen, die es mit der wissenschaftlichen Korrektheit eben nicht so ernst nehmen.“ Mehr Expertise in den Medien sei eine positive Entwicklung – nur müssten die Wissenschaftler genau auf das „What?“ und „So What?“ achten.

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