Dauerbaustelle Colonnaden: „Die Stadt macht uns das Geschäft kaputt!“
Sie ist eine der prachtvollsten und einzigartigsten Einkaufsstraßen Hamburgs – jetzt droht den Colonnaden das finanzielle Ende. Ständiger Baustellenbetrieb macht die Straße immer unattraktiver für Besucher, die Stadt scheint weder helfen zu können noch zu wollen. Ein Hotelier warnt: „Es wird ein Sterben der Kleinen geben!“
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Sie ist eine der prachtvollsten und einzigartigsten Einkaufsstraßen Hamburgs, doch ständiger Baustellenbetrieb macht die Straße immer unattraktiver für Besucher. Und die Stadt scheint weder helfen zu können noch zu wollen. Ein Hotelier warnt: „Es wird ein Sterben der Kleinen geben.“
Zugegeben – ein schöner Anblick sind die Colonnaden schon lange nicht mehr. Das liegt natürlich nicht an den altehrwürdigen Fassaden aus dem 19. Jahrhundert mit den charakteristischen Bogengängen, die die Straße zwischen dem Jungfernstieg und der Esplanade säumen, sondern an den vielen Baustellenfahrzeugen und -zäunen, die das Bild dort prägen.
Colonnaden: „Die Sommersaison ist quasi ausgefallen“
Die Baustellen summieren sich: Da führt Stromnetz Hamburg Arbeiten durch, während die Fassaden der historischen Gebäude gerade erneuert werden, Baufahrzeuge stehen neben Haufen aus Sand und Holz. Die Büschstraße, die den Gänsemarkt mit den Colonnaden verbindet, ist wegen des Abrisses der Gänsemarktpassage komplett dicht.
„Die Corona-Pandemie hat die Einzelhändler sehr mitgenommen. Als wir mit dem Neustartfond ein Comeback versuchen wollten, haben sie die Straße für Stromnetz-Arbeiten aufgerissen. Die Geschäfte waren vor lauter Baustellen kaum sichtbar. Die Sommersaison ist so gut wie ausgefallen. Was uns daran besonders ärgert: Man hat es nicht geschafft, die geplanten Glasfaserarbeiten parallel zu erledigen. Also blüht uns das noch ein zweites Mal“, sagt Niklaus Kaiser von Rosenburg, ehemaliger Vorsitzender des Trägerverbands Colonnaden und Hoteldirektor im „Baseler Hof“ an der Esplanade.
Auch die Esplanade war zeitweise voll gesperrt, ebenso wie der Neue Jungfernstieg, weshalb es noch weniger Besucher in die Colonnaden zog. „Viele unserer Stammkunden sind älter und auf das Auto angewiesen“, so Kaiser von Rosenburg. „Die kommen nicht mehr, wenn wir so schlecht zu erreichen sind.“ Auch die Laufkundschaft falle in diesen Zeiten weg.
Hinzu kommt: „Jede Demo in dieser Stadt nimmt die Colonnaden mit“, sagt der Hoteldirektor. „Versuche, die Straße zu beleben, scheiterten. Die Sondernutzungskosten sind explodiert. Einen Weihnachtsmarkt können wir uns in diesem Jahr nicht mehr leisten.“ Auch die Adventsbeleuchtung wurde massiv reduziert. Teurer als sonst war sie trotzdem. Und noch etwas macht den Gewerbetreibenden zu schaffen: „Während der Arbeiten am Neuen Jungfernstieg werden die Baufahrzeuge und -materialien in den Colonnaden gelagert“, so der Hotelier.
Bezeichnend: Das Geschäft hinter der entsprechenden Absperrung ist bereits umgezogen. Das können sich nicht alle leisten – manche mussten für immer schließen. Die Fluktuation ist hoch. Auch erste Wohnraummieter hätten bereits gekündigt, heißt es vom Trägerverband.
Dauerbaustelle Colonnaden: Das sagt das Bezirksamt
Das Bezirksamt rechtfertigt sich gegenüber der MOPO: „Der Platz ist in einer Großstadt wie Hamburg endlich“, so die Sprecherin. „So gestaltet sich die Suche nach Baustelleneinrichtungsflächen fast immer schwierig. Auch bei den größten Anstrengungen, diese nicht in durch Einzelhandel und Gastronomie genutzten Bereichen stattfinden zu lassen, lässt sich dies nicht immer gänzlich vermeiden. So muss leider die Colonnaden als Baustelleneinrichtungsfläche genutzt werden.“ Die Abrissarbeiten an der Gänsemarktpassage habe ein privater Bauträger zu verantworten.
Trotz der eigens vom Bezirksamt eingerichteten Baustellenkoordinierung sei „eine zeitgleiche Ausführung der verschiedenen Leitungsarbeiten (zum Beispiel Strom- und Glasfaserarbeiten) nicht immer möglich“. Man stehe aber „mit den Geschäftsleuten bzw. mit dem Business Improvement District BID Colonnaden in einem regelhaften Austausch, um gemeinsam die Attraktivität der Colonnaden zu sichern.“
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Den Eindruck haben die Geschäftsleute nicht. Ein hilfesuchender Brief an das Bezirksamt blieb unbeantwortet. Niklaus Kaiser von Rosenburg sieht die Zukunft der Colonnaden düster: „Es wird ein Sterben der Kleinen geben. Wir verlieren auf den letzten Metern das, was ein Vorbild für ganz Hamburg hätte werden können: Ein verkehrsberuhigtes Quartier mit einer Kombination aus inhabergeführtem Einzelhandel, Privatwohnungen und Büros.“