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  • Das UKE in Hamburg-Eppendorf
  • Foto: picture alliance/dpa

Corona-Spätfolgen: UKE-Arzt: „Die Kollateralschäden flößen uns Respekt ein“

Eppendorf –

Atemnot, Müdigkeit, Gedächtnisverlust – viele ehemalige Corona-Patienten klagen über diese Spätfolgen. Dr. med. Hans Klose ist Chefarzt der Pneumologie am UKE. Er leitet eine Studie zu den Problemen, mit denen viele Genesene auch Monate nach der Infektion noch zu kämpfen haben.

Ist Corona eine Krankheit, die man schon mal durchmachen kann? So wie eine Grippe?

Dr. med. Hans Klose: Ich kann Ihnen sagen, dass sich unsere Einstellung als Ärzte dazu klar geändert hat. Wie eine Kollegin von mir es einmal ausdrückte: Im März wollten wir Corona gerne alle durchgemacht haben, um dann immun zu sein. Jetzt sagen wir: Das wollen wir auf keinen Fall! Ich habe großen Respekt vor dieser Erkrankung.

Hans Klose

„Corona flößt uns Respekt ein“: Dr. med. Hans Klose ist Chefarzt der Pneumologie am UKE.

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hfr

Warum hat sich das geändert?

Corona ist anders als eine Grippe. Der Vergleich führt zu nichts. Das Virus ist ansteckender. Dadurch gibt es viel mehr Fälle. Allein durch die Masse an Patienten sehen wir nicht nur mehr Menschen sterben, sondern auch eine große Bandbreite an Spätfolgen. Es gibt einen Akutverlauf, den die meisten gut überstehen. Aber das, was danach kommt, die Kollateralschäden, flößen uns Respekt ein. Das muss gut aufgearbeitet werden.

Aber haben nicht die wenigsten Patienten Spätfolgen?

Ja, wahrscheinlich, aber unsere Studie steht erst ganz am Anfang. Erst in zwei Jahren können wir mehr sagen. Doch selbst wenn nur zwei Prozent mit Post-Covid-Symptomen zu kämpfen hätten – angesichts der enormen Infektionszahlen bedeutet das eine ungeahnte Belastung für unser Gesundheitssystem.

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Was sind denn die typischen Folgeerscheinungen?

Als Lungenarzt bin ich in die Studie zunächst mit dem Fokus auf die Belastbarkeit der Lunge gegangen. Viele Patienten haben noch lange Atemprobleme und Schwierigkeiten, zum Beispiel beim Treppensteigen. Doch wir führen die Untersuchung in Kooperation mit Psychologen und Psychosomatikern durch. Es hat sich herausgestellt, dass ein ganz zentrales Thema die Lebensqualität nach der Krankheit ist. Viele Menschen leiden noch lange unter großer Müdigkeit und Mattheit. Nicht wenige können sich Dinge nicht mehr merken. Das Kurzzeitgedächtnis leidet. Es gibt Wortfindungsstörungen. Auch Depressionen sind ein Thema.

Hängt das von der Schwere des Verlaufs ab?

Eher im Gegenteil! Gerade die Leichterkrankten haben hinterher eher mit psychischen Folgen zu kämpfen als die Schwererkrankten. Die Schwererkrankten haben es vor allem mit körperlichen Folgen zu tun. Wenn sie lange auf der Intensivstation waren, bauen sie Muskeln ab und brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Manche werden nie wieder so fit werden wie vorher. 

Warum dauern die Atemprobleme so lange an?

Wir haben eine Auffälligkeit hinsichtlich der Atemmuskelkraft festgestellt. Sie wird normalerweise selten gemessen. Das Coronavirus greift die Atemmuskelkraft an und sorgt für eine länger andauernde Schwäche, selbst wenn der Sauerstoffaustausch längst wieder funktioniert. Das Problem: Da kann man leider nichts machen. Nur trainieren. 

Haben Sie Verständnis für Menschen, die einer Impfung skeptisch gegenüber stehen?

Es sind sehr viele Falschinformationen im Umlauf, die Ängste schüren. Meiner Tochter wurde beispielsweise erzählt, dass die Impfung unfruchtbar macht. So etwas verbreitet sich dann über die sozialen Medien und ist nicht mehr bremsbar. Als Mediziner rechne ich die potentiellen Impffolgen gegen die potentiellen Infektionsfolgen. Und dann ist die Antwort sehr einfach.

Inwiefern?

Grundsätzlich kann es bei Impfungen zu seltenen Akutfolgen kommen. Eine Reizung an der Einstichstelle oder eine allergische Reaktion. Die Folgen einer Coronainfektion sind erheblicher. Ich werde mich auf jeden Fall impfen lassen. Nicht, weil ich Angst habe, zu sterben. Aber ich will auch nicht drei Monate lang Luftnot und Wortfindungsstörungen haben.

Skeptiker meinen, der Impfstoff sei viel zu schnell entwickelt und noch nicht lange genug erprobt worden.

Man muss die Entwicklung des Impfstoffes als eine Mammutleistung sehen. Noch nie hat es eine so gute Kooperation aus Wissenschaft, Medizin, Geldgebern, Industrie und Politik gegeben. Und noch nie zuvor ist ein Impfstoff an einer so großen Zahl an Probanden getestet worden. 

Wurden Entscheidungen beschleunigt?

Wenn Impf-Skeptiker denken, dass die Europäische Arzneimittelbehörde (EMEA) oder die amerikanische FDA schlampig arbeiten, dann haben sie keine Ahnung. Die Leute, die dort arbeiten, sind gewissenhaft und genau. Sie sind extrem streng, extrem kritisch, extrem unabhängig. Das sind echte, unabhängige Wissenschaftler. Jeder Mensch sollte Vertrauen in diese Institutionen haben.

Glauben Sie, dass Corona unsere gesellschaftlichen Umgangsformen für immer verändert hat? 

Ich denke ja, auch wenn wir uns nach Umarmungen und körperlichem Kontakt sehnen. Im Bereich der Medizin beim Kontakt zwischen Arzt und Patient wird, von meiner Seite aus, sicherlich der Handschlag zur Begrüßung in Zukunft wegfallen. 

Sind Begrüßungsküsschen oder Händeschütteln allgemein für immer Geschichte? 

Nein, sicher nicht komplett. Aber diese Pandemie wird Narben bei uns hinterlassen, nicht nur körperlich sondern auch in unserem sozialen Zusammenleben und Umgangsformen. Und selbstverständlich müssen wir die Ursachen dieser Pandemie analysieren und daraus lernen. Und das nicht auf dem Niveau der Schuldzuweisungen gegenüber anderen Ländern. Wir müssen uns fragen, in wie weit Massentierhaltung und unser Streben nach immer mehr, höher, schneller und weiter nicht auch dazu beigetragen hat, diese Pandemie erst möglich zu machen. 

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