Bau-Experte: „100 Jahre Mietpreisbindung ist erst einmal nur Show“
Es wird als Zeitenwende auf dem Hamburger Wohnungsmarkt gefeiert: Senat und Volksinitiativen einigten sich auf eine 100-jährige Mietpreisgarantie für Sozialwohnungen und das Verbot, städtische Wohngrundstücke zu verkaufen. Die MOPO sprach mit dem Wohnungsbau-Experten Matthias Günther, Diplom-Ökonom und Vorstand des Pestel-Instituts für Systemforschung, über teure Folgen der historischen Vereinbarung und über ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH), das noch zur Hürde werden kann.
Es wird als Zeitenwende auf dem Hamburger Wohnungsmarkt gefeiert: Senat und Volksinitiativen einigten sich auf eine 100-jährige Mietpreisgarantie für Sozialwohnungen und das Verbot, städtische Wohngrundstücke zu verkaufen. Die MOPO sprach mit dem Wohnungsbau-Experten Matthias Günther, Diplom-Ökonom und Vorstand des Pestel-Instituts für Systemforschung, über teure Folgen der historischen Vereinbarung und über ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH), das noch zur Hürde werden kann.
MOPO: Herr Günther, 100 Jahre Mietpreisbindung für Sozialwohnungen, ist das ein Modell, das bundesweit Schule machen sollte?
Matthias Günther: Wenn ich gemein wäre, würde ich sagen, das Vorhaben ist erst einmal Show. Es bringt Ruhe ins System, weil die Initiativen ihre Ziele erreicht haben. Ich erwarte nicht, dass das beim Neubau einen großen Sprung nach vorne bringt.
Was ist das Problem?
Es zieht Kosten nach sich. Wenn sie eine Sozialbindung auf 100 Jahren fixieren, dann müssen sie auf diesen Zeitraum auch Nachförderungen einplanen, denn Sanierungskosten sind ja aus der Miete nicht zu bezahlen.

Reicht denn das Geld, um ausreichend Sozialwohnungen zu bauen?
In den vergangenen Jahren gaben Bund und Länder rund 2,2 Milliarden Euro je Jahr für den sozialen Wohnungsbau aus. Wir bräuchten aber für die von der Regierung angekündigten 100.000 neuen Sozialwohnungen jährlich 12,5 Milliarden. Für das bundesweite Bündnis Soziales Wohnen haben wir neulich errechnet: Selbst wenn wir nur nach dem Gebäudeenergiegesetz bauen, brauchen wir für eine 60-Quadratmeter-Sozialwohnung eine Subvention von 125.000 Euro. Da könnten wir durchaus Probleme mit dem Beihilfe-Recht der EU bekommen. Obwohl Hamburg bisher eines der positiven Beispiele in Deutschland hinsichtlich der Bereitstellung von Landesmitteln ist, wo soll das zusätzliche Geld herkommen? Außerdem ist ein 100-jährige Bindung rechtlich längst nicht in trockenen Tüchern.
Das heißt?
2019 hat der Bundesgerichtshof geurteilt, dass die dauerhafte Bindung von Sozialwohnungen nicht wirksam ist. Damals hatte eine Wohnungsgenossenschaft gegen die Stadt Langenhagen geklagt. Die hatte ein günstiges Grundstück und einen langfristigen Kredit gegeben und das Wohnungsunternehmen hatte im Gegenzug eine dauerhafte Belegungrechtsgarantie gegeben. Da hat der BGH gesagt, dass eine dauerhaft Belegrechtbindung unwirksam ist, aber die Belegrechtsdauer etwa an die Dauer des Kredits gekoppelt sein könnte.
Aber wie kommen wir dann an mehr Sozialwohnungen?
Ich beschäftige mich seit 35 Jahren mit der Frage und muss sagen: Wenn man dauerhaft bezahlbare Wohnungen und Sozialwohnungen haben will, dann sollten in erster Linie öffentliche Wohnungsunternehmen, in Hamburg also die SAGA, in dieses Segment investieren. Ob es langfristig sinnvoll ist, private Investoren Sozialwohnungen bauen zu lassen, das wage ich zu bezweifeln. Generell muss jeder Wohnungsbau wirtschaftlich sein, auch der soziale Wohnungsbau. Und hier liegt in vielen Bundesländern das Problem: Schleswig-Holstein etwa hat die Förderung an die neuen Rahmenbedingungen angepasst und es werden Sozialwohnungen gebaut, in Berlin hingegen wurde in diesem Jahr noch keine Förderung für eine Sozialwohnung abgerufen, weil die so niedrig ist, dass die Wirtschaftlichkeit nicht erreicht wird.
Die Baugenossenschaften haben angekündigt, dass weniger gebaut wird, wenn die Stadt den Grund nur per Erbpacht vergibt.
Es ist davon auszugehen, dass die Genossenschaften künftig ohnehin kaum noch bauen. Die haben die noch nicht begonnenen Neubauprojekte weitgehend auf Eis gelegt, weil keiner weiß, wie es weitergeht. Und wenn eine Genossenschaft bei freifinanzierten Wohnungen auf notwendige Mieten von deutlich über 20 Euro kommt, weil die die steigenden Zinsen kompensieren müssen, dann steigen denen irgendwann die Mitglieder aufs Dach. Anders als städtische Unternehmen wie die SAGA sind Genossenschaften ihren Mitgliedern verpflichtet, nicht der Gesellschaft.
Aber grundsätzlich ist es ja gut für Mieter, wenn die Stadt den Daumen auf ihren Wohngrundstücke hält, oder?
Nur wenn der Erbpachtzins niedriger als der Hypothekenzins angesetzt wird, ist das für Investoren attraktiv. Das war über Jahrzehnte eine gute Möglichkeit, preiswert an Grund und Boden zu kommen. Wenn – wie in den vergangenen Jahren – der Hypothekenzins mit ein bis zwei Prozent niedriger liegt als die teils geforderten drei bis vier Prozent Erbpachtzins, ist Erbpacht uninteressant. Die Banken sehen es ja auch oft nicht gerne, wenn das Grundstück jemand anderem gehört.
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Müsste die Stadt stärker aufs Vorkaufsrecht setzen?
Ich plädiere seit Jahren für deutlich härtere Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen in die Grundstücksmärkte. In Baden-Württemberg etwa sind Erbstreitigkeiten ein wichtiger Leerstandsgrund. Um an solche Objekte heranzukommen, oder auch an Objekte, die verwahrlosen, weil mit ihnen spekuliert wird, da braucht man deutlich schärfere Instrumente, um da einzugreifen als Staat. Auch, wenn jemand jahrelang behauptet, er saniert, aber nichts passiert, da müssten Kommunen mehr Möglichkeiten haben.