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„Riesige Konkurrenz“: So findet St. Pauli aus dem Homeoffice neue Spieler

„Ich höre immer wieder, dass Scouting gerade ja nicht möglich sei“, sagt Jan Sandmann. Er ist seit dem vergangenen Jahr Chefscout des FC St. Pauli und weiß daher aus erster Hand, dass das trotz Corona-Pandemie sehr wohl möglich ist: Spiele zu sehen und Spieler zu sichten. Nur sind die Umstände eben anders. Jan Sandmann ist deswegen zurzeit St. Paulis Talentspäher im Homeoffice.

Genau genommen ist er einer von fünfen, die für den Kiezklub nach fußballerischen Rohdiamanten suchen. Nicht unter Tage, sondern über Wochen, Monate und Jahre. Und Spieler wie Rodrigo Zalazar auf ihren Kandidatenlisten haben, die manches Mal und wie im Falle des Uruguayers in der ersten polnischen Liga eine mittelmäßige Rolle spielen.

Jan Sandmann und St. Pauli beobachteten Rodrigo Zalazar bei seiner Leihe zu Korona Kielce nach Polen aufmerksam.

Schon länger auf der Liste: Jan Sandmann und St. Pauli beobachteten Rodrigo Zalazar bereits bei seiner Leihe zu Korona Kielce nach Polen aufmerksam. 

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imago images/Newspix

„Man hat gesehen, dass das ein Junge ist, der das Herz am richtigen Fleck und sportliche Qualitäten hat, dem aber der ein oder andere Mitspieler an der Seite gefehlt hat“, erinnert sich Sandmann an das Scouting des nimmermüden Mittelfeldmotors. „Man muss natürlich auch eine gewisse Fantasie mit so einem Jungen entwickeln, bei dem, was man in ihm sieht.“

St. Paulis Chefscout Sandmann: „Wird immer schwieriger“

Eine Grundvoraussetzung in Sandmanns Job. Analysieren, was fehlt. Fantasieren, was geht. Und den ersten Kontakt herstellen zum Spieler oder dessen Berater. So weit, so bekannt. Ansonsten hat sich aber, und das hat mit dem Virus ausnahmsweise mal nichts zu tun, einiges geändert. „Es wird immer schwieriger Nischen zu finden, weil überall genügend Scouts sitzen“, sagt Sandmann. „Am Ende geht es vielmehr um Strategien, die wir für uns entwickeln müssen.“

Jan Sandmann im November 2000 für den HSV im UEFA-Cup-Spiel gegen die AS Rom um Nakata Hidetoshi.

Jan Sandmann im November 2000 für den HSV im UEFA-Cup-Spiel gegen die AS Rom um Nakata Hidetoshi.

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WITTERS

St. Pauli zum Beispiel hat den skandinavischen Markt genau im Blick. Das hat mehrere Gründe. „Es ist klar, dass wir nicht weltweit alle Ligen abdecken können“, sagt der 42-Jährige, der seine Profi-Karriere beim 1. FC Magdeburg, dem HSV, Union Berlin und Holstein Kiel zubrachte, bevor er bei den Störchen und später beim 1. FC Nürnberg als Co-Trainer und Scout arbeitete.

St. Pauli hat den skandinavischen Markt für Transfers im Blick

„Wichtig ist, dass wir uns in den Märkten, die für uns wichtig sind, sehr, sehr gut auskennen. Das sind der deutsche Markt und die Ligen, die uns umgeben“, erklärt Sandmann. „Skandinavien ist für uns ein Markt, den wir ganz gut – wenn Live-Scouting möglich ist – abdecken können, wo wir auch hin und wieder Spieler bekommen können, die für uns sportlich interessant und auch wirtschaftlich darstellbar sind. Wir haben bereits gute Erfahrungen mit Spielern aus Skandinavien gemacht, was Mentalität angeht, wie sie sich in die Gruppe einbringen, dass sie nicht nur auf dem Platz wichtig sind, sondern auch ringsherum, weil sie unkompliziert zu integrieren sind. Das sind alles Dinge, die mit reinspielen.“

Natürlich ist St. Pauli mit dieser Erkenntnis nicht allein. „Das ist eine riesige Konkurrenzsituation“, sagt Sandmann. „Du sitzt als Scout in keinem Stadion mehr alleine, da kannst du nach Norwegen in die abgelegenste Gegend fahren, wo es nicht mehr ganz so gemütlich ist. Es gibt keinen unentdeckten Spieler mehr oder die Perle, die alle noch suchen.“

Scouting in Corona-Zeiten: Video-Studium und Datenanalyse

Zurzeit kommt das mit Norwegen und der allerletzten Ecke ja ohnehin nicht in Frage. „Momentan geht alles über Video, über Datenanalyse, über viele Telefonate mit Kollegen“, erklärt der Vater zweier Kinder, für den „das viele Vor-der-Kiste-Sitzen aktuell unser täglich Brot ist. Der Vorteil ist, dass wir die Zeit, die wir sonst auf Reisen verbringen oder im Auto, effektiv am Studieren der Videos nutzen können. Trotzdem muss man sagen, dass natürlich Live-Eindrücke weiterhin durch nichts zu ersetzen sind.“

Auch Eric Smith, hier 2017 im Einsatz für Norrköping, stand bei St. Pauli schon länger auf dem Zettel.

Auch Eric Smith, hier 2017 im Einsatz für Norrköping, stand bei St. Pauli schon länger auf dem Zettel. 

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imago/Bildbyran

Sandmann und seinem Team hilft es da, dass sie die meisten Spieler schon länger im Blick haben. So lief das auch bei Eric Smith, der sich zuerst für das belgische Top-Team Genk entschied, schließlich – weil er auf der „Radarliste“ blieb – aber doch über Umwege bei St. Pauli landete.

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Immer wichtiger werden für die Späher auch Daten. „Diese Analysen spülen manchmal Spieler ans Tageslicht, die du vielleicht bis dahin mit deinen subjektiven Eindrücken am Video nicht so wahrgenommen hast“, sagt Sandmann. „Am Ende ist es aber im Scouting immer ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren. Entscheidend ist es, dafür ein Gefühl zu entwickeln.“
 

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