„Keinen Bock auf Scheiß-Testspiele“: Polzin erklärt bunte HSV-Linien auf dem Platz
So einen weitgehend überzeugenden Testspielsieg während einer Länderspielpause gab es im Volkspark lange nicht. Am 1. September 2021 hatte der HSV mal mit 3:1 gegen den FC Groningen gewonnen. An diesem Mittwoch, vier Jahre später, war der niederländische Erstligist wieder zu Gast – und diesmal kam es sogar zu einem Torfestival, das mit 6:3 (3:0) aus Hamburger Sicht endete. Auf einem speziell präparierten Geläuf neben dem Stadion trafen gleich mehrere HSV-Profis, die es zuletzt schwer hatten.
Merlin Polzin erinnerte seine Spieler während des Tests immer wieder an die richtige Höhe. „Emiiir!“, brüllte der Trainer, als sich Sahiti nach einem missratenen Querpass von Immanuel Pherai beklagte, statt sofort nach hinten zu laufen. Erst nach dieser Aufforderung schaltete der Kosovare in den Verteidigungsmodus – und überquerte in der gegnerischen Hälfte nacheinander drei gestrichelte Linien: erst eine rote, dann eine gelbe, dann wieder eine rote.
HSV gewinnt Testspiel gegen den FC Groningen mit 6:3
Diese Linien dienen den HSV-Spielern zur Orientierung, sie geben im Defensivverhalten die Pressinghöhe vor. Im Stadion sind sie nicht erlaubt, bei Testspielen auf dem Trainingsplatz waren sie aber schon in der Vergangenheit zu sehen. Und sie gehören auch zum regulären Übungsprozess. „Jeder kennt die Farben: Was heißt Rot? Was heißt Gelb? Was heißt Grün? Was sind da die Aufgaben im Pressing?“, zählte Polzin nach der Partie auf – und erklärte: „Mit dieser Farbe sind die prinzipiellen Verhaltensweisen verbunden, damit jeder weiß, was wir als Mannschaft tun müssen und jeder auf seiner Position tun muss.“

Beim zuletzt enttäuschenden Test gegen den VfL Osnabrück (1:3) hatte Polzin jedem Spieler bestimmte Vorgaben gegeben, die auch mit den Abläufen gegen den Ball zu tun hatten. Nun, gegen den Sechsten der niederländischen Eredivisie verzichtete der Coach bewusst darauf. „Heute war der Fokus ganz klar darauf, zu gewinnen“, erklärte Polzin, denn: „Wir hatten keinen Bock mehr auf Scheiß-Testspiele. Und ich hatte keine Lust darauf, dass ich eineinhalb Tage brauche, bis ich abschalten kann, weil ich mich aufrege.“ Auch nach den Auftritten gegen Regionalligist Weiche Flensburg (nur 2:1 im August) sowie Zweitligist Hannover 96 (1:3 im September) war der Frust groß.
Diesmal aber kann der 35-jährige Fußballlehrer ohne Groll ins lange Wochenende gehen, das am Donnerstag nach einer lockeren Auslaufeinheit beginnen wird. Einen zusätzlichen freien Tag als Belohnung gibt es nicht, auch wenn Polzin mit dem Spiel zufrieden war – trotz drei Gegentoren nach der Pause.
HSV-Tore von Sahiti, Pherai, Jatta, Königsdörffer und Ramos
Für den HSV trafen in der ersten Hälfte Sahiti (15., per Abstauber), Pherai (17., in den Winkel aus 20 Metern) sowie Bakery Jatta (43., nach Steilpass von Fábio Viera und Torwartfehler). Sahiti stellte nach der Pause und dem Anschlusstor durch Groningens David van der Werff (49.) artistisch auf 4:1 (55.). Da profitierte der Kosovare zum zweiten Mal von einer Schussvorlage durch Pherai. Dem Schlenzer von van der Werff zum 2:4 (62.) ließ der eingewechselte Ransford Königsdörffer das 5:2 folgen (70., per Kopf nach Flanke von Noah Katterbach). Und auch auf das 3:5 durch Mark Hoekstra (72.) hatte der HSV eine finale Antwort: Guilherme Ramos köpfte nach einer Ecke, getreten von Joker Jean-Luc Dompé, zum Endstand ein (84.).

„Erfahrungsgemäß“, blickte Polzin in die Vergangenheit, „waren die Testspiele in der Länderspielpause weniger das, was wir uns vorgestellt haben.“ Das sei diesmal anders gewesen. „Ein sehr professioneller Auftritt“, befand der Coach. „Total stabil, das war gut zu sehen, ich bin sehr zufrieden.“ Es fehlten unter anderem der verletzte Daniel Elfadli sowie Nicolás Capaldo, die beide bei der Hochzeit von Daniel Peretz in Israel weilen. Auch Albert Sambi Lokonga (angeschlagen), Jonas Meffert (krank) und Rayan Philippe (geschont, trainierte individuell) waren nicht im Kader. Daniel Heuer Fernandes saß auf der Bank, dafür stand Nachwuchskeeper Fernando Dickes im Tor.
HSV-Trainer Polzin zufrieden: „Das ist gut aufgegangen“
In Abwesenheit der Nationalspieler (Giorgi Gocholeishvili, Miro Muheim, Luka Vuskovic, Yussuf Poulsen und Fabio Baldé) wussten dann besonders Pherai und Sahiti mit ihren Scorerpunkten zu überzeugen. Auch Jatta und Ramos trugen sich in die Torschützenliste ein. Diese Profis, die zuletzt fast chancenlos waren, hätten ihm gezeigt, „dass sie da sind, dass sie fit sind und ich auf sie zählen kann“, meinte Polzin und schloss: „Das ist gut aufgegangen.“
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So spielte der HSV: Dickes – Ramos, Soumahoro, Torunarigha – Mikelbrencis, Vieira (61. Hefti), Remberg (46. Davis Rath), Jatta (61. Katterbach) – Pherai (81. Raif Adam für Pherai), Glatzel (61. Königsdörffer), Sahiti (61. Dompé).
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