„Es ärgert und nervt mich“: Göttlich verteidigt St. Paulis Knallhart-Kurs
Die Saison hat Kraft gekostet. Und Nerven. Sie hat aber auch viel Spaß gemacht. Lange Zeit. Für den FC St. Pauli ist Platz fünf das beste Abscheiden seit 2016. Dennoch bleibt der Beigeschmack des auf der Zielgeraden verspielten Aufstiegs. Auch bei Präsident Oke Göttlich, der in seinem Saisonfazit über die verpasste Chance, die Arbeit von Trainer Timo Schultz und Sportchef Andreas Bornemann, Misstöne in den vergangenen Wochen und unzufriedene Profis spricht.
Das Saisonende liegt schon fast eine Woche zurück, aber zur Ruhe kommt der FC St. Pauli nicht. Es gibt diverse Themen, die den Kiezklub und seine Fans beschäftigen, bewegen und auch emotional erregen.
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Die Saison hat Kraft gekostet. Und Nerven. Sie hat aber auch viel Spaß gemacht. Lange Zeit. Für den FC St. Pauli ist Platz fünf das beste Abscheiden seit 2016. Dennoch bleibt der Beigeschmack des auf der Zielgeraden verspielten Aufstiegs. Auch bei Präsident Oke Göttlich, der in seinem Saisonfazit über die verpasste Chance, die Arbeit von Trainer Timo Schultz und Sportchef Andreas Bornemann, Misstöne in den vergangenen Wochen und unzufriedene Profis spricht.
Das Saisonende liegt schon fast eine Woche zurück, aber zur Ruhe kommt der FC St. Pauli nicht. Es gibt diverse Themen, die den Kiezklub und seine Fans beschäftigen, bewegen und auch emotional erregen.
Das sportliche Fazit von Präsident Göttlich fällt dann auch eher bündig aus. „Wir sind zufrieden mit der Entwicklung in dieser Saison, nur der Endspurt war ärgerlich“, sagt der 46-Jährige. Die Mannschaft habe über weite Strecken besser gespielt als vereinsintern für diese Spielzeit erwartet und mit der „hervorragenden Entwicklung Erwartungen geschürt, die wir am Ende leider nicht erfüllen konnten“.
„Schritt nach vorne“: St. Pauli-Boss Göttlich lobt Schultz und Bornemann
Hervorragende Arbeit bescheinigt Göttlich neben Sportchef Andreas Bornemann auch Trainer Timo Schultz. „Timo hat den Verein definitiv einen Schritt nach vorne gebracht – das ist klasse“, sagt Göttlich. „Es ist seine erste Trainerstation mit extremen Höhen, aber auch mit Ergebnissen in der zweiten Saisonhälfte, wo man sich sicherlich als Trainer und Team hinterfragt, woran es gelegen hat.“
Dass es zuletzt Dissonanzen in Personalfragen zwischen Coach und Sportchef gegeben hat, will Göttlich gar nicht bestreiten. „Mir ist es lieb, wenn der Eine mit dem Anderen auch mal in die Bütt steigt und sagt: ,Ey, das hat mir nicht gefallen.’ Oder sagt: ,Dafür muss ich mich entschuldigen.’ Auch da wollen wir uns weiterentwickeln.“
„Ey, das hat mir nicht gefallen“: St. Pauli ringt um die richtige Streitkultur
St. Pauli setzt voll auf das Gespann, das ein starkes Team aufgebaut hat, das attraktiv spielt. „Wir wollen die nächsten Schritte gehen – gemeinsam“, so Göttlich. „Wir haben einen starken Trainer und einen starken Sportdirektor.“ Bornemann sei „jemand, der sehr klar und sehr deutlich strategische und inhaltlich strukturierte Entscheidungen trifft“.
Harte Personalentscheidungen hatte es zuletzt einige gegeben. So hatten weder der langjährige Kiezkicker und aktuelle Kapitän Philipp Ziereis noch Torwarttrainer Mathias Hain nach 14 Jahren im Verein einen neuen Vertrag erhalten. Im Zuge dessen sah sich Bornemann Vorwürfen ausgesetzt, er habe in Vertragsfragen wie beim Thema Prämien zu sehr auf Zeit gespielt, Spieler hingehalten, zu wenig oder gar nicht kommuniziert.
Göttlich verteidigt St. Paulis Vertrags-Strategie: „Wir haben klare Signale gesandt“
„Wir haben bis zum vorletzten Spieltag um den Aufstieg mitgespielt. Da kann man nicht im Februar sechs Spielern sagen: ,Eure Reise ist vorbei, vielen Dank, dass ihr da wart’“, sagt Göttlich. „Wir haben immer betont, dass wir bis zum Schluss alle brauchen und dennoch haben wir ab Beginn des Jahres klare Signale gesandt.“
Ein Manko oder gar Fehlverhalten Bornemanns sieht Göttlich nicht, verteidigt die Linie als konsequent und sieht die Sache nüchtern, fast emotionslos: „Wenn Spieler gehen, dann gehen Spieler. Und wenn Spieler unzufrieden sind, weil sie entweder nicht eingesetzt werden oder weil sie nicht die Gesprächskultur gehabt haben, die sie sich vielleicht gewünscht oder erhofft hätten, dann ist das so.“
„Wer gut ist, bleibt. Und wer nicht gut ist, bleibt eben nicht“
Wer offene und ehrliche Kommunikation fordere, so Göttlich, müsse auch „offenes und ehrliches Feedback“, was auch kritisch sein könne, aushalten. „Das kommt beim Empfänger manchmal nicht gut an und dann ist der Empfänger traurig, aber dann ist das so. Aber wir sind im Profisport. So einfach ist das.“
St. Pauli wolle „auch mit diesen kritischen Themen so umgehen, dass wir sagen: nächster Schritt. Das führt dann auch mal dazu, dass man sich aktiv trennt. Selbstverständlich zählt im Profifußball unser Werte-Kanon in Verbindung mit Leistung und Erfolg. Wer gut ist, bleibt. Und wer nicht gut ist, der bleibt eben nicht.“ Das dürfte mancher, der gehen musste, nicht gerne hören – oder gar als Schlag ins Gesicht empfinden.
Alles nur eine Stilfrage? Oder Grund für eine zunehmend schlechte Stimmung in den vergangenen Wochen und Ursache für den verpassten Aufstieg, wie manche sagen, die nah dran waren oder noch sind?
St. Pauli-Präsident Göttlich ist genervt von „persönlichen Befindlichkeiten“
„Kommunikation hat auf unsere Leistung keinen Einfluss gehabt“, ist Göttlich überzeugt. „Wir haben einen leidenschaftlichen und klaren Fußball gesehen, aber wir konnten am Ende die Ergebnisse nicht erzielen.“ Das Thema Kommunikation sei ohnehin „sehr individuell“, auch im aktuellen Fall. „Was der eine Spieler als gute Kommunikation ansieht, reicht dem anderen nicht. Das kann total unterschiedlich aufgefasst werden, genau wie das Feedback.“
Beim FC St. Pauli gelte eine klare Regel. „Der Verein steht über dem Einzelnen. Ganz grundsätzlich. Sieht der Aufsichtsrat so, sieht das Präsidium so, sieht die sportliche Leitung so“, erläutert Göttlich. „Es ärgert und nervt mich – auch als Mitglied und Fan dieses Vereins – wenn Einzelschicksale über das Interesse des Vereins gestellt werden. Wenn wir hier anfangen, über persönliche Befindlichkeiten zu sprechen, hat das nichts mit Profisport zu tun und wir sollten nicht von der Bundesliga träumen.“
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Ziel für die kommende Spielzeit ist ein erneuter Angriff. „Unsere Ambition ist, einen Kader zu stellen, den Timo individuell weiterentwickelt, um erfolgreich zu sein“, sagt Göttlich. Der Kiezklub befinde sich derzeit „im Cluster des oberen Drittels der Zweiten Liga und dort müssen wir uns, sowohl was das TV-Ranking als auch die Tabelle angeht, festsetzen.“