St. Pauli-Präsident Oke Göttlich schaut auf einer Versammlung ernst

Ernste Themen: Oke Göttlich (re./hier bei der Mitgliederversammlung 2024) steht am Samstag zur Wiederwahl, doch es geht auch um andere wichtige und heikle Tagesordnungspunkte. Foto: WITTERS

Bricht Born sein Schweigen? Die brisantesten Themen der St. Pauli-Versammlung

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Diskussionen und Debatten sind garantiert. Wie ausdauernd und hitzig sie werden, wie emotional oder konfrontativ es zur Sache gehen wird, muss sich zeigen. An brisanten Themen und Anträgen mangelt es jedenfalls nicht bei der Mitgliederversammlung des FC St. Pauli. Bei den vorgesehenen Reden der Funktionsträger wie Präsident Oke Göttlich werden heiße Eisen angepackt, mutmaßlich die sportliche Talfahrt, die jüngsten Misstöne über die Stimmung am Millerntor, politische Positionen oder die Hamburger Olympiabewerbung, aber auch ungeplante Wortbeiträge werden mit Spannung erwartet. Stichwort Jackson Irvine und die Entgleisungen von Aufsichtsrat René Born, der vor wenigen Tagen vom Verein sanktioniert worden ist. Schwamm drüber? Wohl kaum.

Schon am Samstagmorgen um 11 Uhr geht es los im Audimax der Universität Hamburg. Es steht einiges auf der Tagesordnung, insgesamt 15 Punkte, was eine XXL-Veranstaltung bedeutet und von den anwesenden Funktionsträgern und auch Mitgliedern einen langen Atem, Geduld und strapazierfähige vier Buchstaben erfordert.

Mitgliederversammlung des FC St. Pauli im Audimax

Wichtig, aber keinen Nervenkitzel versprechend, ist die anstehende Wahl des Präsidiums durch die Mitgliedschaft. Präsident Oke Göttlich, seit 2014 im Amt, stellt sich mit seinem Team Luisa Gottberg, Hanna Obersteller und Jochen Winand zur Wiederwahl, während Esin Rager aus dem Gremium ausscheidet. Die Frage ist nicht, ob Göttlich und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter für weitere vier Jahre mit der Führung des Kiezklubs betraut werden, sondern, wie hoch die Zustimmungsraten sind.


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Den Ton der Veranstaltung wird zunächst Göttlich mit dem obligatorischen Bericht des Präsidiums setzen, den der 49-Jährige wie üblich zu einer Grundsatzrede nutzen wird, in der es sicherlich um die aktuelle sportliche Misere gehen wird, aber wahrscheinlich auch zum Stimmungstief im Millerntor-Stadion und kritische Tönen, die Zukunft des Vereins im wirtschaftlich extrem herausfordernden Wettbewerb Profifußball und den Kampf um die 50+1-Regel. Gut möglich, dass Göttlich auch über das Thema Olympia, die Haltung des Kiezklubs zur Hamburger Bewerbung und sich daraus ergebenden Chancen für einen Stadion-Ausbau oder -Neubau spricht. Ob sich der Präsident auch konkret zum Zwist um Irvine und Born äußert, oder allgemein den Zusammenhalt beschwört, bleibt abzuwarten.

Kommt das Reiz-Thema Jackson Irvine zur Sprache?

Apropos Irvine und Born: Dieses Thema darf im Bericht des Aufsichtsrats, den die Vorsitzende Kathrin Deumelandt vortragen wird, eigentlich nicht fehlen, denn die Angriffe per Social-Media-Posts von Gremiumsmitglied Born gegen den Spieler, der wiederum von manchen Vereinsmitgliedern wegen seiner Haltung im Nahost-Konflikt kritisch gesehen wird, hatten nicht nur öffentlich, sondern auch vereinsintern für Furore gesorgt. Geht Deumelandt vor den Mitgliedern auf das Thema ein, das auch dem eigenen Gremium Schaden zugefügt hat? Wird der Eklat verbal umtanzt, indirekt oder nur oberflächlich angesprochen?

Im Bericht des Ehrenrates wird der Fall mit Sicherheit eine Rolle spielen, denn dieses Gremium hatte kürzlich nach eingehender Prüfung der Vorgänge und Gesprächen mit Beteiligten gegen Born „Sanktionen wegen vereinsschädigenden Verhaltens verhängt“. Er muss eine Geldstrafe zahlen. In der Vereinsmitteilung war dessen Name übrigens an keiner Stelle zu lesen, nur von „Mitglied des Aufsichtsrats“.

Aufsichtsrat René Born: Stellungnahme oder Schweigen

Die große Frage ist, ob sich Born selbst zu Wort meldet – freiwillig oder durch die Mitglieder aufgefordert. Bis jetzt hat er sich öffentlich noch nicht erklärt, gar entschuldigt oder seine ganz offensichtlich kritische Sicht auf Irvine in sachlicher Form erneuert. Der Mitgliedschaft gegenüber, die ihn ins gewählt hat, ist er eigentlich Rechenschaft schuldig. Es gibt Personen im Verein, die in dieser Frage von einem „Charaktertest“ sprechen, welcher auch die Frage beantworte, ob Born das nötige Verantwortungsbewusstsein und Format für sein Amt habe.

René Born ist seit 2022 Mitglied des Aufsichtsrats des FC St. Pauli. WITTERS
St. Paulis Aufsichtsrat Rene Born hält eine Rede.
René Born ist seit 2022 Mitglied des Aufsichtsrats des FC St. Pauli.

Das Protokoll der Versammlung sieht das nicht vor, aber es sei daran erinnert, dass auf der Mitgliederversammlung im Dezember 2022 Sportchef Andreas Bornemann das Wort ergriffen hatte, nachdem er zuvor mehrfach wegen der Entlassung von Trainer Timo Schultz zum Teil heftig kritisiert worden war, und dann ausführlich den umstrittenen Schritt erklärt hatte. Kurz: Wer reden will – ob Funktionsträger oder einfaches Mitglied – darf reden.

Zwei Anträge zur Antisemitismus-Definition bei St. Pauli

Spannung (und mutmaßlich auch Spannungen) wird es definitiv beim vorletzten Tagesordnungspunkt, den „sonstigen Anträgen“ geben, wobei die Verantwortlichen des Vereins wie bei allen brisanten Themen des Tages auf möglichst sachliche Debatten und einen fairen Umgang untereinander hoffen. Insgesamt gibt es neun dieser Anträge, für die bei einer Abstimmung eine einfache Mehrheit reicht.

In einem der eingereichten Anträge, die im Vorfeld eingereicht werden mussten und mündlich vor der Mitgliedschaft gestellt werden müssen, geht es um die Definition von Antisemitismus, auf die sich der FC St. Pauli in seiner Haltung beruft. Seit 2021 gilt für den Kiezklub die „internationale Arbeitsdefinition von Antisemitismus“ der „International Holocaust Remembrance Alliance“, kurz IHRA. Diese Entscheidung war auf der Mitgliederversammlung 2023 mit großer Mehrheit bestätigt worden. Mit dem nun eingereichten Antrag wird gefordert, dass der Verein künftig der „Jerusalemer Definition zu Antisemitismus“ (JDA) folgen solle. Eine der Begründungen: Diese biete „eine klare Abgrenzung zwischen Antisemitismus und legitimer Kritik an der Politik des Staates Israel“.

„Herz von St. Pauli“: Abstimmung zur Stadionhymne

In einem inhaltlichen Gegenantrag zu diesem Thema wird die Mitgliederversammlung wiederum aufgefordert, das Präsidium mit der Bildung einer „Arbeitgruppe Antisemitismus-Definition“ zu beauftragen, da es noch eine weitere relevante Definition außer den beiden oben genannten gebe und der Verein seine eigene und für ihn passendste Linie ausgiebig prüfen müsse.

Politisch wie emotional ist auch der Antrag zum „Herz von St. Pauli“, mit dem allgemein mehr Basisdemokratie im Verein, konkret aber die Wiedereinführung der abgesetzten Stadionhymne gefordert wird.

Rauchverbot auf den Tribünen des Millerntor-Stadions?

Darüber hinaus könnte ein Antrag auf ein Rauchverbot auf den Stadiontribünen (nicht aber im Umlauf) bei Heimspielen der Kiezkicker die Gemüter wie ein Feuerzeug einen Glimmstängel erhitzen.

Das Millerntor-Stadion des FC St. Pauli WITTERS
Das Millerntor-Stadion
Das Millerntor-Stadion des FC St. Pauli

Nicht unterschätzt werden darf in seiner Brisanz der Antrag, mit dem das Präsidium zur Garantie des Fortbestandes des Clubheims „mindestens in seinem bisherigen Umfang und in seiner bisherigen Funktionalität“ sowie zur verbindlichen Rücksprache mit involvierten Personen im Falle geplanter Veränderungen aufgefordert wird. Das Clubheim hatte im Sommer 2024 aufgrund finanzieller Probleme vorübergehend schließen müssen, konnte durch das Engagement eines ehrenamtlichen Kollektivs aber wiedereröffnet und weitergeführt werden.

Streit über das Clubheim erreicht Mitgliederversammlung

Nach MOPO-Informationen gibt es hinter den Kulissen seit geraumer Zeit Streit zwischen den Betreibern und Unterstützern einerseits und der Vereinsführung andererseits über die künftige Nutzung und auch Umgestaltungen der Räumlichkeiten.

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Welche Wucht der Antrag hat, der aus dem Inneren des Vereins kommt, zeigt die aufgeführte Liste der Unterstützer: die Abteilungsleitung der AFM (Abteilung Fördernder Mitglieder), die AGiM (Arbeitsgemeinschaft interessierter Mitglieder), der Amateurvorstand des FC St. Pauli sowie der Fanclubsprecher*innenrat.

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