Trockener Januar? So reagiert die Leber wirklich auf vier Wochen Alkoholverzicht
Sind Sie auch dabei, wenn es um den „Dry January“, den trockenen Januar, geht? Viele starten in das neue Jahr mit einem Verzicht auf Alkohol. Denn in der Weihnachtszeit und Silvester wird im Allgemeinen mehr Alkohol getrunken. Was bedeuten eigentlich vier Wochen Alkoholverzicht für die Leber? Prof. Dr. Jürgen Pohl ist Chefarzt der Gastroenterologie an der Asklepios Klinik Altona. Er ordnet die Abstinenz für uns ein.
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Sind Sie auch dabei, wenn es um den „Dry January“, den trockenen Januar, geht? Viele starten in das neue Jahr mit einem Verzicht auf Alkohol. Denn in der Weihnachtszeit und Silvester wird im Allgemeinen mehr Alkohol getrunken. Was bedeuten eigentlich vier Wochen Alkoholverzicht für die Leber? Prof. Dr. Jürgen Pohl ist Chefarzt der Gastroenterologie an der Asklepios Klinik Altona. Er ordnet die Abstinenz im Interview mit Stefan Fuhr für uns ein.
MOPO: Vorweg zur Einordnung: Wo sitzt die Leber und welche Aufgabe übernimmt sie im Körper?
Prof. Dr. Jürgen Pohl: Die Leber sitzt unter unserem rechten Rippenbogen. Sie ist sogar recht groß. Schauen Sie mal auf Ihre eigenen Fäuste: Vier, fünf Fäuste … so groß ist das Organ. Sie erstreckt sich vom rechten Rippenbogen bis etwa in die Mitte des Brustbeins. Die Leber ist ein ganz zentrales Organ in unserem Körper. Sie ist sehr wichtig für unser Immunsystem und der Volksmund sagt, dass die Leber unser Entgiftungsorgan ist. In ihr finden unglaublich viele enzymatische Stoffwechselprozesse statt, schädliche Stoffe werden dem Blut entzogen und so manches Eiweiß wird in der Leber umgebaut, sodass es für den Körper verwertbar ist.
Wenn Sie sagen „entgiften“ … „vergiften“ wir uns denn jeden Tag?
Der Mensch ist ein relativ robustes Wesen. Das kann man mit Bestimmtheit so sagen. Und auch die Leber ist ihren normalen Aufgaben durchaus gewachsen. Aber: Die Evolution hat uns nicht für Alkoholkonsum geschaffen. Dennoch kann die Leber mit einem normalen Alkoholkonsum gut umgehen. Wenn die Leber merkt, da kommt immer mehr Alkohol, dann passt sie sich sogar an und entwickelt noch mehr Enzyme, um den Alkohol abzubauen.
Aber Alkohol ist Gift für den Körper?
Ja. Alkohol ist kein normaler Bestandteil der täglichen Nahrung, sondern ein Gift. Aber wie so oft: Die Dosis macht es. Wer abends ein Glas Wein oder ein Bier trinkt, wird höchstwahrscheinlich keine Probleme bekommen. Diese Mengen können auch von der Leber gut verarbeitet werden. Trinken wir aber viel Alkohol, ärgern wir damit nicht nur die Leber, sondern viele Zellen in unserem gesamten Körper werden in ihrem Wohlbefinden gestört. Das kann großen Schaden anrichten – bis zum Tod der Zellen.
Alkohol in Maßen sei gesund, liest man immer mal wieder …
Da gibt es einige Mythen. Auch dass bei einem Alkohol-Rausch Milliarden von Gehirnzellen absterben. Dem Rotwein sagt man durch seine Inhaltsstoffe eine eher schützende Wirkung nach. Doch wirklich wissenschaftlich bewiesen ist alles nicht. Man darf das auch bezweifeln. Ich glaube, wenn man Alkohol als Genuss betrachtet und mit Bedacht trinkt, ist das vollkommen okay. So mache ich das auch.
Wie baut die Leber den Alkohol ab?
Am Ende wird der Alkohol zu Wasser und CO₂ umgebaut. Dazu finden in der Leber etliche Stoffwechselprozesse statt. Einige von diesen Stoffwechsel-Abbauprodukten sind übrigens genau so giftig für die Zellen wie der Alkohol selbst. In geringen Dosen steckt die Leber das sehr gut weg, aber wenn dieser Reiz immer wieder oder gar regelmäßig kommt, wird es problematisch.
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Kann sich die Leber wieder regenerieren, wenn man wie z.B. jetzt im Januar keinen Alkohol trinkt?
Erlauben Sie mir einen kurzen Ausflug in die griechische Mythologie. Prometheus brachte den Menschen das Feuer und erzürnte damit Göttervater Zeus. Der ließ ihn zur Strafe an einen Felsen schmieden. Jeden Tag hat ihm ein Adler etwas von seiner Leber weggefressen. Die erneuerte sich jeden Tag wieder. Hört sich gemein an, ist auch so. Aber Prometheus hat genau das, was wir heute auch noch haben: Die Leber hat ein unglaublich großes Regenerationspotenzial. Sie kann sich – anders als die meisten Organe in unserem Körper – sehr gut regenerieren, wenn man sie schont und in Frieden lässt.
Reichen denn dazu vier Wochen aus? Wären dann auch eventuell erhöhte Leberwerte im Blut wieder o.k.?
Erhöhte Leberwerte, die anhand des Blutbildes bestimmt werden können, sind immer ein Alarmsignal. Allerdings lässt es nicht immer den Rückschluss auf viel Alkohol zu. Bei erhöhtem Alkoholkonsum speichern die Leberzellen vermehrt Fette – im Extremfall kann man das dem Organ richtig ansehen. Es sieht dann als Ganzes auch geschwollen und gelb aus. Wenn der Arzt sich die Leber im Ultraschall ansieht, dann stellt sich eine verfettete Leber deutlich heller dar. Tatsächlich kann man schon nach einem Monat Alkoholverzicht feststellen, dass diese Verfettung nachlässt. Allerdings reicht natürlich je nach Schweregrad der Verfettung ein Monat nicht aus. Und wer denkt, ich schicke meine Leber vier Wochen in Ferien und kann danach wieder Rambazamba machen – ohne Rücksicht auf Verluste, dem wird die Leber dieses auf lange Sicht nicht verzeihen. So ein Verhalten wird häufig mit verkürzter Lebenszeit oder einem dauerhaften Organ-Schaden bezahlt.
Dann kommt es zur Leberzirrhose?
Wenn der Leber keine Ruhe gegönnt wird, man also z. B. ständig viel Alkohol trinkt, dann kann die Leber von einer Fettleber in eine Leberzirrhose übergehen. Das bedeutet: Das Organ wird kleiner und härter. Es stirbt also tatsächlich Lebergewebe ab und kann nicht mehr ersetzt werden. Die Fähigkeit der Regeneration ist in diesem Stadium nicht mehr gegeben. Die Leberzirrhose ist das Endstadium und ein klassisches Merkmal einer Alkohol-Erkrankung. Der Vollständigkeit halber sei noch gesagt, dass eine Fettleber auch häufig bei Menschen mit einem Diabetes und natürlich auch bei falschen Essgewohnheiten auftreten kann. Fett sammelt sich nicht nur an der Bauchwand, sondern eben auch in der Leber. Aber: Sie können sich noch so bewusst ernähren, wer mehrfach in der Woche übermäßig viel Alkohol trinkt, der steuert unweigerlich auf einen Leberschaden zu.
Über welche Mengen von Alkohol reden wir eigentlich? Was bedeutet „in Maßen“?
Jeder Mensch ist unterschiedlich. Was für den einen richtig ist, gilt nicht zwingend auch für den anderen. Deshalb ist die Frage schwierig zu beantworten. Aber als Daumenregel gilt, dass man als Mann täglich etwa zwei normale Gläser – also 0,3 Liter – Bier trinken kann. Frauen verstoffwechseln anders. Daher gilt für Frauen nur die Hälfte der Menge. Der Leber ist es übrigens egal, ob man Wein oder Bier trinkt. Es kommt auf den darin enthaltenen Alkohol an. Aber das ist alles nur ein Schwellenwert. Man kann auch mit deutlich weniger Alkohol leberkrank werden.
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Ohne Leber können wir nicht überleben?
Die Leber ist ein Organ, an dem wir alle sehr hängen sollten. Denn ohne Leber können wir nicht leben.
Also lieber mehrere alkoholfreie Monate im Jahr einlegen?
Aus medizinischer Sicht ist das zu begrüßen. Ich möchte allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass alle Mediziner Gesundheitsapostel sind, mit weltfremden Tipps und Anweisungen. Der Mensch ist tatsächlich robust. Aber ein bisschen feinfühlig mit dem eigenen Körper und den Organen umzugehen, steht uns allen gut zu Gesicht. Wir müssen mit unserem Körper schließlich bestenfalls Jahrzehnte gut zurechtkommen.
Dieses Interview ist ein Auszug aus der neuen Folge unseres Gesundheits-Podcasts „Butter bei die Nierchen“, den Sie überall hören können, wo es gute Podcasts gibt. Auch zum Thema Alkoholmissbrauch finden Sie dort eine Podcast-Folge. Sie können auch gleich den Player unten nutzen.
Hinweis: Wer es nicht schafft, über einen längeren Zeitraum ohne Alkohol auszukommen, sollte sich professionelle Hilfe holen. Ansprechpartner ist der Hausarzt. Weitere Informationen liefert auch die Website kenn-dein-limit.de/alkoholberatung