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  • Wird sie das Ruder an sich reißen? Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa/Pool

Merkels harte Lockdown-Pläne: So kann die Kanzlerin die Länderchefs entmachten

Als Angela Merkel plötzlich drohte, sprach sie mit ruhiger Stimme: „Sonst muss ich überlegen, ob wir auch Wege finden, wir haben ja das Infektionsschutzgesetz …“ Die Kanzlerin hatte da schon einige Zeit in der Talkshow von „Anne Will“ gesessen, dabei fahrig gewirkt, oft nach Worten gesucht, Sätze neu begonnen und wieder verworfen. Doch als sie den Länderchefs und deren Corona-Krisenmanagement eine öffentliche Kampfansage machte, wirkte die Bundeskanzlerin ganz klar.

Angela Merkel, das machte sie am Sonntagabend deutlich, hat die Nase voll von den Alleingängen der Ministerpräsidenten in der Pandemie-Bekämpfung.

Schon lange hatte die Kanzlerin härtere Maßnahmen gegen das Virus gefordert. Am Ende war es immer auf Kompromisse hinausgelaufen, die dann wiederum von einigen Länderchefs eher halbherzig umgesetzt wurden. Wenn überhaupt. 

Angela Merkel setzt alles auf eine Karte

Jetzt will die Chefin im Zweifel von Berlin aus durchregieren, daran ließ sie keinen Zweifel. Sie hat damit ihren letzten Trumpf gespielt – geht der Spielzug schief, wird ihre Autorität schweren Schaden nehmen.

Doch wie aussichtsreich ist das Ganze?

Infektionsschutzgesetz könnte angepasst werden

Eine Möglichkeit, die Kompetenzen der Bundesregierung auszuweiten, wäre, „das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken und ganz spezifisch zu sagen, was muss in welchem Fall geschehen“. So formulierte es Merkel selbst und betonte: Sie werde nicht zuschauen, bis es 100.000 Neuinfektionen am Tag gebe. 

Der Staatsrechtler Christoph Möllers bestätigt diesen Ansatz. So könne im Infektionsschutzgesetz eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, „die die Bundesregierung oder den Bundesgesundheitsminister dazu ermächtigt, den Lockdown per Rechtsverordnung bundeseinheitlich anzuordnen“, sagte Möllers dem „Spiegel“.

Bisher seien dazu die Landesregierungen ermächtigt, aber das ließe sich „problemlos ändern“ – und dabei müsste aus Sicht des Staatsrechtlers nicht einmal der Bundesrat zustimmen. Kurzum: Die Länder wären machtlos.

Bundestag könnte bundesweiten Lockdown ausgestalten

Eine weitere Option aus Sicht des Experten: Der Lockdown könnte per Bundesgesetz verhängt werden. Der Bundestag könnte dabei Länge und Härte des Lockdowns bestimmen. Festgeschrieben sei das im Grundgesetz (Artikel 74, Absatz 1, Nummer 19) mit Blick auf „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren“.

Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt, wie sehr die Zeit drängt: Das Robert Koch-Institut meldete am Montagmorgen knapp 10.000 Neuinfektionen, die deutschlandweite Inzidenz stieg auf über 134. Intensivmediziner schlagen bereits Alarm: In Deutschland seien nur noch 1644 Intensivbetten frei. 

Seehofer erteilt MPK eine Absage

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprang der Kanzlerin bei und plädierte dafür, dass der Bund das Ruder übernimmt. Der habe schließlich „von jeher die Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet“, sagte der CSU-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“ und fügte hinzu: „Man muss nur Gebrauch davon machen“.

Seehofer nutzte die Gelegenheit auch gleich, um der Ministerpräsidentenrunde für die Zukunft eine klare Absage zu erteilen. Die Corona-Bekämpfung weiter über das Gremium zu betreiben, halte er für falsch: „Dieses Verfahren kann man so nicht weitermachen.“ 

Länder reagieren verschnupft auf Merkel-Vorstoß

Und die Länder? Sind naturgemäß nicht erfreut. So betonten Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Niedersachsen und das Saarland am Montag prompt, dass sie zunächst keinen Grund für schnelle Anpassungen sehen würden.

CDU-Parteichef und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bekannte sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bei einer Präsidiumssitzung seiner Partei klar zu mehr Tests als Instrument in der Krise und betonte, dass es in Nordrhein-Westfalen eine landesweite „Notbremse“ gebe. Er schlug vor, dass sich die Ministerpräsidenten künftig persönlich treffen sollen. Der Grund: Aus den digitalen Runden werde zu viel durchgestochen.

Von Merkel hatte auch Laschet zuvor einen ordentlichen Rüffel kassiert: Auf Anne Wills Frage, ob die Corona-Notbremse „so flexibel angedacht sei, wie NRW sie nun interpretiere“, stellte Merkel klar: „Nein, das habe ich mir nicht so gedacht. Wo die Inzidenz über 100 ist, gibt es keinen Ermessensspielraum.“ Ein klarer Affront gegen den eigenen Parteichef.

Saarland verteidigt Modellversuche

Der Ministerpräsident des Saarlands, Tobias Hans (CDU), verteidigte laut Teilnehmerangaben im CDU-Präsidium seine geplanten Öffnungen. Im Saarland würden Testauflagen an die Stelle von Beschränkungen gesetzt. Damit bringe man die Menschen dazu, im Freien getestet zusammenzukommen, statt im Verborgenen ohne Tests und Maßnahmen. 

Gegen Hans hatte Merkel ebenfalls gestichelt: Sie sei über seine „gewagte Ankündigung“, Teile des öffentlichen Lebens zu öffnen, „nicht so glücklich“ gewesen. 

Niedersachsen setzt Inzidenz-Grenze auf 200 hoch

Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann verteidigte geplante Öffnungen in rund 25 Modellkommunen. „Ich befürchte, wir werden mit einem gewissen Infektionsgeschehen in Deutschland leben müssen. Deshalb sind solche Modellversuche, wie ich finde, nicht unvorsichtig oder gar leichtsinnig“, sagte der CDU-Politiker dem Radiosender NDR Info.

Niedersachsen will in den Modellkommunen Öffnungen von Geschäften, Außengastronomie, Theatern, Kinos und Fitnessstudios an Schnelltests koppeln. Voraussetzung ist eine stabile Sieben-Tages-Inzidenz von nicht über 200. 

Markus Söder verteidigt Merkels Ansagen

Bund und Länder hatten allerdings vereinbart, dass bereits umgesetzte Lockerungen der Corona-Regeln wieder zurückgenommen werden müssen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Land oder einer Region drei Tage lang bei über 100 liegt.

Doch Merkel bekam auch Zuspruch aus den Ländern: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte in den ARD-„Tagesthemen“, er könne sich mehr Kompetenzen in Bundeshand vorstellen, die die Länder zu klaren Regeln zwängen.

Bodo Ramelow: Endlich tun statt reden

Bislang ist die nächste Sitzung des Bundestags für den 12. April geplant. In der gleichen Woche wollen die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen erneut mit Merkel über die Pandemie beraten. Derzeit gebe es keine Pläne, diese Beratungen vorzuziehen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. 

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Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte den Bund zum Handeln auf. „Man kann es im Infektionsschutzgesetz festlegen – ist mir auch recht – Hauptsache, es ist ein einheitlicher Rahmen.“ Es gehe darum, endlich etwas zu tun statt zu reden.

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