Cyber War: Wie Hacker Putin stoppen wollen und russische Trolle Deutschland angreifen
Es ist der Krieg hinter dem Krieg: In der Ukraine wird nicht nur mit Waffen gekämpft. Russische Internet-Trolle versuchen, das Netz mit Fake News über Putins Angriff zu fluten. Gleichzeitig haben die Hacker des Anonymous-Kollektivs dem russischen Machthaber offiziell den digitalen Krieg erklärt. Wer will was in diesem Cyber War?
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Es ist der Krieg hinter dem Krieg: In der Ukraine wird nicht nur mit Waffen gekämpft. Russische Internet-Trolle versuchen, das Netz mit Fake News über Putins Angriff zu fluten. Gleichzeitig haben die Hacker des Anonymous-Kollektivs dem russischen Machthaber offiziell den digitalen Krieg erklärt. Wer will was in diesem Cyber War?
Die russische Troll-Armee
Russland würde die Zivilbevölkerung von den ukrainischen „Nazis“ befreien, im Donbass sei ein „Genozid“ im Gange, der ukrainische Präsident habe sein Volk zur Kapitulation aufgerufen: Mit Lügen wie diesen fluten russische Internet-Nutzer seit Tagen das Netz. Diese sogenannte Armee der Trolle und ihre Fake News sind zum massiven Problem geworden, denn sie gehen rasend schnell und auf allen Kanälen vor: Twitter, Facebook, Instagram, Telegram, Signal, Youtube…
Das könnte Sie auch interessieren: So entlarven Sie Verschwörungstheorien und Fake News
Eine aktuelle Falschmeldung, wonach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj längst das Land verlassen habe, widerlegte der Betroffene am Samstagmorgen höchstselbst: „Ich bin hier“, sagte er auf einem Video, das ihn etwas übermüdet, aber kampflustig mitten in Kiew zeigte. „Es gibt viele gefälschte Informationen im Internet, dass ich unsere Armee aufrufe, die Waffen niederzulegen, und dass es eine Evakuierung gibt“, so Selenskyj. Doch das Gegenteil sei der Fall: „Wir werden unsere Waffen nicht niederlegen. Wir werden unseren Staat verteidigen“.
Dabei setzen sie die Trolle ihre Absurditäten nicht nur im Kriegsgebiet, in Russland oder auf Russisch ab: Mit Hilfe speziell programmierter Bots (Abkürzung für Robots, also Roboter, Anm. d. Red.) wird auch Deutschland attackiert. So berichtete etwa das Medien-Unternehmen Funke, man werde „in mehreren Wellen angegriffen“.
Auch bei der „Frankfurter Rundschau“ (FR), die zum Netzwerk der Ippen-Medien gehört, gibt es Probleme, vor allem auf den Social-Media-Profilen der Zeitung. FR-Chefredakteur Thomas Kaspar twitterte bereits am Donnerstag: „Unser Community-Team meldet, dass Pro-Putin-Trolle und Bots die Kommentarspalten unserer Auftritte in den sozialen Medien überschwemmen.“
Das Problem ist so massiv, das zum Beispiel Facebook bereits reagiert hat: „Wir unternehmen umfangreiche Schritte, um die Verbreitung von Fehlinformationen und die Kennzeichnung von Inhalten aus staatlich kontrollierten Medien und von Inhalten zu bekämpfen, die von Faktenprüfern als falsch eingestuft wurden“, teilte das Unternehmen am Freitagabend mit. Es sei ein Spezialisten-Team, darunter unter anderem Muttersprachler, gebildet worden, das sich rund um die Uhr mit Nachrichten zu Putins Krieg beschäftige.
Das wollen die Russen-Trolle mit ihren Fake News erreichen
Warum aber diese riesige Fake News-Kampagne im Netz? Zum einen soll die eigene Bevölkerung in Russland bei der Stange gehalten werden. Die Flut an Falschnachrichten soll bei den Russen derart verfangen, dass sie den Krieg ihres Präsidenten gegen die Ukraine als gerechtfertigt ansehen. Der gleichen Logik folgt auch die Berichterstattung russischer und russischsprachiger Medien.
So berichtet etwa die BBC-Journalistin Francis Scarr auf Twitter von einer „Lügenflut im russischen Staatsfernsehen“. Dort behaupte die Nachrichtensprecherin Olga Skabeyev, „russische Angriffe hätten über 800 ukrainische Militärstandorte zerstört“ und füge kurz darauf hinzu, „russische Truppen ergreifen alle Maßnahmen, um die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu gewährleisten“, schreibt Scarr.
Auch der TV-Sender Russia Today (RT) beteiligt sich an der Fake News-Propaganda. Über seine im Ausland, darunter auch Deutschland, stationierten Mitarbeiter werden vom Kreml gesteuerte „Nachrichten“ in die Welt gesendet. Das war schon vor Putins Invasion ein Problem, bekommt nun aber neue Dringlichkeit. So hat nun auch die Europäische Journalisten-Vereinigung AEJ eine offizielle Forderung gestellt, Sender wie RT Deutsch in der EU mit einem Sende-Bann zu belegen.
Ein weiterer Grund für die russische Fake News-Kampagne: Verunsicherung schüren. Handfeste Informationen aus dem Kriegsgebiet zu bekommen, wird immer schwerer. Viele Journalist:innen sind mittlerweile aus der Ukraine ausgereist, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Dennoch gibt es kontinuierlich Berichte von Augenzeugen, die die russischen Angriffe filmen und die Aufnahmen ins Netz stellen. Mit ihren Lügen versuchen die Strippenzieher der Russen-Bots, diese Berichte in Zweifel zu ziehen. Es soll der Eindruck entstehen: Was stimmt denn nun? Ein Kampf um die Wahrheit. Zur Verunsicherung soll im besten (russischen) Fall auch noch Demoralisierung kommen: Die Lüge über die Flucht Selenskyjs etwa war vermutlich dazu gedacht, den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu schwächen.
Experten gehen davon aus, dass der Großteil der russischen Troll-Armee entweder direkt aus dem Kreml gesteuert wird oder zumindest über offizielle oder inoffizielle Aufträge angeheuert wurde.
Auch Anonymous ist am Cyber War beteiligt
So heftig die russische Fake News-Kampagne ist, so deutlich gibt es dagegen auch Widerstand. Ganz vorne mit dabei ist da das internationale Hacker-Kollektiv Anonymous. Es teilte vor wenigen Tagen mit, man befinde sich „offiziell im Cyberkrieg gegen die russische Regierung.“
Im Gegensatz zur Troll-Armee streuen die Hacker allerdings keine Lügen und Falschnachrichten. Ihr Kampf sieht anders aus: Sie versuchen, mit gezielten Sabotage-Akten russische Webseiten lahmzulegen. So konnten sie zeitweise bereits die Homepage von Russia Today abschalten.
Auch die Seite des russischen Verteidigungsministeriums wurde bereits von Anonymous attackiert und lahmgelegt, wie die Hacker auf Twitter schreiben.
Auch der Kreml, die Duma und andere staatliche Institutionen wurden bereits angegriffen. Und, wie die Hacker bereits ankündigten: Auch vor der Privatwirtschaft werde man nicht Halt machen.
Darüber hinaus veröffentlichen Anonymous-Mitglieder auch immer wieder kritische Informationen, die in ihren Augen für die ukrainische Bevölkerung wichtig sind, etwa Ort und Zeitpunkt möglicher russischer Großangriffe.
Anonymous-Hacker wollen Putin in die Knie zwingen
Warum aber die groß angelegten Hacks? „Die Ukraine ist ein demokratisches Land, das von einer faschistischen Diktatur überfallen wird“, schrieben die Hacker auf Twitter – und sprachen den Präsidenten auch direkt an: „Herr Putin, Sie sind im Namen der russischen Hegemonie in eine souveräne Nation eingedrungen und haben mit Ihrem Vorgehen Frieden und Stabilität in der Region bedroht. Damit kommen Sie nicht durch!“
Aber: „Wir sind davon überzeugt, dass Sanktionen gegen Putins kriminelles Regime wirkungslos bleiben werden“, hieß es weiter. Daher ergreife man andere Mittel, um den russischen Präsidenten in die Knie zu zwingen. Statt Waffen und Bomben setzen die Hacker auf digitale Angriffe. Denn: Diese kosten kein Menschenleben.