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  • Foto: AFP

Querelen um EU-Austritt beendet: Britisches Parlament billigt endgültig Brexit-Gesetz

London –

Großbritannien und das Dauerthema Brexit: Wie geht es weiter? 

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Britisches Parlament billigt endgültig Brexit-Gesetz – Oberhaus verzichtet auf Änderungsanträge

Das britische Parlament hat nach jahrelangem Streit einen Strich unter die Querelen um den EU-Austritt gezogen und das Brexit-Gesetz endgültig gebilligt. Das Oberhaus in London verzichtete am Mittwoch auf Änderungsforderungen zu dem Gesetzestext von Premierminister Boris Johnson, nachdem die Abgeordneten des Unterhauses fünf derartige Anträge abgelehnt hatten. Damit kann das Gesetz nun von Königin Elizabeth II. in Kraft gesetzt werden, möglicherweise bereits am Donnerstag.

Das Unterhaus hatte bereits Anfang Januar grünes Licht für den Brexit gegeben, danach wanderte das Gesetz in das nicht-gewählte Oberhaus. Die Mitglieder des House of Lords hatten am Dienstag für mehrere Änderungen am Brexit-Gesetz gestimmt. Dabei ging es unter anderem um die Rechte der in Großbritannien lebenden EU-Bürger, die nach dem Willen der Lords einen schriftlichen Nachweis für ihr Bleiberecht nach dem Brexit erhalten sollten. Das Unterhaus lehnte die Änderungsanträge des Oberhauses am Mittwoch aber ab.

Damit drohte das Brexit-Gesetz etwas mehr als eine Woche vor dem EU-Austritt Großbritanniens zwischen den beiden Häusern hin und her zu pendeln. Das Oberhaus gab nun aber nach und forderte keine weiteren Änderungen. Nach der endgültigen Gesetzesverabschiedung in Großbritannien soll das Brexit-Abkommen am 29. Januar vom EU-Parlament ratifiziert werden. Dies gilt als Formsache. Am 31. Januar kann dann der EU-Austritt nach mehrfacher Verschiebung und einem jahrelang erbittert geführten Streit tatsächlich vollzogen werden.

Dabei ist mit dem Brexit-Abkommen, das unter anderem die finanziellen Verpflichtungen Londons gegenüber der EU sowie die künftigen Rechte der Bürger beider Seiten festlegt, nur der Austritt besiegelt. Denn nach dem 31. Januar beginnt eine Übergangsphase, in der Großbritannien vorerst im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion bleibt. Damit soll ein harter Schnitt für die Wirtschaft vermieden werden.

Die Übergangsphase dauert bis zum 31. Dezember 2020. In diesem Zeitraum wollen beide Seiten ein großes Freihandelsabkommen aushandeln. In so kurzer Zeit wurde jedoch noch nie eine solche Vereinbarung mit der EU geschlossen. Eine Verlängerung der Übergangsphase will Johnson aber ausschließen und hat deshalb in seinem Brexit-Gesetz verankert, dass London keine weitere Frist bei der EU beantragen kann.

Die EU rechnet mit schwierigen Verhandlungen über die künftigen Beziehungen mit Großbritannien. London ließ jedoch durchblicken, dass es sich mit einer Einigung in Teilen zufriedengeben könnte, falls bis Jahresende kein umfassendes Abkommen zustandekommt.

Britisches Parlament stimmt für Boris Johnsons Brexit-Deal

Die Tage knapper Abstimmungsergebnisse sind vorbei. Mit der Zustimmung zum Ratifizierungsgesetz für den Brexit-Deal ist der EU-Austritt am 31. Januar so gut wie besiegelt.

Das britische Parlament in London hat am Freitag für das Brexit-Abkommen von Premierminister Boris Johnson gestimmt. Der Entwurf für das entsprechende Ratifizierungsgesetz wurde mit großer Mehrheit in zweiter Lesung angenommen. Großbritannien ist damit einem Austritt am 31. Januar einen großen Schritt näher gekommen. 

Die weiteren Stufen im Gesetzgebungsverfahren sollen im Januar vollzogen werden. Doch das gilt beinahe als Formalie, denn nach dem überwältigenden Wahlsieg Johnsons hat die Opposition keine Möglichkeiten mehr, ihm Steine in den Weg zu legen. Auch vom Oberhaus, das dem Gesetz zustimmen muss, wird kein Widerstand erwartet.

Boris Johnson: Deal bahnt den Weg zu einem neuen Abkommen

Der Deal bahne den Weg zu einem neuen Abkommen über die künftige Beziehung mit der EU, basierend auf einem ambitionierten Freihandelsabkommen „ohne Bindung an EU-Regeln“, so Johnson während der Debatte. Er weckte damit Befürchtungen der Opposition, er könnte das Land auf ein dereguliertes Wirtschaftsmodell nach US-Vorbild zusteuern.

Für Kritik sorgte vor allem die Absage an eine mögliche Verlängerung der Übergangsfrist nach dem Brexit, die in dem Gesetzentwurf festgelegt ist. Beide Seiten haben nun nur bis Ende 2020 Zeit, um ein Anschlussabkommen auszuhandeln. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, bezeichnete Johnsons mit Brüssel nachverhandelten Deal als „schrecklich“ und schädlich für das Land. Die britischen Sozialdemokraten befürchten unter anderem eine Absenkung der Standards für Arbeitnehmerrechte und negative Folgen für Nordirland. Der Brexit werde großen Einfluss auf die Wirtschaft und Gesellschaft des britischen Landesteils haben, warnte Corbyn.

David McAllister bedauert die Entscheidung

In Brüssel bedauerte CDU-Europapolitiker David McAllister die Entscheidung des Parlaments für den Brexit. „Er ist und bleibt ein historischer Fehler“, erklärte McAllister. Es gelte, nun eine möglichst enge Partnerschaft anzustreben.

Allerdings ist die Sorge groß, dass sich Großbritannien nach dem EU-Austritt mit Sozial-, Umwelt- oder Steuerdumping Wettbewerbsvorteile verschaffen könnte. „Das sehen wir leider sich jetzt schon andeuten“, sagte die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley im Deutschlandfunk und verwies eine mögliche Schwächung von Arbeitnehmerrechten. Johnson dürfe kein „Paradies“ für Steuerflucht und Arbeitnehmerdumping bekommen.

Katarina Barley hält Abkommen innerhalb der Jahresfrist für möglich

Barley hält ein Abkommen mit London binnen Jahresfrist für möglich, doch viele in Brüssel sind skeptisch. „Das hat alles etwas von Wolkenkuckucksheim“, sagte ein EU-Diplomat am Freitag. Dass Premier Johnson eine Verlängerung der Übergangsphase schon jetzt gesetzlich ausschließen will, sei wohl nur als Drohung mit einem „No-Deal“ Ende 2020 zu verstehen. „Das Drohpotenzial bleibt allerdings begrenzt: Die wirtschaftlichen Konsequenzen eines No-Deals wären für Großbritannien deutlich schwerwiegender als für die EU.“

Die EU wolle einen Austritt in Freundschaft, sagte der Diplomat. „Angesichts der britischen Haltung steht leider zu befürchten, dass das Brexit-Drama im nächsten Jahr weitergeht.“

Brexit-Experte erwartet bis 2020 ein „einfaches” Abkommen

Brexit-Experte Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln erwartet bis Ende 2020 höchstens ein „einfaches“ Abkommen für Zollfreiheit im Warenhandel. „Im Dienstleistungshandel ist dagegen nicht viel zu erwarten, so dass ab 2021 dann deutlich höhere Barrieren gelten werden, was vor allem für die Londoner Finanzmarktakteure nachteilig sein wird“, erklärte Matthes der Deutschen Presse-Agentur. In jedem Fall werde die EU auf verbindliche Zusagen für ein „level playing field“ bestehen. Gemeint sind vergleichbare Standards und Wettbewerbsbedingungen. 

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