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  • Bald gespenstische Normalität? Leergefegte Straßen in Berlin-Mitte.
  • Foto: dpa

Kampf gegen Corona: Was Ausgangssperren wirklich bringen

Berlin –

Nächtliche Ausgangssperren im Kampf gegen Corona sind immer wieder Thema, so auch gestern in der Bund-Länder-Konferenz. Die Politiker haben sich geeinigt: Wo der Grenzwert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner überschritten wird, können Ausgangssperren als Maßnahme eingesetzt werden – verbindlich werden sie nicht eingeführt (alle Details zu den Beschlüssen lesen Sie hier). Wie effektiv ist das harte Mittel im Kampf gegen die Pandemie eigentlich?

In vielen europäischen Ländern gehört die Ausgangssperre schon seit Pandemie-Beginn zur Normalität. So auch in Frankreich, wo seit vergangenem Sonnabend noch striktere Beschränkungen für die nächsten vier Wochen gelten: In insgesamt 16 Départements gibt es nun auch tagsüber strikte Ausgangsregeln. Nachts gilt von 18 bis 6 Uhr weiter im ganzen Land eine Ausgangssperre, bei der man nur in Ausnahmefällen vor die Türe darf. Auch im Nachbarland Spanien sind Ausgangsbeschränkungen im Laufe der Corona-Krise fast schon zur Normalität geworden.

Italien gilt seit Ausbruch des Virus‘ als besonders stark betroffen – und schränkte immer wieder den Bewegungsradius der Bevölkerung ein. In dem 60-Millionen-Einwohner-Land gilt aktuell eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 22 Uhr bis 5 Uhr morgens.

Besonders hart griff die Regierung in Großbritannien durch. Premier Johnson schickte das Land Anfang Januar für sechs Wochen in den harten Lockdown. Das eigene Zuhause durfte nur noch aus dringenden Gründen wie Arztbesuchen oder für den Weg zur Arbeit verlassen werden. Private Kontakte in Innenräumen außerhalb des eigenen Haushalts sind seitdem nahezu vollständig verboten.

In Deutschland gab es nächtliche Ausgangssperren bislang regional in Gebieten, die mit extrem hoher Inzidenz zu kämpfen hatten. Zum Beispiel in Bayern, Hessen oder Sachsen.

Was haben bisherige Ausgangssperren bewirkt?

Über die Effekte der regionalen Ausgangssperren in Deutschland ist nicht viel bekannt. In vielen Regionen blieb trotz der Maßnahme die Inzidenz hoch. Der „Spiegel“ berichtet, dass es keine „systematische Datenauswertung zur Effektivität der bisherigen Maßnahmen in Deutschland gibt“. Aber: Eine internationale und sehr umfangreiche Übersichtsstudie der britischen University of Oxford kommt zu dem Schluss, dass Ausgangssperren eher mittelmäßig zur Pandemie-Eindämmung beitragen.

Forschungen in den USA und Frankreich zu Ausgangssperre

Sie halten beispielsweise Beschränkungen von Versammlungen auf weniger als zehn Personen für effektiver. Auch die Schließung von Bildungseinrichtungen und Gastronomiebetrieben bringe mehr. Forscher der amerikanischen Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health veröffentlichten  darüber hinaus Ende Mai vergangenen Jahres eine Studie zur Wirksamkeit von Ausgangssperren in den USA. Fazit: Die Infektionsraten sanken nach Einführung der Ausgangssperren in den entsprechenden Orten.

Aber: Eindeutig lässt sich der Effekt von Ausgangssperren nicht beschreiben, weil sie oft mit anderen Maßnahmen eingeführt wurden. Forscher in Frankreich hatten Optimistischeres zu vermelden: In ihrer Studie kamen sie zu dem Schluss, dass durch Ausgangssperren in der Altersgruppe über 60 die Zahl der Corona-Neuinfektionen zurückgegangen sei. Keinen Effekt hätte sie laut Forscher jedoch bei jüngeren Altersgruppen gehabt. Erst der Lockdown habe zu weniger Neuinfektionen geführt.

Mobilitätsforscher sehen großen Effekt bei Ausgangssperre

Wie der „Spiegel“ berichtet, kamen auch der Mobilitätsforscher Kai Nagel von der TU Berlin und seine Kollegen in ihrem „Modus Covid Bericht“ zu Ergebnissen bezüglich der Ausgangssperre: „Das bringt bei uns in der Simulation einen relativ großen Effekt.“ Weil: Gegenseitige Besuche fänden vor allem abends und an den Wochentagen statt.

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Mit Ausgangssperre wären diese dann nicht mehr möglich. Aber: Es bestehe die Gefahr, dass ein großer Teil der Besuche dann einfach auf frühere Tageszeiten vorgezogen werden und der Effekt im Sande verlaufe. Er befürwortet etwa die strengen Regeln in Großbritannien und sagt: „Dass die Zahlen in Großbritannien trotz der Variante seit Mitte Januar nach unten gehen, hat mit diesen Regeln zu tun – und nicht etwa mit den Impfungen.“ 

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