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In Frankreich ist Oben-Ohne-Baden laut Umfragen heute deutlich weniger beliebt als früher. Dennoch klagte eine Französin in Berlin wegen Diskriminierung (Symbolbild).
  • In Frankreich ist Oben-Ohne-Baden laut Umfragen heute deutlich weniger beliebt als früher. Dennoch klagte eine Französin in Berlin wegen Diskriminierung (Symbolbild).
  • Foto: imago/blickwinkel

Ärger um nackte Brüste – Gericht prüft Entschädigungsklage

Der Fall hat im Sommer 2021 nicht nur in Berlin für Schlagzeilen gesorgt: Mit freiem Oberkörper verweilt eine Frau auf dem Wasserspielplatz Plansche im Bezirk Treptow-Köpenick. Sicherheitskräfte fordern sie auf, ihre Brust zu bedecken oder den Platz zu verlassen. Als sie sich weigert, wird die Polizei gerufen. Die Beamten fordern die Frau ebenfalls mit Nachdruck auf, ein T-Shirt anzuziehen – oder zu gehen. Gut ein Jahr später beschreibt Gabrielle Lebreton die Situation als sehr angespannt. „Ich fand das sehr diskriminierend. Es war unfair“, sagt sie.

Die gebürtige Französin hat an jenem Junitag 2021 die Plansche verlassen. „Ich habe den Ort verlassen, weil ich unter Druck war“, erklärt sie. Abgehakt hat sie den Vorfall danach nicht. An diesem Mittwoch (14. September) beschäftigt sich das Landgericht Berlin mit dem Fall. Denn die 38-Jährige wehrt sich mit einer Klage gegen Diskriminierung und verlangt vom Land Berlin eine angemessene Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz (LADG). Ob die zuständige Zivilkammer 26 noch am selben Tag eine Entscheidung fällen wird, ist nach Angaben von Gerichtssprecher Thomas Heymann offen.

Berlin bisher einziges Bundesland mit Antidiskriminierungsgesetz

Berlin hat mit dem Gesetz vor gut zwei Jahren Neuland betreten und hat als einziges Bundesland ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz. Andere Länder wollen nachziehen. Das Gesetz soll Menschen vor Diskriminierung seitens der Behörden schützen und Ansprüche auf Schadenersatz gegen das Land Berlin ermöglichen. Bei der zuständigen Ombudsstelle sind nach jüngsten Angaben bislang rund 1000 Beschwerden eingegangen, als berechtigt nach dem LADG eingestuft wurden 700.

Die Ombudsstelle bei der Senatsjustizverwaltung prüft und sucht zunächst nach Lösungen jenseits von Klagen. Betroffene werden aber auch unterstützt, wenn sie klagen wollen. Der „Oben-ohne“-Fall ist bislang wohl der prominenteste. Auf Empfehlung der Leiterin der Ombudsstelle, Doris Liebscher, hat der Wasserspielplatz Plansche zwischenzeitlich seine Nutzungsordnung ergänzt. Inzwischen heißt es dort: „Die Badebekleidung muss die primären Geschlechtsorgane vollständig bedecken. Dies gilt für alle Geschlechter.“ Die weibliche Brust gilt als sekundäres Geschlechtsorgan.

Bisher nicht „das nötige Verständnis und die nötige Einsicht“

Liebscher betont jedoch: „Jeder hat das Recht auf eine Entschädigung zu klagen – unabhängig vom Agieren der Ombudsstelle.“ Die Berliner Rechtsanwältin Leonie Thum hält dies im Fall von Gabrielle Lebreton allein schon deswegen für erforderlich, weil bislang nicht „das nötige Verständnis und die nötige Einsicht“ gezeigt worden seien, um solche Vorfälle in Zukunft wirklich zu verhindern.

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Die Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz habe Sanktions- und Kompensationscharakter, erklärt die Juristin. „Das bedeutet, zum einen soll die diskriminierende Handlung bestraft werden, um ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden“, erklärt sie. Zum anderen solle die Schädigung, die durch die Diskriminierung eingetreten sei, ausgeglichen werden.

Betroffene: „Das war ein Eingriff in die Freiheit der Frau“

„Mir ist es sehr wichtig, dass diese Diskriminierung als solche anerkannt wird und dass erkannt wird, wie demütigend diese Situation für mich war“, sagt Lebreton. „Das war ein Eingriff in die Freiheit der Frau.“ Man merkt, wie sehr sie insbesondere das Verhalten der Polizisten bis heute beschäftigt: „Die Polizei hätte mich vor so einer Diskriminierung schützen müssen“, meint sie. Stattdessen seien die Beamten im Beisein ihres fünfjährigen Sohnes aggressiv gewesen, so dass dieser verängstigt gewesen sei und sie gebeten habe, ein T-Shirt anzuziehen. „Ich habe ihm erklärt, das ich das nicht tun werde, weil alle Menschen die gleichen Rechte haben“, berichtet sie.

Ihre Anwältin ist etwas verwundert darüber, welche Aufmerksamkeit der Fall auf sich zieht. „In meiner Wahrnehmung redet seit den 80ern niemand mehr darüber, ob Frauen sich mit unbekleidetem Oberkörper sonnen dürfen, wo männlich gelesene Personen dies dürfen“, sagt Thum. „Ich bin einfach überrascht von diesem massiven konservativen Lashback, der auch Deutschland erreicht hat, und habe enorm wenig Verständnis dafür.“

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Im Sommer hatten einige Bäder – etwa im niedersächsischen Göttingen – das Oben-ohne-Baden erlaubt. Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur damals ergeben hatte, befürworten viele Erwachsene, Frauen das Oberteiltragen nicht unbedingt vorzuschreiben. 37 Prozent finden es demnach positiv, wenn etwa im Freibad der klare Dresscode – Frauen müssen Bikini oder Badeanzug tragen, Höschen reicht nicht – aufgehoben wird. Allerdings fanden bundesweit 28 Prozent das Oben-ohne-Baden von Frauen „nicht gut“. (mp/dpa)

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