„Zwischenschritt“: Merkel erklärt neue Corona-Lockerungen, wichtige Fragen noch offen
Berlin –
Nach den ersten Ladenöffnungen vor eineinhalb Wochen müssen die Menschen in Deutschland jetzt wohl noch länger auf die nächsten größeren Öffnungsschritte in der Corona-Krise warten.
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Bei den Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten an diesem Donnerstag gab es nur einige kleinere neuen Entscheidungen.
Im Anschluss an die Telefonkonferenz fand eine Pressekonferenz statt – oben der Livestream.
Angela Merkel sprach von „schwierigen Entscheidungen“, bei denen es keinen Automatismus gebe. Merkel: „Immer wieder haben wir die große Verantwortung, alles in unserer Macht zu tun, dass es keinen Rückfall in eine schwierigere Phase gibt.“ Deshalb müsse man vor jeder Entscheidung genau abwägen, wie weit man gehen könne.
Die Beratungen mit den Ministerpräsidenten seien ein Zwischenschritt gewesen. Erst am 6. Mai soll es eventuell größere Entscheidungen geben. Erst dann könne man die Auswirkungen der bisherigen Lockerungen absehen.
Wichtig sei es weiterhin, Distanz zu halten und die Regeln zu beachten, betonte die CDU-Politikerin. Deshalb stehe das Thema Reisen derzeit auch noch nicht auf der Agenda. Die Bundesregierung hatte bereits die weltweite Reisewarnung für Touristen wegen der Corona-Pandemie bis mindestens 14. Juni verlängert. Damit sind über Pfingsten noch keine Urlaubsreisen ins Ausland möglich.
Darauf haben sich Bund und Länder am Donnerstag, 30. April, geeinigt:
- Entscheidungen zu weiteren größeren Öffnungsschritten sollen erst am 6. Mai fallen. Derzeit könne man kaum beurteilen, wie sich die bisherigen Lockerungen auf das Infektionsgeschehen auswirkten. Dazu zählt die Frage, wie es mit Schulen und Kitas weitergeht oder wann der Ball in der Bundesliga wieder rollt.
- Die geltenden Kontaktbeschränkungen bleiben bestehen. Dazu gehört die Einhaltung eines Mindestabstandes von 1,5 Metern sowie das Verbot, sich mit mehr als zwei Personen zu treffen. Ausgenommen sind Personen des eigenen Hausstandes – hier darf man sich auch mit mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit aufhalten. Die Regelung bleibe gültig, soweit nicht abweichende Festlegungen getroffen worden seien, hieß es. Ein konkretes Datum nannte Merkel am Donnerstag nicht.
- Spielplätze sollen wieder öffnen. Eltern sollen dafür verantwortlich sein, dass ihre Kinder die Hygieneregeln einhalten. Einen einheitlichen Zeitpunkt für die Öffnung gibt es nicht. Merkel betonte, dass die Bundesländer individuell entscheiden können, wo sie Spielplätze und andere Einrichtungen wie Museen wieder öffnen.
- Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten, Zoos und botanische Gärten können unter Auflagen wieder öffnen. So müssten unter anderem auch Warteschlangen vermieden werden. Das gilt für alle Bundesländer. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten bereits am Mittwoch einen Stufenplan vorgelegt, nach dem zuerst Zoos, Gartenschauen, Museen und Minigolfanlagen geöffnet werden und Ausflugsschiffe wieder fahren sollten. Erst deutlich später sollen demnach Theater, Konzerthäuser und Kinos folgen.
- Gottesdienste und Gebetsversammlungen sollen wieder zugelassen werden – unter besonderen Anforderungen des Infektionsschutzes. Es gelten strenge Hygieneauflagen, auch ein Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern muss eingehalten werden. Taufen, Beschneidungen und Trauungen sowie Trauergottesdienste sollen im kleinen Kreis möglich sein.
Weitere wichtige Themen der Beratungen im Überblick:
- Schulen: Alle Schüler sollen nach dem Willen der Kultusminister vor den Sommerferien zurück in die Schulen – zumindest „tage- oder wochenweise“. Einen regulären Schulbetrieb soll es für die rund elf Millionen Schülerinnen und Schüler vor den Sommerferien aber nicht mehr geben. Wer zurückkehrt, soll Abstand halten, sich häufig die Hände waschen und in kleinen Gruppen lernen, möglichst mit zeitversetztem Start. Das Lernen daheim soll sich abwechseln mit Präsenzunterricht. Die Entscheidungen, wann genau welche Jahrgänge zurückkehren, liegen bei den Ländern. Einen Bund-Länder-Entscheid über einen entsprechenden Korridor dürfte es frühestens am 6. Mai geben. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek rechnet für den Schulbetrieb mit Beschränkungen bis in das nächste Schuljahr hinein.
- Kitas: Viele Eltern müssen seit Wochen mit Arbeit und Kinderbetreuung parallel jonglieren – viele fühlen sich von der Politik allein gelassen. Die Familienminister der Länder schlagen zwar vor, dass die Kitas vorsichtig und schrittweise wieder aufmachen sollen – einen konkreten Zeitplan haben sie aber nicht. Eins haben die Minister schon klar gemacht: Die vorgegebenen 1,5 Meter Abstand werden Erzieherinnen und Erzieher bei der Arbeit mit Kindern unter sechs Jahren nicht einhalten können.
- Bundesliga: Der Ball könnte bei Geisterspielen der Fußball-Bundesliga womöglich Mitte oder Ende Mai in leeren Stadien wieder rollen. Nachdem das Bundesarbeitsministerium und die Sportministerkonferenz (SMK) das Konzept der Deutschen Fußball Liga zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs während der Corona-Krise überzeugend fanden, hofft die Liga auch auf die Zustimmung von Merkel und den Länderchefs. Erheblichen Diskussionsbedarf gibt es dem Vernehmen nach aber weiterhin über die dafür notwendige große Anzahl von Corona-Tests. Eine Entscheidung wurde vertagt.
- Breitensport: Die Sportminister halten eine Wiederaufnahme des Sportbetriebs insbesondere in Vereinen für „dringend erforderlich“. Demnach könne der Sport- und Trainingsbetrieb im Breiten- und Freizeitsport in einem ersten Schritt wieder erlaubt werden, wenn die Angebote an der „frischen Luft“ im öffentlichen Raum oder auf öffentlichen oder privaten Freiluftsportanlagen stattfinden. Dazu gehörten die Einhaltung unter anderen der Distanz- und Kontaktregeln sowie Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen, vor allem bei der gemeinsamen Nutzung von Sportgeräten, hieß es. Auch über dieses Thema wird am 6. Mai gesprochen. Dann soll es laut Merkel „sehr klare Entscheidungen“ geben. Es werde darum gehen, in welcher Art und Weise und unter welchen Bedingungen „bestimmte sportliche Betätigungen“ wieder möglich sein werden.
- Öffnung weiterer Geschäfte: Kleinere und mittlere Geschäfte bis zu 800 Quadratmetern durften vor zehn Tagen unter Auflagen wieder öffnen, für Buchhandlungen, Auto- und Fahrradhändler gilt dies generell unter Auflagen. An der 800 Quadratmeter-Regel gibt es massive Kritik vom Einzelhandel, der vor Wettbewerbsverzerrungen warnt. Außerdem gibt es unterschiedliche Regelungen in den Ländern. Zudem hatten Gerichte das Verkaufsverbot für große Geschäfte für verfassungswidrig erklärt. Das Thema wurde am Donnerstag angesprochen, aber auch hier gab es noch keine Neuregelung
- Gastronomie und andere Einrichtungen: Bis zum 3. Mai sind Gastronomiebetriebe und viele andere Einrichtungen geschlossen, dies belastet die Branche massiv. Bei der Gastronomie ausgenommen ist nur die Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen für den Verzehr zu Hause. Hier gibt es zunächst noch keine Lockerungen. Angela Merkel sprach davon, dass man zwar einen Mindestabstand zwischen den Tischen in Restaurants kontrollieren könne, jedoch nicht, ob die Personen, die an einem Tisch sitzen, auch wirklich zu einem Haushalt gehören. Für Restaurants und Gaststätten könnte es weitere Hilfen geben – Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte dies am Mittwoch in Aussicht gestellt. Dicht haben mindestens bis Anfang Mai auch Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen sowie Freizeitparks, Kinos, Schwimmbäder, Theater, Opern, Konzerthäuser, Museen oder Zoos.
- Großveranstaltungen: Mitte April hatten Bund und Länder beschlossen, dass Großveranstaltungen bis mindestens bis zum 31. August 2020 untersagt bleiben, also große Messen, Konzerte oder Fußballspiele mit Publikum – weil dies besonders gefährlich ist zur Verbreitung des Virus. Ob dieses Verbot jetzt schon verlängert wird, war unklar. Längst haben aber verschiedene Länder große Veranstaltungen auch ab September abgesagt worden, wie das Oktoberfest in München oder den Marathon in Berlin. Ab wann und unter welchen Bedingungen kleinere öffentliche und private Feiern oder Veranstaltungen wieder stattfinden könnten, sei wegen der besonders hohen Infektionsgefahr noch nicht abzusehen.
- Corona-Spurensuche: Wichtige Lockerungs-Voraussetzung ist, möglichst alle Infektionsketten ausfindig zu machen – und Betroffene zu testen und in Quarantäne nach Hause zu schicken. Ob die 375 Gesundheitsämter das schaffen können, hängt stark von den Zahlen vor Ort ab. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angeregt, größeres Augenmerk auf ein regional differenziertes Vorgehen zu legen. Mehr Klarheit über die Entwicklung der Epidemie sollen außerdem mehr Tests bringen – auch bei Menschen ohne Symptome und speziell in besonders gefährdeten Bereichen wie Pflegeheimen.
- Intensivbetten: Die Kliniken sollen nach dem Willen von Bund und Ländern nicht mehr so viele Intensivbetten und Kapazitäten für Corona-Patienten freihalten. Die Infektionsentwicklung und eine präzise Übersicht per Register ließen es zu, einen „etwas größeren Teil“ der Kapazitäten wieder für planbare Operationen zu nutzen. Darüber verständigten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen bei einer Telefonschalte am Donnerstag. Spahn hatte den Ländern empfohlen, ab Mai weniger Kapazitäten für Corona-Patienten freizuhalten. Kliniken hatten mit Sorge beobachtet, dass zuletzt etwa auch weniger Patienten wegen Herzinfarkten oder Schlaganfällen kamen. (dpa, so)