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  • Foto: picture alliance/dpa

Corona und die Grundrechte: Wie viel Verbot ist jetzt eigentlich erlaubt?

Karlsruhe –

Noch nie waren die Freiheitsrechte in der Bundesrepublik so stark beschränkt wie in der Corona-Krise. Wer sich vor Gericht dagegen wehrt, hat im Moment wenig Chancen. Mit jedem Tag ohne Lockerung dürfte der Druck aber wachsen…

Kommen unsere Grundrechte in der Corona-Krise unter die Räder?

Der Oster-Gottesdienst mit Besuchern verboten, das Familientreffen unmöglich, der Feiertagsausflug tabu: Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind die drastischsten Beschränkungen der Freiheitsrechte in der Geschichte der Bundesrepublik.

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Wer findet, dass der Staat zu weit geht, darf in einigen Bundesländern nicht einmal demonstrieren. Für den Rechtsstaat ist das eine enorme Herausforderung. Kommen die Grundrechte jetzt etwa unter die Räder?

  • GRUNDLAGE IST INFEKTIONSSCHUTZGESETZ: Grundlage aller Maßnahmen ist das Infektionsschutzgesetz. Es ermächtigt auch die Bundesländer, eigene Ge- und Verbote zu erlassen. Als „notwendige Schutzmaßnahme“ dürfen unter anderem die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit und die Freizügigkeit eingeschränkt werden. Das Problem: Wann, warum, in welcher Form und für wie lange welche Rechte eingeschränkt werden dürfen, steht nirgendwo im Detail. Daran hat auch die eilige Überarbeitung Ende März 2020 nichts geändert. Juristen sprechen in so einem Fall von einer fehlenden oder unzureichenden Ermächtigungsgrundlage. „Der Gesetzgeber hat der Regierung im Prinzip keine Vorgaben gemacht, welche Eskalationsstufen im Falle einer Pandemie bei der Beschränkung von Freiheitsrechten möglich und erforderlich sind“, sagt Bijan Moini, Hausjurist der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). „Jetzt in Eilverfahren diese Abwägung leisten zu müssen, lastet den Gerichten enorm viel auf.“
  • EINGRIFF IN GRUNDRECHTE: Der Staat darf zum Infektionsschutz in Grundrechte eingreifen – aber nicht alles, was vorstellbar ist, ist auch rechtmäßig. Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, das bedeutet: geeignet, erforderlich und angemessen. Was erst einmal einleuchtend klingt, stellt die Richter bei Corona vor ein kaum lösbares Problem. Denn selbst Experten fällt es schwer, vorherzusagen, welche Fallzahlen das Gesundheitssystem an seine Belastungsgrenze bringen würden. Und gleichzeitig weiß niemand so genau, welche Verbote und Beschränkungen notwendig sind, um die schweren Verläufe nicht in diesen Bereich ansteigen zu lassen.
  • JURISTISCHE KLAGEN GEGEN CORONA-VERBOTE: Wie gegen alle Maßnahmen der öffentlichen Gewalt können sich die Menschen natürlich auch gegen die Corona-Verbote zur Wehr setzen. Landauf, landab gehen derzeit Eilanträge bei den Verwaltungs- und Verfassungsgerichten ein. Erfolg haben bisher die wenigsten Kläger. Auch das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen mehrere Eilanträge zurückgewiesen. Jetzt lehnten die Richter es beispielsweise ab, die besonders strikten Corona-Maßnahmen in Bayern vorläufig außer Kraft zu setzen.

Strenge Corona-Maßnahmen in Deutschland: Wie geht es jetzt weiter? 

Besonders große Sorge bereiten den Bürgerrechtlern die strikten Versammlungsverbote in einigen Bundesländern. In einem Fall hat ein Gericht sogar eine Demonstration von zwei Personen untersagt, die Schutzmasken tragen und zueinander Abstand halten wollten.

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Rechtsexperten sind sich außerdem einig, dass die schrittweise Lockerung der Corona-Maßnahmen eine entscheidende Rolle spielt. Der gestaffelte Exit sei „ein nicht nur praktisch naheliegender, sondern auch verfassungsrechtlich gebotener Weg“, schreibt der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Auch Ex-Gerichtspräsident Papier meint: „Es muss alles getan werden, um Art und Ausmaß der Gefahren genauer einzugrenzen.“ Auf Dauer könne man eine solche flächendeckende Beschränkung nicht hinnehmen. (dpa)

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