„Gefahren wie ein Irrer“: Radfahrerin tot gerast – doch er will nicht in Haft
Statt seinem Opfer zu helfen, telefonierte er lieber: Der heute 21-jährige Dominik G. hat im August 2020 einen Menschen getötet – mit seinem Auto. Weil er „wie ein Irrer“ über eine rote Ampel in Sievershagen (Kreis Rostock) gerast ist, musste die 52-jährige Radfahrerin Sonja W. sterben. Gegen seine Haftstrafe ging er jetzt in Berufung.
Schick gekleidet, im weißen Hemd und Jeanshose, betritt Dominik G. lässig den Rostocker Amtsgerichtssaal. Die große Schuld, die er auf seinen Schultern trägt, ist nicht zu spüren. In erster Instanz verurteilte ihn das Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, entzog ihm die Fahrerlaubnis und sprach eine Führerscheinsperre von drei Jahren aus. Gegen dieses Urteil ging der Fahranfänger nun in Berufung. Zu Wochenbeginn wurde deshalb vor dem Landgericht neu verhandelt.
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Statt seinem Opfer zu helfen, telefonierte er lieber: Der heute 21-jährige Dominik G. hat im August 2020 einen Menschen getötet – mit seinem Auto. Weil er „wie ein Irrer“ über eine rote Ampel in Sievershagen (Kreis Rostock) gerast ist, musste die 52-jährige Radfahrerin Sonja W. sterben. Gegen seine Haftstrafe ging er jetzt in Berufung.
Schick gekleidet, im weißen Hemd und Jeanshose, betritt Dominik G. lässig den Rostocker Amtsgerichtssaal. Die große Schuld, die er auf seinen Schultern trägt, ist nicht zu spüren. In erster Instanz verurteilte ihn das Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, entzog ihm die Fahrerlaubnis und sprach eine Führerscheinsperre von drei Jahren aus. Gegen dieses Urteil ging der Fahranfänger nun in Berufung. Zu Wochenbeginn wurde deshalb vor dem Landgericht neu verhandelt.
Rostock: Raser tötet Radfahrerin und will nicht in Haft
Am Prozess nahmen die drei Kinder der getöteten Radfahrerin als Nebenkläger teil. Auch die Kammer in nächst höherer Instanz sah es als erwiesen an, dass der damals 20-Jährige am 18. August 2020 um 6.38 Uhr mit deutlich zu hoher Geschwindigkeit (110 bis 118 km/h) an mehreren an einer roten Ampel wartenden Fahrzeugen vorbeiraste und vor ihnen wieder einscherte.
„Es war bereits mehrere Sekunden Rot“, sagte der Richter. Dreifach-Mutter Sonja W. fuhr zeitgleich mit ihrem Rad bei für sie grüner Ampel über die B 105. Mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 80 bis 88 km/h erfasste Dominik G. mit seinem Mietwagen VW Touran die 52-Jährige. „Sonja W. wurde 40 Meter durch die Luft geschleudert“, stellte das Gericht fest. Sie starb noch an der Unfallstelle.
Amtsgericht Rostock: Dominik G. erfasste Radfahrerin mit 88 km/h
Der Angeklagte, auch das ist erwiesen, kümmerte sich anschließend nicht um das Opfer, vielmehr telefonierte er mit dem Autovermieter und bestellte einen neuen Wagen, damit er wieder fahren könne. „Ich habe das alles nicht realisiert“, erklärte G. sein Verhalten und ergänzt: „Ich war übermüdet, zudem habe ich von einem Kumpel die Info bekommen, dass er in mich verliebt ist. Ich war in Gedanken.“
Der Richter wird deutlich: „Sie sind gefahren wie ein Irrer!“ Warum er so schnell unterwegs war? Dominik G. wisse es nicht mehr. „Ich habe die Geschwindigkeit nicht als so schnell wahrgenommen“, fügt er an. Der Angeklagte, der in seinem jungen Leben schon mehrere Lehren angefangen und wieder abgebrochen hat und mit rund 40.000 Euro verschuldet ist, berichtet von seiner Therapie, die er nach dem Unfall aufgenommen habe.
Raser befindet sich in Therapie
Er ließ sich in einer Tagesklinik behandeln, leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er sei depressiv, antriebsschwach, habe Alpträume, Zukunftsängste, Suizidgedanken und Flashback-Erlebnisse. Für den äußeren Beobachter dreht sich alles nur um den Angeklagten. Dass auf der Gegenseite drei Kinder sitzen, die ihre Mutter verloren haben – für Dominik G. scheinbar nur zweitrangig. Er entschuldigt sich zwar, echte Empathie sieht aber anders aus. Warum er nicht einmal auf die Angehörigen zugekommen sei? Der heute 21-Jährige konnte es nicht: „Ich habe gefühlsmäßig eine Mauer aufgebaut.“
Die Jugendgerichtshilfe sieht in ihrem Bericht einen ersten kleinen Erfolg der Therapie: „Ein zartes Pflänzchen von Empathie ist inzwischen gewachsen, es entwickeln sich erste eigene Schuldgefühle.“ Zum Ende des Prozesses blieb die Frage zu klären, nach welchem Recht Dominik G. zu bestrafen ist. Die Verteidigung sieht in der Tat „jugendlichen Leichtsinn“. Sein Mandant litt unter „Reifedefiziten“.
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Für ihn komme eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe in Betracht. Die Staatsanwaltschaft plädiert indes darauf, das Erwachsenen-Strafrecht anzuwenden: „Wir haben ein unbegreifliches Nachtatverhalten und einen erhöhten Grad an Fahrlässigkeit“. Forderung: Berufung verwerfen, Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, Fahrerlaubnis weiterhin entziehen. „Es gibt bei Ihnen keine Einsicht in das Unrecht“, hieß es. Nun muss das Gericht ein Urteil finden. Dieses soll am Freitag verkündet werden.