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Corona oder Gier der Handelsriesen?: Milchbauer: „Arbeite für Lohn wie vor 50 Jahren“

Der Milchpreis ist für Erzeuger mal wieder im Keller. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und der Verband Freie Bauern sehen einen der Gründe in der Corona-Krise. Der Landwirt Henning Helms aus Jördenstorf (Landkreis Rostock) glaubt hingegen eher an keine unmittelbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie. H-Milch und andere haltbare Milchprodukte seien stärker als sonst nachgefragt. Aus seiner Sicht missbraucht der Handel seine Marktmacht.

Peter Guhl von der Bundesvertretung der Freien Bauern: „Die Nachfrage aus dem Ausland ist teilweise zum Erliegen gekommen.“ Die Abnahme durch Großverbraucher wie die Gastronomie sei erheblich beeinträchtigt, gleichzeitig steige die Liefermenge im Frühjahr an. Guhl, der in Vorderhagen (Landkreis Ludwigslust-Parchim) wirtschaftet, fordert eine verbindliche Reduzierung der Milchanlieferung je Betrieb um zehn Prozent auf EU-Ebene.

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Astrid und Henning Helms stehen in einem Stall ihres Landwirtschaftsbetriebes  in Jördensdorf, Mecklenburg-Vorpommern, neben Milchkühen. 

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Dem stimmt Helms so nicht zu. Er führt mit seiner Frau Astrid einen 500-Hektar-Betrieb mit 450 Milchkühen und zehn Mitarbeitern. Die Milch, seine Haupteinnahmequelle, liefert er an die Ostsee Molkerei Rücker. Momentan bekommt er 32 bis 33 Cent pro Liter. „Das ist ein Preis, den mein Vater schon vor 50 Jahren hatte“, sagt der aus Schleswig-Holstein stammende 54-Jährige.

Milchbauer: Immer mehr Kühe nötig

Seit 1995 wirtschaftet er in Jördenstorf. Niemand sonst müsse für einen Lohn wie vor 50 Jahren arbeiten, meint er. „Wir sind permanent unter Druck, müssen mehr produzieren, die Arbeitseffektivität steigern.“ Über kurz oder lang werde er den Bestand an Kühen erhöhen müssen.

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Diana Meinke legt einer Kuh im Betrieb der Familie Helms das Melkgeschirr an.

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Sein Vater habe mit sieben Milchkühen angefangen und den Betrieb mit 35 Kühen abgegeben. Er habe mit 100 Milchkühen angefangen und werde den Betrieb den Kindern wohl mit wenigstens 500 Kühen übergeben. „Die Marschrichtung ist konträr zu dem, was öffentlich gewollt ist“, sagt er. Aber es sei illusorisch zu glauben, in der Landwirtschaft könne man wie vor 100 Jahren arbeiten, während andere über autonomes Fahren nachdenken.

Milchpreis im Keller: So überleben die Landwirte

Helms ist Vorsitzender der deutschen Gruppe der European Dairy Farmers, einer unpolitischen Organisation zum Erfahrungsaustausch und Produktionskostenvergleich. In den meisten Ländern würden die Vollkosten nicht erwirtschaftet. Sein Betrieb schaffe das gerade noch, aber Gewinn habe er zuletzt im vorletzten Wirtschaftsjahr 2018/19 gemacht. 2018 sei der Milchpreis noch höher gewesen. Heute dagegen: „Wir leben von nicht gemachten Ersatzinvestitionen“, sagte Helms. Landwirte könnten sich lange hinhungern, wenn sie nicht investieren. „Aber irgendwann ist es aus.“

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Milchkühe stehen in einem Stall des Landwirtschaftsbetriebes Helms. 

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Auch der BDM fordert, in der EU eine zeitlich befristete, verpflichtende Begrenzung der Milchanlieferungsmengen schnell und unbürokratisch einzuleiten. Die politischen Grundvoraussetzungen in Form von entsprechenden Artikeln in der Gemeinsamen Marktordnung seien vorhanden.

Bauernverband fordert feste Mengen von Milch

Der Bauernverband setzt dagegen auf Beihilfen zur privaten Lagerhaltung von Milchprodukten. Molkereien und Lieferanten sollten gemeinsam Lösungsansätze zur Abmilderung der mit den Preisschwankungen verbundenen Folgen vorantreiben. Dazu gehörten etwa die Milchmengenplanung und -steuerung sowie Festpreismodelle.

Milchpreis erst Wochen nach Lieferung bekannt

Helms hat gemeinsam mit zwei anderen Betrieben mit der Molkerei vereinbart, im Vorhinein einen festen Milchpreis für das nächste Quartal festzulegen. Damit könne er besser kalkulieren. Zumeist erfahren die Milchbauern erst Wochen nach der Lieferung, wie viel Geld ihnen die Molkerei zahlt. (dpa) 

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