• Viel Gehalt aber auch viel Freizeit: Die junge Generation ist anspruchsvoll
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Generation Z: „Beobachten, dass viel häufiger utopische Gehälter gefordert werden“

Keine Abireise, keine Erstsemester-Party, kein Ausbrechen: Für junge Erwachsene bringt die Pandemie ihre ganz eigene Tragik mit sich. Hartwin Maas, Zukunftsforscher am Institut für Generationenforschung in Augsburg, beschäftigt sich seit Jahren mit den Ansprüchen und Nöten junger Menschen. Im MOPO-Interview spricht er über Ideale und Feierabend-Radikalismus, harte Gehaltsrunden und großen Gerechtigkeitssinn.

MOPO: Herr Maas, die Zeiten sind nicht leicht, Experten sagen den Jüngeren aufgrund der Corona-Krise eine düstere Zukunft voraus. Von einer „verlorenen Generation“ ist gar die Rede. Machen Sie doch zu Beginn mal ein wenig Mut.

Hartwin Maas: Von einer „verlorenen Generation“ zu sprechen, halte ich zu diesem Zeitpunkt für übertrieben und verfrüht. Es ist derzeit noch nicht belegt, ob zum Beispiel Schüler und Studenten tatsächlich so viel Stoff verpasst haben, dass sie dadurch langfristige Nachteile haben werden. Wenn jeder so voreingenommen darangeht, werden wir das Problem bekommen, dass es auch tatsächlich so sein wird.

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Beschäftigt sich seit Jahren mit den Forderungen und Nöten der jungen Generationen: Zukunftsforscher Hartwin Maas

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Man spricht hierbei von der selbsterfüllenden Prophezeiung. Es ist also eher unsere Pflicht als Gesellschaft, Mut zu machen, denn sonst wird der Rückschlag nicht nur für eine Generation sein, sondern für die gesamte Gesellschaft. 

Was bedeutet es denn für die jungen Menschen, die aktuell so vieles verpassen: die Abireise, Erstsemesterpartys oder die ersten Tage im Job im Büro mit den Kollegen? 

Wir wissen doch alle noch, wie wir als Jugendliche oder junge Erwachsene waren. Die Abireise galt als lang ersehnte Belohnung für die harte Arbeit. Man ist gespannt auf die Auswüchse von Erstsemesterpartys. Da will man die Freiheit genießen, ausbrechen. Und dann kam Corona.

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Nichts davon war mehr möglich. Gerade deshalb ist es interessant, zu sehen, dass sich die jungen Menschen in vielen Fällen an die Corona-Regeln halten. Andererseits wissen wir von den Betroffenen, wie sehr das hohe Maß an Selbstdisziplin zehrt. Die Kreativität nimmt ab, weil vieles Kreatives im Dialog entsteht. Lernen und Arbeiten sind außerdem soziale Prozesse – welche digital nur teilweise kompensiert werden können. 

Was heißt das konkret für die Zukunft unserer Nachwuchskräfte? 

Ich denke, dass sich die Schere zwischen Erfolg und Versagen weit öffnen wird. Vorurteile aufgrund der sozialen Position oder Herkunft werden noch verstärkt. Klassismus wird jetzt schon mit Corona assoziiert. Die Pandemie hat vieles potenziert, Negatives wie Positives. Das ist vor allem bei Schülern sichtbar. Gute Schüler können sich im Homeschooling auch am Küchentisch konzentrieren und haben womöglich auch noch Unterstützung durch die Eltern oder ihr Umfeld. Während es Lernschwächeren große Schwierigkeiten bereitet, weil ihnen die professionelle Unterstützung fehlt.

Langfristig könnte das dazu führen, dass es bei den ohnehin zahlenmäßig rückläufigen mittleren Schulabschlüssen einen noch größeren Schwund gibt. Damit werden gerade Ausbildungsbetriebe noch größere Probleme bei der Nachwuchsfindung haben.

Was erwarten junge Menschen heutzutage denn von ihrem Arbeitgeber? 

Wir sehen in diesem Punkt in den vergangenen Jahren eine deutliche Verschiebung. Für die Generation Z, also die 16- bis 25-Jährigen, ist das Arbeitsklima am wichtigsten. Wir haben in unseren Studien Vergleiche angestellt. Das Thema Familie ist den jungen Arbeitnehmern heute doppelt so wichtig wie der Generation vor ihnen. Viel wichtiger ist heute außerdem die klare Trennung von Freizeit und Beruf.

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Freizeit ist jungen Menschen beonders wichtig.

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Bis vor einigen Jahren waren Arbeitnehmer stolz, wenn der Chef auch mal am Wochenende angerufen hat, weil sie sich dadurch wichtig fühlten. Junge Arbeitnehmer wollen nach Feierabend in Ruhe gelassen werden.

Das Nine-to-Five-Modell als Megatrend?

Nicht ganz, denn selbst die 40-Stunden-Woche ist ein Auslaufmodell. Teilzeit wird das neue Vollzeit. 

Und die Arbeitgeber machen das mit?

Na ja, schauen wir mal auf den demografischen Wandel: Die Babyboomer, als die geburtenstärkste Alterskohorte, gehen derzeit nach und nach in Rente, bis Anfang der  2030er  alle aus dieser Generation im Ruhestand sind. Gehen wir von einer Vollbeschäftigung auch nach Corona aus, werden irgendwann deutlich mehr freie Jobs auf dem Markt sein, während die Zahl der potenziellen Bewerber im Verhältnis sinkt. Im Ergebnis können sich viele junge Menschen die Jobs aussuchen. Und entsprechend viel höhere Ansprüche stellen. 

Klingt nach frühem Feierabend und einer Gratis-Mitgliedschaft im Fitnessclub.

Zum Beispiel. Aber es gibt noch viele andere Aspekte: Das, was sich Arbeitnehmer früher insgeheim gewünscht haben, wird jetzt eingefordert – das ist die große Stärke der jungen Generation. Gleichberechtigung ist normal, jüngere Menschen haben einen ausgeprägteren Gerechtigkeitssinn. Sie sind offener. Sie werden sich später weniger ärgern und sagen: Ach, hätte ich mal. Sie machen einfach.

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Willensstark und fordernd: Die junge Generation hat die Klimabewegung ins Rollen gebracht.

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Fordern zum Beispiel mit großer Vehemenz Maßnahmen gegen den Klimawandel und bringen dadurch Dinge ins Rollen. Und junge Menschen wollen auf Augenhöhe mit ihren Vorgesetzten sprechen, fordern viel mehr beim Chef  ein, als ihre Eltern das früher getan haben.

Wird das langfristig dazu führen, dass die Hierarchien verschwimmen?

Die Wissenschaft lehrt uns, dass der Mensch Hierarchien braucht. Er braucht Strukturen. Sind diese nicht gegeben, etablieren sie sich automatisch. Es wird dann zwangsläufig immer die geben, die den Weg vorgeben. Und jene, die folgen.

Wie sieht es mit dem Geldverdienen aus: Fordern junge Menschen auch mal den ein oder anderen Euro mehr?

Wir beobachten, dass in Gehaltsverhandlungen viel häufiger als früher utopische Gehälter gefordert werden, die am Ende natürlich nicht gezahlt werden. Aber auch das zeigt, dass die junge Generation sich viel mehr traut, wenn es um konkrete Forderungen geht. Gleichzeitig haben unsere Studien ergeben, dass Gehalt nicht mehr ganz so wichtig ist wie früher. Vielmehr wird zugunsten der Freizeit auf Geld verzichtet.

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Wenn wir uns einige der Macher, die in dieser Ausgabe vorgestellt werden, anschauen, sehen wir: Da sind einige dabei, die in jungen Jahren schon einiges auf der hohen Kante haben. Trotzdem tragen sie keine dicken Uhren oder fahren protzige Autos. Was ist das Statussymbol der jungen Erfolgreichen?

Ich denke, es ist der Zuspruch für das, was sie tun. Follower oder Likes sind die neue Rolex. Analoge Statussymbole wie die Segelyacht spielen kaum noch eine Rolle, es sei denn, sie bringen in der digitalen Welt Vorteile.

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