Vergammeln lassen und abkassieren: Wie ein Hamburger Haus zur Goldgrube wurde
Als „Schimmelhaus“ wurde das Wohnhaus in Eimsbüttel im Jahr 2016 bekannt. Vier Jahre später folgte nach langem Leerstand der Abriss. Gebaut werden dort jetzt Luxus-Eigentumswohnungen für bis zu 14.000 Euro pro Quadratmeter. Hätte das verhindert werden können? Womöglich steckt eine ganz perfide Masche hinter dem Vorgehen.
Schimmel überall, die Klingeln und das Licht im Flur ständig kaputt, die Fenster zugig, die Wohnungen feucht: 2016 berichteten die damaligen Mieter im „Schimmelhaus“ von Eimsbüttel der MOPO von unhaltbaren Zuständen. Seit 2010 zuletzt der Eigentümer und die Hausverwaltung wechselten, passierte demnach in dem Haus nichts mehr.
Als „Schimmelhaus“ wurde das Wohnhaus in der Eimsbütteler Osterstraße 162 im Jahr 2016 bekannt. Vier Jahre später folgte nach langem Leerstand der Abriss. Gebaut werden dort jetzt Luxus-Eigentumswohnungen für bis zu 14.000 Euro pro Quadratmeter. Hätte das beim Eigentümerwechsel 2021 noch verhindert werden können? Der Bezirk konnte laut eigener Aussage keinen Gebrauch mehr von seinem Vorkaufsrecht machen – dahinter könnte eine ganz perfide Masche stecken.
2016 berichteten die damaligen Mieter der MOPO von unhaltbaren Zuständen: Seit 2010 zuletzt der Eigentümer und die Hausverwaltung wechselten, passierte demnach in dem Haus in der Osterstraße nichts mehr. Vor allem der Hausflur war von einem massiven Schimmelbefall betroffen. Die Klingeln und das Licht im Flur waren ständig kaputt, die Fenster zugig, die Wohnungen feucht.
Eimsbüttel: Das „Schimmelhaus“ in der Osterstraße
Der damalige private und öffentlich nicht bekannte Eigentümer, verwaltet wurde die Immobilie vom ABR German Real Estate Management, ließ dann zwar den Schimmel im Flur entfernen und die Fenster ausbessern, aber wenig später wurde dann einen Abrissantrag eingereicht, der 2017 vom Bezirksamt genehmigt wurde. Mitte 2018 zogen die letzten Mieter aus, danach stand das Gebäude noch rund zwei Jahre leer, bevor Ende 2020 tatsächlich die Abrissbagger rollten. Kurz vor dem Abriss, im März 2020, ging eine Baugenehmigung bei der Behörde ein.
Im Februar 2022 tauchten schließlich die ersten Wohnangebote des Projekts „Eymers“ im Internet auf. Dort werden Eigentumswohnungen angeboten – zum Preis von 11.000 bis 14.000 Euro pro Quadratmetern. Im Zeitraum zwischen der Baugenehmigung 2020 und den Wohnangeboten 2022 gab es allerdings eine entscheidende Veränderung: Wie das Bezirksamt Eimsbüttel der MOPO mitteilte, wechselte 2021 der Eigentümer.
Osterstraße 162: Im Jahr 2021 wechselte der Eigentümer
Warum schlug der Bezirk nicht selbst zu, als der alte Eigentümer das Grundstück verscherbeln wollte? Immerhin liegt die Osterstraße 162 seit 2018 in einem Gebiet der sogenannten Sozialen Erhaltungsverordnung. Das bedeutet, dass der Bezirk prüfen kann, ob ein Verkauf nachhaltig, zum Beispiel in seiner Bewohnerstruktur, verändern würde. Wenn ja, kann er auch selbst zuschlagen und das Grundstück bewirtschaften. Das nennt sich Vorkaufsrecht.
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„Das Vorkaufsrecht war für den Bezirk wahrscheinlich insofern nicht mehr anwendbar, weil der Verkäufer schon vor dem Verkauf baurechtliche Anträge gestellt und rechtskräftige Abriss- und Baugenehmigungen erhalten hatte“, erklärt Marc Meyer, Rechtsanwalt bei „Mieter helfen Mietern“ der MOPO. „Diese sind dann auf den neuen Eigentümer übergegangen.“ Auch der Bezirk bekräftigte gegenüber der MOPO, man habe von dem Recht keinen Gebrauch mehr machen können, da das Gebäude bereits abgerissen war.
Außerdem sei es laut Meyer unklar, ob es tatsächlich einen Verkauf des Grundstücks gab oder einen sogenannten Share-Deal. „Letzteres hat Akelius zum Beispiel angewandt, bevor sie viele ihrer Immobilien verkauft haben. Es wurden kleine Firmen mit Eigentum an einer oder wenigen Immobilien, ausschließlich zu deren Verwaltung gegründet. Bei dem Verkauf dieser Firma ändert sich jedoch nicht der Eintrag im Grundbuch – und ohne Grundbuchänderung steht der Stadt in Milieuschutzgebieten dann rechtlich kein Vorkaufsrecht zu“, erklärt er.
Immobilien in Hamburg: So funktioniert „Landbanking“
Warum aber verkaufen, wenn man es vorher hat aufwendig abreißen lassen? In der Vergangenheit ist bereits öfter die Methode des „Landbankings“ populär geworden. „In diesem Fall kauft jemand ein Grundstück, lässt es ewig leer stehen und macht sich währenddessen ein schönes Leben“, erklärt Meyer. Das Grundstück werde in der Zwischenzeit älter und damit wertvoller – in Hamburg steigen die Werte jährlich um circa 15 Prozent. „Dann verkaufen diejenigen es weiter, haben aber nicht einen einzigen Stein darauf gebaut. Ein trauriges Beispiel dafür ist auch das Horsten-Areal.“
Das bezirkliche Vorkaufsrecht wurde im November 2021 übrigens durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgericht faktisch nur noch auf ganz wenige Immobilien beschränkt – die Ampel-Koalition will das wieder nachschärfen. Wann, ist noch unklar. Rechtsanwalt Meyer betont, dass es aber oft nicht die beste Lösung sei, wenn der Bezirk das Grundstück tatsächlich für horrende Summen kaufe. „So werden die Mondpreise auf dem Immobilienmarkt weiter vorangebracht. Hier fehlt es an einer den Vorkaufspreis begrenzenden gesetzlichen Regelung.“
Eine Abwendungsvereinbarung, die der private Käufer unterschreibe, sei für die Stadt oft attraktiver, um den Milieuschutz durchzusetzen, sagt er stattdessen. Mit solch einer Unterzeichnung kann der Käufer des Grundstücks den Vorkauf abwenden, diese ist aber an Bedingungen geknüpft. Zum Beispiel sind Staffelmietverträge verboten und es gibt nur eine beschränkte Eigenbedarfsnutzung.
Wohnungsmarkt: Bezirke müssen schneller reagieren
Für die Osterstraße 162 ist es bereits zu spät, die überteuerten Luxus-Eigentumswohnungen kommen. Notwendig wäre, dass die Bezirke in Zukunft bei derartigen Fällen schneller reagieren und die Eigentümer bei langem Leerstand mehr unter Druck setzen, diese Wohnungen auch wieder zu vermieten – zu vernünftigen Preisen.