Turbo-Aufstieg in Hamburg: Junger Afghane (22) ist Chef von zehn Mitarbeitern
Baguette backen, Brötchen belegen, Franzbrötchen in der Auslage drapieren. Während Rahmatullah Qasemi morgens um vier in der Bäckerei am Dammtor wirbelt, schlafen die meisten seiner Kunden noch. Füße hochlegen kommt für den jungen Afghanen erst abends um neun in Frage. „Ich bin doch der Chef, ohne mich läuft es hier nicht.“ Quasemi ist erst 22 Jahre alt, aber schon Franchise-Unternehmer: Er führt die große, trubelige Allwörden-Filiale am Dammtor-Bahnhof.
Wer bei dem jungen Mann mit dem kurzen Haarschnitt im weißen Poloshirt sein Brot bestellt, der kommt sicherlich nicht auf die Idee, dass er hier vom Chef persönlich bedient wird, eher vom Lehrling. Aber an Selbstbewusstsein mangelt es dem Jüngling nich, denn er muss sich ganz allein behaupten, seit er vor sieben Jahren ohne Familie nach Hamburg flüchtete.
Allwörden im Dammtor: Der neue Chef ist erst 22 Jahre alt
- Deutsch (Deutschland)
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Baguette backen, Brötchen belegen, Franzbrötchen in der Auslage drapieren. Während Rahmatullah Qasemi morgens um vier in der Bäckerei am Dammtor wirbelt, schlafen die meisten seiner Kunden noch. Füße hochlegen kommt für den jungen Afghanen erst abends um neun in Frage. „Ich bin doch der Chef, ohne mich läuft es hier nicht.“ Quasemi ist erst 22 Jahre alt, aber schon Franchise-Unternehmer: Er führt die große, trubelige Allwörden-Filiale am Dammtor-Bahnhof.
Wer bei dem jungen Mann mit dem kurzen Haarschnitt im weißen Poloshirt sein Brot bestellt, der kommt sicherlich nicht auf die Idee, dass er hier vom Chef persönlich bedient wird, eher vom Lehrling. Aber an Selbstbewusstsein mangelt es dem Jüngling nich, denn er muss sich ganz allein behaupten, seit er vor sieben Jahren ohne Familie nach Hamburg flüchtete.
Allwörden im Dammtor: Der neue Chef ist erst 22 Jahre alt
Seit acht Tagen ackert Quasemi jetzt wie ein Verrückter. Keine Freizeit, nur wenige Stunden Schlaf und wieder los in die Bäckerei. Am 1. Mai hat er die Filiale übernommen, in der er jahrelang Angestellter war. Trägt plötzlich die Verantwortung für den gesamten Ablauf und zehn Mitarbeiter. „Ich will Geld verdienen und Steuern zahlen“, sagt der zielstrebige junge Mann in fließendem Deutsch. Viel fehlt ihm nicht mehr, damit er unbefristet bleiben darf.
Seinem Bäcker hat der neue Chef am Sonntag erst mal freigegeben und sich selbst ums Backen gekümmert. „Als wir Kollegen waren, hat er immer geschimpft, dass er so oft sonntags arbeiten muss. Das mach ich jetzt wieder gut.“ Demnächst führt Quasemi Vorstellungsgespräche für neue Mitarbeiter, vielleicht kann er dann zwischendurch auch mal einen halben Gang zurückschalten. „Aber ich muss natürlich immer vor Ort sein, ich habe ja hier keine Geschwister, die einspringen könnten.“
Als minderjähriger Flüchtling kam er aus Afghanistan
Den Vertrag für die Filiale zu bekommen, war nicht einfach. „Ich wollte das unbedingt und hab da immer wieder angerufen“, sagt er lachend. „Nein, das ist schwierig“, hieß es zunächst immer. Die Hartnäckigkeit hat sich am Ende aber ausgezahlt. Bei Allwörden kannte man ihn auch schon. „Ich hatte mich ja auch mal als Bezirksleiter beworben. Aber da hatte ich noch keinen Führerschein und deshalb hat das nicht geklappt.“ Quasemi ist zuversichtlich, die vertraglich vereinbarten Verkaufsmengen zu schaffen, „wenn Corona nicht gewaltig zurückkommt jedenfalls.“
Durch die vielen Jahre, die er jetzt allein in Hamburg lebt, hat er eine Menge Kontakte geknüpft. Deutsch hat Quasemi mit Hilfe des Security-Mitarbeiters in seiner Unterkunft gelernt. „Manchmal hab ich bis morgens um zwei Uhr mit ihm gesprochen.“ Die Stadt kennt er heute bestens. „Die Landungsbrücken, der Hafen, die Alster, der Stadtpark – das ist alles so schön. Für mich fühlt es sich manchmal an, als wäre ich in Hamburg geboren.“
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Traurig macht ihn nur die Trennung von seiner Familie, die in Afghanistan lebt. „Ich wünsche mir so sehr, dass dort endlich Frieden ist. Aber das wird wohl nicht passieren.“