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  • Foto: MOPO-Archiv

Suff, Sex und Gewalt: So wild war der Kiez früher

St. Pauli –

Billig-Suff, überall Dreck und steigende Mieten – das sind die aktuellen Probleme auf dem Kiez. Geradezu lächerlich, wenn man mal die vergangenen 50 Jahre Revue passieren lässt. Früher hatten die St. Paulianer und Kiez-Besucher nämlich ganz andere Sorgen: Schießereien im Wochentakt, Zuhälterkriege und brutaler Nepp in Strip-Schuppen gehörten zum Alltag. Rückblick in eine Zeit, in der es im berühmtesten Vergnügungsviertel der Welt noch wirklich wild zuging – und mancher um sein Leben fürchten musste.

Die 60er waren auf St. Pauli geprägt von einer Goldgräberstimmung. Den Deutschen ging es nach dem Krieg längst wieder gut, das Wirtschaftswunder sorgte dafür, dass das Geld locker saß – die Menschen wollten sich vergnügen. Und welcher Stadtteil war dazu geeigneter als „St. Liederlich“? 

Versuchungsschuppen auf dem Kiez

Im „Versuchsschuppen“ auf der Reeperbahn ist 1962 die „Haiti-Hafen-Bar“ mit Strip-Shows und eindeutiger Werbung untergebracht.

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MOPO-Archiv

St. Pauli in Hamburg: So wild war der Kiez früher

Das nutzten skrupellose Gastronomen und plünderten ihre Gäste aus. Animierdamen brachten Herren dazu, ihnen literweise Champagner zu bestellen, der gern mal 500 Mark pro Flasche kostete – und sich später dann doch nur als billiger Sekt entpuppte. Wer bei Ansicht der Rechnung blitzartig nüchtern wurde und protestierte, bekam es mit den „Herren fürs Grobe“ zu tun.

Im Video: Tolle Aufnahmen! Hamburg in den 1950er Jahren

Immer mehr Freier wurden außerdem von Huren bestohlen oder in Fallen gelockt. Statt Sex gab es dann mit dem Totschläger einen auf den Schädel und die Brieftasche war futsch. Wer nur mit einer Beule auf dem Kopf davonkam, konnte sich glücklich schätzen. Keine gute Werbung für St. Pauli. Die Hamburger warnten ihre Freunde und Bekannten: „Geht da bloß nicht hin …“

Hamburg: Kiez-Größen fingen an, sich im Milieu zu profilieren

Die Behörden kapitulierten zunächst angesichts der Brutalität und Kaltschnäuzigkeit. Es entstand ein Klima, in dem sich erstmals Kiez-Größen im Milieu profilieren konnten.  

Ein Schläger mit dem Spitznamen „St. Paulchen“ zog mit seiner „Schwarzen Gang“ durch Lokale und erpresste Schutzgeld. Wer nicht zahlte, dem wurde die Bar demoliert und die Gäste wurden mit Bier übergossen. 1963 landete Paulchen vor Gericht und verschwand von der Bildfläche.

René Durand

René Durand zeigte in den 80er Jahren im „Salambo“ Sex auf der Bühne. 

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picture-alliance / dpa

Einer, der das Verfahren genau beobachtet hatte, war Wilfrid Schulz. Der Ex-Kellner war extrem ehrgeizig und wollte Paulchens Fehler unbedingt vermeiden. Der breitschultrige St. Paulianer galt als ziemlich eitel, trug maßgeschneiderte Anzüge, deswegen nannte man ihn „Tante Frieda“.

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Wer den Mann allerdings in seinem Beisein so rief, landete schnell mit doppeltem Kieferbruch im Krankenhaus. Gleichermaßen schlagkräftig und gefürchtet war der Pächter von Stundenhotels und Mitbesitzer von Nachtclubs. Später nannte man ihn sogar den Paten von St. Pauli.

Nepp-Schuppen wurden auf St. Pauli amtlich dichtgemacht

Doch der bekam schon bald Probleme mit Amtmann Falck, einem wackeren Beamten des Bezirksamts Mitte. Der war nämlich für Gaststätten-Konzessionen zuständig und kehrte mit eisernem Besen. So mancher Nepp-Schuppen wurde amtlich dichtgemacht. Auch gegen rabiate Kellner, beispielsweise im legendären „Starclub“, ging Amtmann Falck vor – die Herren boxten gern in ihrer Freizeit. Und im Job setzten sie ihre Fähigkeiten gegen Gäste ein, die zu wenig konsumierten.

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Nach einer wilden Schießerei am Hamburger Berg wird 1982 ein Beteiligter von Polizisten mit schusssicheren Westen abgeführt.

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Hirschbiegel 

Auf dem Kiez herrschte das Faustrecht – die Polizisten der Davidwache hatten eher eine Statistenrolle. Und so kam es 1965 zum ersten großen Zuhälterkrieg. Österreichische Luden, allen voran ihr Anführer „Wiener Bär“, wollten auf dem Kiez ihr Stück vom Kuchen. Wilfrid Schulz passte das natürlich gar nicht – er verpasste dem Bären sieben Messerstiche in den Hintern. Und das zeigte Wirkung: Der Pate hatte sein Revier verteidigt. Und auf dem Kiez brummte das Geschäft.

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„Salambo“ von Rene Durand: Hier gab es Live-Sex 

Immer mehr Frauen schafften an – ab 1966 auch im modernen „Eros-Center“. 1970 stieg ein Mann namens René Durand ins Sex-Business ein. Im ehemaligen „Star-Club“ eröffnete er das „Salambo“ und erklärte seine Pornos auf der Bühne kurzerhand zur Kunst. Jahrzehntelang verdiente er bombig – in den 80er Jahren brannte das „Salambo“ nieder. Die Umstände wurden nie aufgeklärt.

St. Pauli historisch

90er Jahre: Das Opfer einer Schießerei in der Diskothek „Sheila“ an der Ecke Hamburger Berg/Reeperbahn wird Anfang der 90er Jahre in einen Krankenwagen geschoben.

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Hirschbiegel 

Die 70er wurden dominiert von einigen Polizeiskandalen auf St. Pauli. Pate Wilfrid Schulz bekam Tipps von der Polizei, Razzien wurden verraten, Beamte offenbar geschmiert. Hohe Polizeibeamte sollen Luxus-Puffs besucht haben – natürlich kostenlos.

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