Lungenversagen und Koma: Corona-Drama um Hamburger Sexologin Henning
Intensivstation, künstliches Koma, Blutvergiftung: Mit knapper Not hat Deutschland bekannteste Paartherapeutin Ann-Marlene Henning (57) eine Corona-Infektion überlebt, die sie nicht nur optisch total verändert hat. Die MOPO sprach mit ihr über ihren langen Kampf zurück ins Leben, über Post-Covid, grauenvolle Alpträume – und ihre Vorbehalte gegen die Impfung.
„Sind Sie geimpft?“, wollte die Ärztin in der Hamburger Notaufnahme wissen, als Ann-Marlene Henning am 12. November 2021 mit Atemnot eingeliefert wurde. Als die Patientin verneinte, entgegnet die Medizinerin: „Selbst schuld.“ So schildert die Sexologin die Szene in ihrem Buch „Dass der Kaffee nicht schmeckt, ist mein kleinstes Problem“.
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Intensivstation, künstliches Koma, Blutvergiftung: Mit knapper Not hat Deutschland bekannteste Paartherapeutin Ann-Marlene Henning (57) eine Corona-Infektion überlebt, die sie nicht nur optisch total verändert hat. Die MOPO sprach mit ihr über ihren langen Kampf zurück ins Leben, über Post-Covid, grauenvolle Alpträume – und ihre Vorbehalte gegen die Impfung.
„Sind Sie geimpft?“, wollte die Ärztin in der Hamburger Notaufnahme wissen, als Ann-Marlene Henning am 12. November 2021 mit Atemnot eingeliefert wurde. Als die Patientin verneinte, entgegnet die Medizinerin: „Selbst schuld.“ So schildert die Sexologin die Szene in ihrem Buch „Dass der Kaffee nicht schmeckt, ist mein kleinstes Problem“.
Aber warum war sie im November 2021 noch ungeimpft? „Ich glaube nicht an irgendeine Verschwörung“, betont Ann-Marlene Henning. „Ich habe einfach Schiss vor den Nebenwirkungen der Impfung. Ich hatte mit 32 Jahren Aneurysmen im Gehirn, hatte eine OP, muss immer noch Blutdruckensenker nehmen.“
Ann-Marlene Henning über die Corona-Impfung
Ihre persönliche Corona-Strategie: größte Vorsicht, am besten totaler Rückzug. Sie hatte sich gerade ihren Traum von einem Haus in ihrer dänischen Heimat erfüllt, wollte dort in aller Abgeschiedenheit zusammen mit ihrem Lebensgefährten das Ende der Pandemie abwarten. Das war der Plan für den Winter 2021.
„Ich hatte nur noch diesen einen Dreh für Sat1 in Hamburg“, erzählt die Sexologin. „Das ganze Team wurde täglich getestet, alle trugen Masken und hielten Abstand.“ Nur zum Drehen mussten die Masken kurz abgenommen werden. Das reichte: Mehr als zehn Personen aus der Produktion infizierten sich mit der damals noch dominanten, gefährlichen Delta-Variante, auch Ann-Marlene Henning.
In ihrer Eppendorfer Praxiswohnung wollte sie sich auskurieren, dort, wo sie viele Jahre ihre Patienten empfangen hat. Ihre Eigentumswohnung war ja schon verkauft. Der Arzt, der die TV-Produktion betreute, stellte eine hohe Viruslast fest, trotzdem blieb die gebürtige Dänin zunächst unbesorgt: „Ich spürte zwar eine merkwürdige Kaputtheit und Übelkeit, aber ich konnte frei atmen. Ich rechnete mit einem leichten Verlauf.“
Ann-Marlene Henning: Alpträume im Koma
Nach einer Woche wurde das Atmen plötzlich schwer, das Sauerstoffmessgerät aus der Apotheke zeigte nur noch 88 Prozent an: „Da habe ich einen Rettungswagen gerufen.“ Noch auf der Intensivstation des Agapleision Diakonieklinikums in Eimsbüttel blieb Ann-Marlene Henning ruhig. „Ich dachte, das wird schon. Die überwachen mich jetzt, aber ich bin ja keine Risikopatientin.“
Tatsächlich besserten sich ihre Werte zunächst – bis am 25. November der schlimmste anzunehmende Fall eintrat: die Schocklunge, akutes Lungenversagen. „Ich habe keine Erinnerungen daran, wie sie mich ins Koma gelegt haben“, sagt Ann-Marlene Henning.
Dafür erinnert sie sich mit schockierender Klarheit an das künstliche Koma, das kein traumloser Schlummer war wie bei einer Narkose: „Ich erlebte Alpträume, von denen ich dachte, sie sind Realität. Das waren paranoide Träume, sexuell, gewalttätig, meinen eigenen Tod habe ich immer wieder geträumt. Ich wurde umgebracht, meine Leiche wurde durch die Gegend geschleppt, ich bin verbrannt worden, mein Sarg explodierte. Ich schwebte und sah das alles von oben, ich wusste aber, das ist jetzt kein Traum, das geht jetzt immer so weiter.“
Nahtoderfahrung im Koma
Der Schrecken ist ihr noch Monate später deutlich anzumerken: „Ich war sicher, ich war tot und in der Hölle gelandet. Ich dachte, es wird immer so weitergehen, ich kann ja nicht sterben, denn ich bin ja schon tot. Es war der Horror.“
Nur einmal habe sie sich friedlich gefühlt: „Ich flog, sah ein Licht, alles war angenehm.“ Das, so glaubt sie heute, muss eine Nahtoderfahrung während des septischen Schocks gewesen sein: Im Koma hatte sie eine Blutvergiftung erlitten. Auch die Alpträume lassen sich mit Handlungen von Ärzten und Pflegern verknüpfen: „Im Krankenhausbericht sah ich später, wie ich alles, was mit meinem Körper passierte, in diese Alpträume eingebaut habe. Einmal sah ich etwa Gitter, ich steckte im Traum im Fahrstuhl zwischen zwei Etagen fest, schrie um Hilfe – und tatsächlich sah das so aus wie das Gitter am Krankenhausbett, da hatte ich wohl mal kurz die Augen auf.“
Der erste Satz nach dem Aufwachen wird ihr immer in Erinnerung bleiben: „So, Frau Henning, da sind Sie ja wieder!“, sagte der Arzt. Ann-Marlene Henning brach in Tränen aus: „Ich war so dankbar, dass die Hölle doch nur ein Traum gewesen war.“
Long Covid: Langer Kampf zurück ins Leben
Die Hoffnung, schnell in das alte Leben zurück zu kehren, erfüllte sich nicht: „Ich konnte gar nichts, hatte Panikattacken, ich konnte nicht sitzen oder gehen, ich brauchte eine Maschine, die mich in eine stehende Position zieht. Ich hatte ein großes, schweres Gefühl am unteren Teil des Körpers. Ich lag wie ein Wal auf dem Rücken“, beschreibt Ann-Marlene ihre neurologischen Corona-Folgen.
Eine Reha-Klinik verlässt sie kurz vor Silvester, mit vielen Zweifeln und gegen den Rat ihres Sohnes. „Ich lag dort wochenlang alleine auf der Isolierstation, es passierte nichts, keine Maßnahmen.“ Zuhause in Dänemark, in der Obhut ihres Lebensgefährten, einem ausgebildeten Krankenpfleger, versucht Ann-Marlene Henning mühsam und über Monate wieder Kontrolle über ihre Muskeln zu bekommen. „Aber nach vier Monaten machten Füße und Beine immer noch Probleme, ich hatte sogar das Gefühl, es wird wieder schlimmer. Mir war klar: Ich hatte Long Covid.“ Ihre Haare, einst dick und von einem prachtvollen Kastanienbraun, verliert sie Anfang 2022 bis auf ein kläglich-dünnes Zöpfchen.
Jetzt, im September 2022, erscheint das Buch, in dem Ann-Marlene Henning ihre Erfahrungen als Covid-Überlebende verarbeitet, sehr persönlich und mit vielen medizinischen Fakten. Sie lebt in Dänemark, die nachgewachsenen Haare trägt sie nun in einem attraktiven Silberton, hat einen neuen Werbespot gedreht für eine Vaginalcreme, arbeitet in ihrem Heimatland sogar wieder als Paartherapeutin.
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Die Impfung lehnt die Dänin für sich weiterhin ab, auch wenn sie deshalb in Deutschland nicht mehr praktizieren darf. „Ich schütze mich mit Maske und Abstand und hoffe, dass ich mit dem besten Schutz dastehe, den es gibt: genesen zu sein.“ Demnächst zieht ein kleiner Hund bei ihr ein, ein Wunsch seit Kindertagen: „Ich will nichts mehr aufschieben.“