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  • Foto: imago images/Ralph Peters

Sackgasse Mann?: Wer von Feminismus spricht, darf von Männlichkeit nicht schweigen

Volle Frauenhäuser, häusliche Gewalt, Lohnungerechtigkeit: Auch hierzulande leiden Frauen bis heute unter Geschlechterungleichheit. Aber: Eine höhere Anzahl an Gewalttaten und Selbstmorden und ein früherer Tod belegen, dass letztlich auch Männer – zumindest statistisch gesehen – mit einigen Problemen zu kämpfen haben. Wenn wir es als Gesellschaft also ernst meinen mit der Gleichberechtigung, dann müssen wir auch über die sich verändernde Rolle des Mannes sprechen. Denn: Ein Feminismus, der von Männlichkeit nicht reden will, ist zum Scheitern verurteilt.

Wir Männer sind weniger gebildet, begehen öfter Selbstmord und sind öfter gewalttätig als das weibliche Geschlecht. Das sagt nicht nur die Statistik, das sagen auch Forscher, die sich mit dem Thema Männlichkeit beschäftigen. 

Der „echte Mann“, so scheint es, befindet sich auf dem absteigenden Ast. Er sorgt sich mehr um Geschwindigkeitsbegrenzungen, Anti-Rauch-Kampagnen und um die Macht einer 16-Jährigen Schwedin, denn um Vorsorge, Gleichberechtigung und eine ausgewogene Ernährung. Doch um wirklich zum Kern dessen zu kommen, worauf ich hinaus will, muss ich noch ein wenig tiefer gehen.

Gleichberechtigung in Deutschland: mangelhaft

1997 stimmten unter anderem Bundesinnenminister Horst Seehofer und Friedrich Merz dafür, dass Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar sein dürfe. Nicht erst seit 1997 wissen wir: Der Weg, den FeministInnen seit der Erkämpfung des Frauenwahlrechts gehen, ist steinig und schwer. Ein Gesellschaftsbild, in dem Vergewaltigern Straffreiheit gewährt werden soll, sagt mindestens genau so viel über die Rolle so manchen Mannes aus wie über den Stand der Gleichberechtigung.

Doch man braucht gar nicht so weit gehen, bereits im Alltag zeigt sich: Mit der falsch verstandenen Männlichkeit geht es schon früh los. Fast die Hälfte der Jungen in meiner Schulklasse damals – ich eingeschlossen – prügelte sich regelmäßig auf dem Pausenhof. Das ist ja nur der Pausenhof, könnte man jetzt einwenden. Falsch. Wer lernt, Probleme mit der Faust zu klären, flippt auch als Autofahrer aus, wenn ihm die Vorfahrt genommen wird. Ich weiß, wovon ich spreche.

Das Märchen vom metrosexuellen Mann

Seit Jahren wird in Lifestyle-Magazinen das Bild des gefühlvollen, metrosexuellen Mannes entworfen. Eine Welt, die ohne „dicke Eier“, mit weniger Wettkampf, dafür mit einem respektvollen Umgang untereinander auskommt – das klingt verlockend. Wie der gefühl- und stilvolle Zuhörer-Typ es geschafft haben soll, sich zu etablieren, lassen die Magazine, Ratgeber und Society-Experten in aller Regel aber unbeantwortet und das hat einen guten Grund. Denn: Wenn es ihn gibt, dann ist er die Ausnahme.

Das Problem heißt „toxische Männlichkeit“

Glaubt man Wissenschaftlern, gibt es den eben beschriebenen Mann allenfalls einzeln und als Phänomen schon gar nicht. Männer nehmen sich dreimal häufiger das Leben als Frauen, gehen seltener zum Arzt als das weibliche Geschlecht, machen seltener Therapien und sterben jünger. Im Durchschnitt etwa fünf Jahre früher als Frauen. Alles Zufall? Wissenschaftler glauben nicht daran.

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Toxische Männlichkeit nennt sich das Phänomen, welches sich mit der Selbstzerstörungswut des Mannes beschäftigt. Die Gründe sind vielfältig, das Ergebnis so klar, wie erschreckend: Der Mann schadet sich vor allem selbst – und dann den Frauen. 

Sein Potential ausschöpfen – klingt gut, oder?

Eine Welt, in der jeder sich unabhängig von Sexualität, Geschlecht, oder Herkunft frei entfalten kann und sein Potential bestmöglich ausschöpft. Klingt gut, oder? Doch neben der Gleichberechtigung der Frauen, die auch 2019 immer noch weniger verdienen, öfter in Altersarmut landen und im Laufe eines Lebens meist mindestens einmal Gewalt durch ihren Partner erleben, gibt es auch in Sachen Männlichkeit viel zu tun.

Noch immer wird Jungen zu oft gesagt, sie sollen sich nicht so anstellen, wenn sie weinen. Noch immer gibt es kaum männliche Erzieher und Grundschullehrer, die Jungen formen und ihnen ein kontrastreicheres Männlichkeitsbild vermitteln können als das bisher der Fall ist. Noch immer wimmeln die Gefängnisse von Männern, deren Hierarchie-Verständnis sich über Gewalt definiert. Noch immer übernimmt in fast allen Fällen nach einer Scheidung die Frau die Kinder. Wohin man guckt, überall Baustelle.

Erst das Problem erkennen, dann handeln

Doch bevor wir zur Tat schreiten, muss das Problem erst als solches erkannt werden. Dort, wo Männer ohnmächtig werden, weil ihnen kein Handwerkszeug für eine sich wandelnde Gesellschaft mitgegeben wurde, kommt es noch zu oft zu vermeintlich klassisch männlichem Hau-Drauf-Verhalten. Am Ende verlieren alle.

Wie kann man Männer fördern, mutig neue Wege zu gehen? Wie bekommen wir mehr Männer in soziale Berufe? Was muss sich in der Literatur, im Film, in der Gesellschaft ändern, damit Männer über ihre festgeschriebene Rolle hinauswachsen und nach neuen Wegen suchen?

Typisch männliches Verhalten ist angelernt – kann also wieder abgelegt werden

Unter Wissenschaftlern herrscht heute weitgehend Konsens darüber, dass typisch männliche Attribute – lautes, aggressives Verhalten zum Beispiel – angelernt sind und demnach auch wieder abgelegt werden können.

Bis es soweit ist, wäre Reden für uns Männer ein erster Schritt. Ob in der Sauna, auf der Arbeit, oder gar mit der Partnerin.

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