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Rassismus in Deutschland: „Das Problem sind die alltäglichen Abwertungen“

Benjamin Asare ist ein echter Hamburger Jung. Doch es gibt Menschen, die wollen das nicht anerkennen. Immer wieder muss der 28-Jährige sich erklären. Und das nur, weil seine Haut dunkler ist als die der in Hamburg lebenden Mehrheit. „Das nervt“, sagt der Musiker („Eso.Es“) aus Altona.

MOPO:Vielen dunkelhäutigen Deutschen wird seit dem tödlichen Polizeiübergriff auf den US-Amerikaner George Floyd die Frage gestellt: ,Bist du froh, in Deutschland zu leben?‘ Wie geht es Ihnen damit?

Benjamin Asare: Erst letzte Woche wurde mir genau diese Frage gestellt! Von jemandem, der absolut kein Rechter ist. Und genau das ist das Tragische. Denn die Frage ist ausgrenzend. Sie birgt einen subtilen Rassismus. Wo soll ich denn sonst leben, wenn nicht hier? Ich bin Deutscher. Ich bin hier geboren. Hamburg ist meine Heimat. Jeder, der in Deutschland lebt, sollte froh sein, dass es hier nicht zu zugeht wie in den USA.

Das heißt, nicht nur Rechte sind Rassisten?

Ganz genau. Rassismus und Rechtsextremismus sind nicht das gleiche. Alltagsrassismus entsteht, wenn die Mehrheitsgesellschaft ein „Wir-Gefühl“ entstehen lässt gegenüber einem „Die-Gefühl“ für eine Minderheit.

Wie äußert sich der Alltagsrassismus?

Zum Beispiel werde ich oft dafür gelobt, wie toll ich Deutsch spreche! Oder ich werde gefragt, woher ich „ursprünglich“ komme. Die Menschen, die mir solche Fragen stellen, meinen das gar nicht böse. Sie bemerken den subtilen Rassismus, der hinter so einer Frage steckt, gar nicht.

Was macht das mit Ihnen?

Es verletzt mich. Wenn ich zum Beispiel auf die Frage, woher ich komme, ,Aus Hamburg!‘ antworte, dann sind die Fragesteller nicht zufrieden. Ich bin es leid, mich immer wieder erklären zu müssen. Es befeuert ein Gefühl der Ausgrenzung bei mir, obwohl ich doch Teil dieser Gesellschaft bin. Es nervt, dass ich mich ständig rechtfertigen muss. Und das alles nur wegen meiner Hautfarbe.

Wie war das in Ihrer Kindheit? Da ist das sicher noch viel schwieriger zu ertragen, oder?

Ich kann nicht mit zwei Händen aufzählen, wie oft ich auf der Straße als „Neger“ beschimpft wurde. Und dann natürlich oft der „Schokokuss“-Spruch. Wenn man auf seine Hautfarbe reduziert wird, entmächtigt einen das. Für Kinder ist das besonders schlimm. Ein Kind muss sich schön fühlen und wohl in seiner Haut, um Selbstbewusstsein zu entwickeln. Ich will mich nicht schämen für meine Hautfarbe. Ich bin stolz darauf!

Wie weit geht die gesellschaftliche Benachteiligung jetzt als Erwachsener?

Ich kann Ihnen endlos viele Geschichten von anderen Schwarzen erzählen, die keine Wohnung finden. Oder die wegen ihres Aussehens einen Job nicht bekommen, für den sie eigentlich gut qualifiziert sind. Uns wird der Zutritt in Clubs verweigert. Die alte Dame in der U-Bahn setzt sich weg, wenn jemand wie ich in ihre Nähe kommt. Und ja – auch hier gibt es Polizeigewalt.

Haben Sie das erlebt?

Ich trinke nicht, ich kiffe nicht. Dennoch wurde ich in diesem Jahr schon drei Mal von der Polizei angehalten und kontrolliert. Meinen weißen Freunden passiert das nicht. Genau das ist das Problem. Und auch in Deutschland sind schon Schwarze in Polizeigewahrsam zu Tode gekommen – Oury Jalloh, Robble Warsame, Yaya Jabbi, Achidi John, Laye-Alama Condé.

Was muss sich ändern?

Das Problem ist aus meiner Sicht, dass der subtile Rassismus von der Mehrheitsgesellschaft still akzeptiert oder gar nicht wahrgenommen wird. Wenn diskriminierende Werte allgemein gültig und eine Selbstverständlichkeit sind, kann daraus auch Gewalt entstehen. Sicher gibt es regionale Unterschiede. In Hamburg ist das Problem weniger virulent als in Dresden. Aber man muss nicht immer auf den Osten zeigen. Hanau ist gerade einmal ein halbes Jahr her. Man kann darüber reden, dass der Täter psychisch krank war. Aber er hat aus einer Angst heraus gehandelt, hinter der weit verbreitete Vorurteile stehen.

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Ist der Vorfall in den USA eine Chance, das Thema aufzuarbeiten?

Ja! Der Vorfall hat das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Aber das, was in den USA geschehen ist und geschieht, steht für eine Verrohung der Menschheit überall auf der Welt. Wenn Trump ganz selbstverständlich von „Shithole countries“ spricht, fördert er die Ausbreitung von Respektlosigkeit und einer Haltung, die im Wesentlichen gegenseitige Verachtung impliziert. Der Tod von George Floyd fordert uns nun nicht nur zum Innehalten, sondern auch zum Handeln heraus. Die Bürger sollten sich fragen: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Wollen wir auf Hass und Spaltung setzen? Oder wollen wir eine faire, solidarische Gesellschaft, in der jeder die Möglichkeit hat, sich eine Zukunft aufzubauen? Erst wenn dunkelhäutige Menschen gesellschaftliches Ansehen erlangen, weil sie anerkannte Berufe ausüben oder wichtige Positionen besetzen, dann wird sich die Akzeptanz auch erhöhen.

Was kann der Einzelne tun?

Es kann keinen neuen Anfang geben, wenn nur die Minderheit für ihre Rechte kämpft. Die Mehrheit muss sich für die Minderheit einsetzen. So wie es in den USA schon geschieht, wo sich viele Weiße den Demos angeschlossen haben. Das ist ein wichtiges Zeichen. Solche Zeichen brauchen wir hier auch. Sonst bleibt der Gedanke einer fairen Gesellschaft eine Utopie.

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