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  • Foto: dpa

Als „Keuschheitsprobe“: Lädt die Polizei bald selbst Kinderpornos hoch?

In Norddeutschland steigen seit Jahren kontinuierlich die Zahlen kinderpornografischer Straftaten – außer in Hamburg. Dort sind sie stark schwankend. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Möglichkeiten der Kripo-Ermittler beschränkt. Das soll sich jetzt ändern – mit einer Verschärfung des Gesetzes. Und künstlicher Intelligenz.

In Schleswig-Holstein steigen die Zahlen seit mehr als drei Jahren. Waren es 2016 noch 213 erfasste kinderpornografische Straftaten, sind es 2018 schon 309 gewesen. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Zahl gegenüber den Vorjahren fast verdoppelt: Im vergangenen Jahr waren es 405, 2016 noch 219 Taten. Das LKA glaubt, dass die Anstiege mit der technischen Entwicklung zusammenhängen, die das Veröffentlichen und Verbreiten von Kinderpornografie immer einfacher macht.

Hamburg: Kinderpornografie-Taten äußerst schwankend

In Hamburg sind die Zahlen unbeständig: Während es 2017 noch einen Anstieg (126 Fälle) gegenüber des Vorjahres (79 Fälle) gab, ging die Zahl 2018 mit 107 registrierten Straftaten wieder zurück.

In Niedersachsen stehen die Ermittler der Kripo aber ganz anderen Größenordnungen gegenüber: 1444 kinderpornografische Straftaten wurden im vergangenen Jahr erfasst, 2016 waren es „nur“ 1160. Hier setzt die Polizei daher auch auf eine bisher noch nie eingesetzte Methode: die künstliche Intelligenz.

Innenminister: Software soll Kollegen von psychisch belastender Aufgabe entlasten

So wird ab Februar eine Software eingeführt, die Daten im Internet und Darknet eigenständig auswertet und zwischen Pornografie und Alltagsbildern trennt. „Ich hoffe sehr, dass wir damit einerseits die Auswertetätigkeit, die Ermittlungen und die Strafverfolgung noch effizienter machen. Andererseits aber auch die Kolleginnen und Kollegen von der psychisch belastenden Aufgabe entlasten“, teilte Innenminister Boris Pistorius (SPD) mit.

Was er damit meint: Bisher müssen die Ermittler noch jedes Bild und jedes Video manuell sichten. Bei einer im vergangenen Jahr gespeicherten Datenmenge von 1,3 Millionen Gigabyte kein einfaches Unterfangen.

Bundestag: Polizisten sollen Kinderpornografie hochladen

Bundesweit soll die Polizeiarbeit im Bereich der Kinderpornografie vereinfacht werden. Am Freitag wird eine Gesetzesverschärfung im Bundestag verabschiedet. Diese soll es Ermittlern ermöglichen, künftig selbst kinderpornografische Bilder hochladen zu dürfen, um Zutritt zu Foren der Pädokriminellen zu bekommen. Oft sind die Portale nämlich verdeckt und verlangen als Eintrittskarte erst eigenes Material, um das der anderen User sehen zu können. Im Darknet nennt sich das „Keuschheitsprobe“.

Aber: Es würden keine „echten“ Bilder hochgeladen, sondern nur computergenerierte. Also keine Aufnahmen lebender Personen. Außerdem müssen Polizisten, die diese Methode künftig nutzen, vorher zunächst geschult werden, um dann mit diesen erweiterten Befugnissen zu ermitteln.

Außerdem sollen künftig auch die Versuche, Kinder im Internet zu verführen, etwa bei Onlinespielen, bestraft werden. Die Methode nennt sich „Cybergrooming“: Verbrecher versuchen im Internet, Vertrauen zu den Kindern aufzubauen, tauschen mit ihnen Handynummern aus, bitten sie dann um Fotos. Bisher wurden Täter nicht belangt, wenn sie auf ihrer Suche nach Minderjährigen auf verdeckte Polizisten gestoßen waren. Damit ist nun Schluss.

Polizei Hamburg: Tatverdächtige Einzeltäter und anonyme Gruppen

Doch wer sind die Menschen, die für die Verbreitung solcher Inhalte verantwortlich sind? „Bei den Tatverdächtigen handelt es sich sowohl um Einzeltäter als auch um anonyme Gruppen, in denen kinderpornografische Schriften ausgetauscht werden“, sagt Daniel Ritterskamp, Sprecher der Hamburger Polizei. Gelangen die Bilder und Videos in Umlauf, verbreiteten sie sich auch über „sämtliche soziale Medien und die gängigen Messenger-Dienste“.

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Ein weiteres Problem bei der Bekämpfung solcher Delikte: Urheber vieler in Deutschland kursierender kinderpornografischer Materialien würden laut Bundeskriminalamt (BKA) nicht einmal in Deutschland leben. Dazu kommen falsche IP-Adressen, nur schwer verfolgbare digitale Spuren dank Nutzung versteckter Seiten.

Laut BKA gäbe es eine Lösung für eine bessere und effizientere Strafverfolgung: die Vorratsdatenspeicherung. Dabei würden die Ermittler Daten von Dienste wie Whatsapp oder Facebook erhalten, die alle Nachrichten ihrer Nutzer auf verdächtige Inhalte prüfen müssten.

BKA: Mehr Fälle als erfasst – „wir brauchen die Vorratsdatenspeicherung“

Hinweise bekäme das BKA bereits von einer US-amerikanischen Organisationen (NCMEC). Doch die von NCMEC zugesandten Fälle – um die 9000 – könnten nicht bearbeitet werden – mangels Vorratsdatenspeicherung. „Die Daten finden bisher keinen Eingang in die Polizeiliche Kriminalstatistik, weil sie zwar deutschen IP-Adressen, nicht aber einer konkreten Person in einem Bundesland zuzuordnen sind“, so ein BKA-Sprecher.

Beispiel: Im Ergebnis hätte die deutsche Polizei 2017 Kenntnis von 15.000 Fällen gehabt, von denen aber nur knapp 6.500 bearbeitet und erfasst wurden. „Die Aufklärungsquote reduziert sich somit von knapp 90 auf rund 40 Prozent.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat im September 2019 entschieden, dass so eine Speicherung gegen das geltende europäische Recht verstoßen würde.

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