• Beim Neujahrsempfang noch ganz einträchtig, doch jetzt im Wahlkampf sind sie Konkurrenten: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne).
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Wahlkampf nur mit Wachmacher: So halten sich Tschentscher und Fegebank fit

Ein koffeinfreier Kampf um das Hamburger Bürgermeisteramt scheint weder für Peter Tschentscher noch für Katharina Fegebank vorstellbar zu sein. Sowohl der Amtsinhaber von der SPD als auch seine Grünen-Herausforderin vertrauen auf die anregende Wirkung – aber: der eine mag’s heiß, die andere lieber kalt, wie sich bei ihren Wahlkampfterminen am vergangenen Freitag beobachten lässt.

Vor seinem ersten öffentlichen Termin an jenem Freitag greift Tschentscher erst einmal zu einer Tasse, die auf einem Tisch in der Bucerius Law School bereitsteht und nimmt hastig einen Schluck Kaffee. Dann spricht er vor einem Unternehmerkongress ein Grußwort. Routiniert redet er über das, was die Wirtschaft Hamburgs voranbringt. Dann verlässt er den Saal, eilt durch das Forum – zur Kaffeetasse. Noch ein schneller Schluck.

Grüne Kandidatin Fegebank trinkt pro Sitzung sechs Flaschen Fritz-Kola

Sie bringe es während der Senatssitzung auf bis zu sechs kleine 0,2-Liter-Flaschen Cola, sagt Fegebank bei einem Besuch in der Fritz-Kola-Zentrale. „Dann habe ich nach einer Stunde so einen Flattermann, weil da dermaßen viel Koffein drin ist – und darüber wollte ich mit Euch auch noch sprechen“, wendet sie sich gleich an Firmengründer Mirco Wolf Wiegert. Im Vordergrund stehen dann aber doch nachhaltige Produktion und soziales Unternehmertum.

An einem SPD-Stand in der Nähe eines Wochenmarkts in Fuhlsbüttel wird der Bürgermeister als Wahlkämpfer erwartet. Etwas volksnaher als bei den Unternehmern gekleidet steigt Tschentscher aus dem Auto – mit Anorak, braunen Winterschuhen, die rote Krawatte ist ab. „Hallo Peter!“, ruft ihm ein SPD-Genosse zu. Eine etwa 60-Jährige versichert: „Ich drück Ihnen die Daumen!“

SPD-Kandidat Tschentscher muss zuerst zum Kaffeestand

Grüne Strickmütze, gelber Schal, dunkler Mantel, so kommt Fegebank morgens um kurz nach acht zum U-Bahnhof Schlump im Bezirk Eimsbüttel. „Die Kinder haben so lange geschlafen“, sagt die Mutter von 15 Monate alten Zwillingen ihren Parteifreunden, die schon fleißig Flyer mit ihrem Konterfei verteilen. Wer nicht genau hinsieht, kann in Fegebanks Outfit die Farben Jamaikas erkennen. Der Mantel sei dunkelblau und von daher sicher keine politische Aussage, stellt eine Mitarbeiterin vor frotzelnden Journalisten klar.

Katharina Fegebank (l.) mit ihren grünen Parteifreunden Danyal Bayaz und Katrin Göring-Eckardt

Ohne Koffein geht’s bei ihr nicht: Katharina Fegebank (l.) mit ihren grünen Parteifreunden Danyal Bayaz und Katrin Göring-Eckardt besucht die Zentrale von Fritz-Kola. 

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Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Dorothee Martin weiß, wohin Tschentscher zuerst muss auf dem Wochenmarkt in Fuhlsbüttel: zum Kaffeestand. Es dauert eine Weile, bis er an seinem großen Pappbecher nippen kann. Zeit, um mit anderen Kunden ins Gespräch zu kommen. „Vertragen Sie sich mit den Grünen gut?“, fragt einer den Bürgermeister. „Eigentlich ja, aber jetzt ist Wahlkampf“, antwortet Tschentscher.

Tschentscher zeigt sich im Duell mit Fegebank ungewohnt offensiv 

Ansonsten für seine Zurückhaltung bekannt, hat sich der Bürgermeister wenige Tage zuvor im direkten Duell mit seiner Noch-Stellvertreterin ungewohnt offensiv gezeigt und die Regierungsfähigkeit der Grünen infrage gestellt. Wirklich überrascht habe sie das nicht, sagt Fegebank dazu. Sie propagiere einen anderen Politikstil. „Mein Angang ist es, Brücken zu bauen.“ Auch werde es Frauen häufig negativ ausgelegt, angriffslustig aufzutreten. „Zickig, heißt es dann oft.“ Irritiert habe sie aber, dass Tschentscher sie im Duell siezte, „weil wir uns ja vorher noch geduzt haben“.

Fegebanks Kalender ist voll von „Spika“-, „BGM2“- und „S“-Terminen, wobei Spika für Spitzenkandidatin, BGM2 für Zweite Bürgermeisterin und S für Senatorin für Wissenschaft und Gleichstellung steht. Die heiße Phase des Wahlkampfs sei für sie „Ausnahmezustand“. Aber Mutterrolle und Führungsposition dürften heutzutage kein Widerspruch mehr sein. „Dafür erhalte ich auch viel Zuspruch.“

Wahlkampf in Hamburg: Für Fegebank ist das ein „Ausnahmezustand“ 

Wie bestellt kommt in dem Moment eine junge Frau vorbei, stoppt, als sie die Zweite Bürgermeisterin unter der grünen Strickmütze erkennt: „Ich will Ihnen nur sagen, dass ich das ganz toll finde, wie Sie das alles machen mit zwei kleinen Kindern“, sagt sie und steigt in den wartenden Bus. Fegebank lacht, freut sich über das Kompliment. „Das war jetzt aber nicht abgesprochen“, versichert sie.

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Sein Treibstoff im Wahlkampf heißt Kaffee: Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD)

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Auch Tschentschers Begegnungen sind nicht abgesprochen. Im sozial schwierigen Stadtteil Billstedt fallen offene Worte. Regine Schirmer, eine 89-Jährige mit Rollator, meint, früher habe sie gern im Billstedt Center eingekauft, aber jetzt gebe es dort nur noch „diese schrecklichen Billigläden“ ausländischer Inhaber. „Wenn ich ins Einkaufszentrum komme, denke ich, ich bin in Klein-Istanbul.“

Wahlkampftermin in Hamburg: Ein Kellner hat Tschentschers Kaffee vergessen

Tschentscher sagt: „Ja, es gibt Probleme, wir müssen uns kümmern.“ Er verabschiedet sich in einem Café. Seine Fahrt zu einem weiteren Termin in Berlin muss er ohne Kaffee antreten. Der Kellner hat seine Bestellung vergessen.

Auch Fegebanks Koffeinspiegel flacht jetzt ab. Letzter Termin am Abend im Turmsaal des Rathauses – ein BGM2. In Vertretung des Bundespräsidenten überreicht sie dem früheren SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Lutz Johannsen das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse für dessen langjähriges Engagement im Kampf gegen Aids. Die Rathausdiener kredenzen Sekt, Wein, Wasser und O-Saft. Cola fehlt – die Zweite Bürgermeisterin greift zum Wasser.

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