Hamburg droht Wohnungsnot – doch die Bausenatorin schweigt
Alarmierende Daten vom Wohnungsmarkt: Genossenschaften stellen Bautätigkeit weitgehend ein, Mieten werden stark steigen. Alle diskutieren über die kommende Wohnungsnot, nur Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SDP) schweigt stille, schreibt MOPO-Kolumnist Marco Carini.
Andreas Breitner, ehemaliger schleswig-holsteinischer Innenminister und inzwischen Chef des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), malte in der vergangenen Woche mit druckreifen Parolen düstere Prognosen an die Wand. Der Wohnungsbau werde in den kommenden Jahren rapide einbrechen. Noch nie in den vergangenen 120 Jahren sei der Bau von bezahlbaren Wohnungen in Hamburg so gefährdet gewesen wie jetzt. Der Grund: Das Bauen verteuere sich derzeit so stark, dass Neubauprojekte auf Eis gelegt oder später zu Mondmieten angeboten werden müssen. Breitners Credo: „Bauen, bauen, bauen – das war gestern“.
Wohnungsnot in Hamburg: Der Bau-Boom wankt
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Alarmierende Daten vom Wohnungsmarkt: Genossenschaften stellen Bautätigkeit weitgehend ein, Mieten werden stark steigen. Alle diskutieren über die kommende Wohnungsnot, nur Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SDP) schweigt stille, schreibt MOPO-Kolumnist Marco Carini.
Andreas Breitner, ehemaliger schleswig-holsteinischer Innenminister und inzwischen Chef des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), malte in der vergangenen Woche mit druckreifen Parolen düstere Prognosen an die Wand. Der Wohnungsbau werde in den kommenden Jahren rapide einbrechen. Noch nie in den vergangenen 120 Jahren sei der Bau von bezahlbaren Wohnungen in Hamburg so gefährdet gewesen wie jetzt. Der Grund: Das Bauen verteuere sich derzeit so stark, dass Neubauprojekte auf Eis gelegt oder später zu Mondmieten angeboten werden müssen. Breitners Credo: „Bauen, bauen, bauen – das war gestern“.
Wohnungsnot in Hamburg: Der Bau-Boom wankt
Die Zahlen lieferte der Chef der VNW, in dem die Hamburger Baugenossenschaften organisiert sind, die immerhin über 46 Prozent der Hamburger Mietwohnungen – und zwar die günstigeren – verfügen, gleich mit. Begannen die VNW-Mitglieder 2019 noch mit dem Bau von 3344 Wohnungen, so sank diese Zahl coronabedingt schon 2021 auf unter 2000 Wohneinheiten. Und von den nur noch 1853 VNW-Neubauwohnungen, für die im laufenden Jahr der Grundstein gelegt werden sollte, stehen, so VNW-Chef Andreas Breitner, „rund 1200 auf der Kippe“. „Was geplant ist, wird zwar fertig gebaut, alles andere aber wird zurückgestellt“, prophezeit Breitner.
Damit ist klar: Spätestens ab 2024 werden in Hamburg bei Weitem keine 10.000 Wohneinheiten pro Jahr mehr fertiggestellt werden. Doch zum forcierten Neubau kennt die rot-grüne Senatspolitik wenig Alternativen, wenn es um die Eindämmung von Mietzuwächsen geht – sie steht mit fast leeren Händen da.
Hamburg: Wohnungsbau ist teurer
Es sind viele Faktoren, die Wohnungsneubau derzeit extrem teuer und auch unplanbar machen. Rapide ansteigende Grundstückskosten, explodierende Baukosten, galoppierende Zinsen und Lieferengpässe bei Baustoffen gehören genauso dazu wie sich ständig verschärfende Bauauflagen. Am schlimmsten sei aber, so Breitner, der von Robert Habeck (Grüne) zu verantwortende bundesweite Förderstopp für energiearmes Bauen über die KfW-Förderbank. Zumindest habe Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) versprochen, da ein wenig gegenzusteuern.
Das könnte Sie auch interessieren: Mehr Transparenz im Rathaus: Wie gläsern werden Hamburgs Abgeordnete?
Die gestiegenen Baukosten würden ohne staatliche Zuschüsse zu einer kostendeckenden Nettokaltmiete von 17 oder 18 Euro führen, hat der VNW-Chef ausgerechnet. Die VNW-Genossenschaften aber verlangen im Schnitt nur gut sieben Euro. „Da unsere Unternehmen keine großen Gewinne erzielen, kann diese Differenz kann nur durch staatliche Förderung ausgeglichen werden“, die aber eben zunehmend ausbliebe, klagt Breitner. Das heißt: Gebaut werden in Zukunft nur noch teure Luxuswohnungen. Breitner: „Das Segment, das am meisten leiden wird, ist das bezahlbare Wohnen.“
Wohnungsmarkt: Hamburg hat kaum Sozialwohnungen im Angebot
Dass das Ende des Baubooms auch bei den regierenden Sozialdemokraten angekommen ist, bewies die SPD-Abgeordnete Martina Koeppen am Mittwoch in der Bürgerschaft. Der Forderung der Linkspartei, die Einkommensgrenzen für den Anspruch auf Sozialwohnungen nach vier Jahren endlich mal wieder zu erhöhen, lehnte sie mit einer interessanten Begründung ab: Die Anhebung der Berechtigungsgrenze, die dazu führe, dass der Kreis der Menschen, die sich um eine Sozialwohnung bewerben können, nicht weiter schrumpfe, mache keinen Sinn. Denn es gebe ja ohnehin immer weniger Sozialwohnungen im Angebot. Eine Bankrotterklärung für über zehn Jahre SPD-Baupolitik, verpackt in einem Nebensatz.
Das könnte Sie auch interessieren: Stadt der Zukunft: So könnte die Mönckebergstraße bald aussehen
So debattierte mal wieder fast ganz Hamburg über einen sich verengenden Wohnungsmarkt. Da erkannte auch Peter Tschentscher, dass man weiterhin viele Wohnungen, aber im Homeoffice-Zeitalter weniger Büros brauche. Wie Hamburg aber unter erschwerten Bedingungen die Wohnungsbauzahlen stabilisieren will und wozu es als herausragendes Bauprojekt gerade den Elbtower braucht, in dem kein einziger Quadratmeter Wohnfläche vorgesehen ist, das erklärte der Bürgermeister nicht.
Auf der Liste der Wortmeldungen zum Thema künftige Neubauflaute fehlte eigentlich nur eine Person. Sie heißt Dorothee Stapelfeldt, ist SPD-Mitglied und – derzeit kaum wahrnehmbar für eine breitere Öffentlichkeit – auch Hamburgs Bausenatorin.