„Misshandelt und vergewaltigt“: Warum diese Iranerin nach Hamburg flüchtete
Vor dreieinhalb Jahren wurde Sanaz Safaie (42) in ihrem Heimatland misshandelt, vergewaltigt und unter Folter gezwungen, sich selbst als Terroristin zu bezeichnen. Unter größtem Risiko schaffte sie es, nach Hamburg zu fliehen. In der Ausstellung „Die Hand, die den Apfel nicht pflückte“ erzählt sich jetzt ihre Geschichte.
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Unter Folter wurde Sanaz Safaie in ihrem Heimatland Iran dazu gezwungen, sich selbst als Terroristin zu bezeichnen. Um ihren Willen zu brechen wurde die 42-jährige Schauspielerin misshandelt, veprügelt und mehrfach vergewaltigt. Um der Todesstrafe zu entgehen, floh sie unter größtem Risiko über die Türkei bis nach Hamburg. Hier will sie ihre Geschichte erzählen – und den iranischen Frauen eine Stimme geben.
Als „Sittenpolizei“ bezeichnet Sanaz Safaie die „Sepah“, die Armee der Wächter der Islamischen Revolution, die im Iran allgegenwärtig ist. So auch an dem Abend im Jahr 2018, als sie zusammen mit zwei Freundinnen draußen unterwegs war. Die Wächter hielten die drei Frauen an, eine der Freundinnen von Safaie würde ihr Kopftuch nicht richtig tragen. „Daraufhin fingen sie an, sie zu schlagen“, erinnert sich die 42-Jährige im Gespräch mit der MOPO. „Ich habe das Handy herausgeholt und angefangen, zu filmen.“
Ausstellung „Die Hand, die den Apfel nicht pflückte“
Als sie alle drei auf die Wache gebracht wurden, nahm man Safaie das Handy weg. Dort fanden die „Sittenwächter“ private Fotos von ihr ohne Kopftuch und – was ihr zum Verhängnis wird – das Video, auf dem zu sehen ist, wie ihre Freundinnen von den „Sepah“ auf der Straße verprügelt wurden.
Verurteilt wurde sie zunächst wegen Prostitution und falschem Benehmen. „Sie ließen mich nach dem Verhör wieder gehen und ich flog ein paar Wochen später zu einer Ausstellung nach Frankreich“, erinnert sich die 42-Jährige. „Zurück am Flughafen in Teheran wurden mir dann plötzlich meine Papiere und das Handy weggenommen. Sie nannten mir einen Termin, an dem ich wieder bei der ,Sepah‘ erscheinen sollte.“
Iranerin im Verhör misshandelt und vergewaltigt
Was dort passierte, lässt Safaie auch dreieinhalb Jahre später noch zittern, sie kämpft während der Erzählung immer wieder mit den Tränen. „Ich wurde wegen des Handy-Videos und meines Frankreich-Besuchs als Spionin und Terroristin beschuldigt. Vor Ort musste ich mich nackt ausziehen und auf den Boden knien. Während des Verhörs wurde ich verprügelt, gefoltert und mehrmals vergewaltigt.“ Auch heute habe sie immer noch wiederkehrende Albträume davon und könne nachts nicht schlafen.
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Schon lange davor war die im Iran bekannte Schauspielerin der „Sittenpolizei“ immer wieder ein Dorn im Auge gewesen. Sie war geschieden und hatte bereits mehrere Underground-Ausstellungen organisiert, bei denen Abbildungen von Frauenkörpern im Mittelpunkt standen. „Persische Frauen sind sehr stolz“, sagt sie mit fester Stimme. „Aber ihnen wird eingeredet, dass sie sich für ihren Körper schämen müssen.“
Iranische Schauspielerin Sanaz Safaie flieht bis nach Hamburg
Unter Folter unterschrieb Safaie das Geständnis, eine Spionin und Terroristin zu sein. Vor der Gerichtsverhandlung mit drohendem Todesurteil gelang es ihr aber, im Oktober 2018 mithilfe von Freunden und Bekannten aus dem Iran bis nach Hamburg zu fliehen. Fünf Wochen brauchte sie für diesen Weg – ihre Papiere musste sie zurücklassen, genauso wie ihre inzwischen 19-jährige Tochter. „Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen“, sagt sie und muss mit zitternden Händen wieder einige Tränen wegwischen.
Ihre Leidenschaft, die Schauspielerei will die 42-Jährige in Deutschland fortsetzen, hat die deutsche Sprache bereits gelernt. „Ich gebe alles dafür, um wieder auf der Bühne oder vor der Kamera zu spielen“, sagt sie. Allerdings habe sie nach den dreieinhalb Jahren immer noch keine Arbeitserlaubnis.
In der Zwischenzeit will sie unter anderem mit Kunstausstellungen auf ihre Geschichte und die Situation der Frauen im Iran aufmerksam machen. Erst vor einer Woche präsentierte sie ihre Bilder im Haus des „Christlichen Vereins Junger Menschen“ (CVJM) an der Alster. Dafür entschied sie sich für den Titel „Die Hand, die den Apfel nicht pflückte“ – eine Anlehnung auf den Sündenfall von Adam und Eva in der Bibel. „Denn selbst wenn wir Frauen überhaupt keine Sünde begehen, werden wir dafür verurteilt und bestraft“, sagt die 42-Jährige. „Besonders für unseren Körper, aber auf den können wir stolz sein.“