• Geschlossene Bars und Kneipen: Ab Montag sind viele Branchen geschlossen (Symbolbild).
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Willkürliche Lockdown-Regeln?: Wenn nur noch der Holzhammer hilft

Meinung –

„Eine Katastrophe“, rufen Hamburgs Gastronomen. „Wir sind nicht gesundheitsgefährdend“, schimpft der Kinobetreiber. „Nicht nachvollziehbar“, sagt der Theaterchef. Sie alle fühlen sich durch den neuen Lockdown ungerecht behandelt.

Ist der Lockdown, der am Montag startet, gerecht? Ist er nötig? Sind die Regeln sinnvoll? Eine dieser Fragen lässt sich leicht beantworten: Gerecht ist er nicht. Weil er alle trifft. Auch die, die sich vorher vorbildlich verhalten haben.

Corona in Hamburg: Sind die Lockdown-Regeln willkürlich?

Ist er nötig? Nun, zumindest, dass es eine harte Bremsung geben muss, ist angesichts der zuletzt dramatischen Entwicklung unstrittig.

Ist er sinnvoll konzipiert? Da wird’s haarig. Denn so richtig wissen wir immer noch nicht, wie sich das Virus genau verbreitet. Und so kann niemand genau sagen, welches der Verbote Nutzen bringt, welches vielleicht überflüssig ist.

Video: Ab Montag verschärfte Maskenpflicht an Hamburgs Schulen?

Sicher ist: Große Feiern und Treffen, ob privat oder professionell organisiert, Partys und Hochzeiten, sind Treiber der Pandemie. Auch Bars und Clubs bieten dem Virus gute Bedingungen.

Kinos verboten, Gottesdienste erlaubt? Das ergibt keinen Sinn

Über Theater, Kinos oder Restaurants gibt es keine Berichte zu größeren Infektionsketten. Es sind die Branchen, die in den letzten Monaten am meisten in Hygienekonzepte investiert haben. Warum werden sie geschlossen – und Gottesdienste erlaubt, wo es doch nachweisbar diverse religiöse Superspreader-Events, meist in Freikirchen, gab?

Im Einzelnen finden sich viele Beispiele, die an den Regeln zweifeln lassen. Warum dürfen Friseure weiter öffnen, Massagestudios aber nicht? Warum darf ich mit meinen Freunden im HVV-Bus fahren, aber nicht im Freien Fußball spielen?

Corona-Regeln: Politik hat es zu lange treiben lassen

Aber: Der Zweck, die radikale Reduktion der Infektionen, ist richtig. Und wer so viel unterbindet, wird damit vermutlich auch etwas erreichen. Es bleibt aber das Gefühl, dass das besser hätte laufen können.

Zu lange hat die Politik es treiben lassen, hat Regeln erlassen, die kaum überprüft wurden. Erst als sich das Virus wieder verbreitet hatte, wurden Bars und Clubs ernsthaft kontrolliert – mit teils erschreckenden Ergebnissen. Kontaktlisten wurden nicht ernst genommen, vielerorts wurde gefeiert, als gäbe es kein Virus.

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Jetzt zeigen viele mit dem Finger auf Gruppen oder Branchen, die angeblich schuld an der Misere sind. Die Shisha-Bars, die Urlauber, die Feiernden, die Jugendlichen, die Großfamilien, die Ignoranten. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die meisten von uns dürften selbst oft genug Regeln missachtet haben.

Corona: Der nächste Lockdown könnte schon nach Weihnachten folgen

Ob als Restaurant-Gast, der die Kontaktliste vergisst. Als Theater-Besucher, der im Foyer plötzlich dicht gedrängt mit Bekannten plaudert, als Kollege, der im Büro die Abstandsregeln missachtet. Nicht mit Absicht. Sondern weil so etwas einfach menschlich ist.

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Klar ist: Deutschland und Europa haben es vermasselt. Hatten wir die Pandemie im Sommer noch vorbildlich niedergekämpft, ist unser Kontinent jetzt das globale Epizentrum. Jetzt haben wir die Misere. Über die Folgen aber, über Regeln, über sinnvolle und unsinnige Ausnahmen, darf und muss weiter gestritten werden.

Wir alle sind es, die gefragt sind, müssen diskutieren und dazulernen. Und die Politik umso mehr. Denn auch ob dies der letzte Lockdown sein wird, weiß kein Mensch. Der nächste könnte schon nach Weihnachten folgen. Der Winter ist noch lang.

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