Wie Linke und FDP sich in Hamburg genussvoll selbst demontieren
Es heißt, je kleiner eine Partei, umso größer sei ihr „Waldschrat-Faktor“. Was bedeutet, kleine Parteien, in denen man schneller ganz nach oben kommen kann, ziehen politische Wirrköpfe und narzisstische Karrierist:innen besonders stark an und neigen deshalb zu innerparteilichen Turbulenzen. Die durchleben in Hamburg gerade FDP und Linke, neben der AfD die beiden kleinsten Player in der Bürgerschaft, die sich derzeit einer munteren Selbstbespiegelung mit Tendenz zur Selbstzerfleischung hingeben und mit dem Versprechen in die Sommerpause gehen: Fortsetzung folgt, spätestens im Herbst.
- Deutsch (Deutschland)
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Es heißt, je kleiner eine Partei, umso größer sei ihr „Waldschrat-Faktor“. Was bedeutet, kleine Parteien, in denen man schneller ganz nach oben kommen kann, ziehen politische Wirrköpfe und narzisstische Karrierist:innen besonders stark an und neigen deshalb zu innerparteilichen Turbulenzen. Die durchleben in Hamburg gerade FDP und Linke, neben der AfD die beiden kleinsten Player in der Bürgerschaft, die sich derzeit einer munteren Selbstbespiegelung mit Tendenz zur Selbstzerfleischung hingeben und mit dem Versprechen in die Sommerpause gehen: Fortsetzung folgt, spätestens im Herbst.
Beide Male geht es – wie sollte es anders sein – um innerparteiliche Macht. In der FDP begehren der talentierte Jungliberale Carl Cevin-Key Coste und einige Gefolgsleute sowie die Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein seit Wochen gegen die Führungsriege um Parteichef Michael Kruse auf, wollen damit die Landesvorstandswahl im kommenden Jahr zu ihren Gunsten beeinflussen.
FDP verliert sich in innerparteilichen Machtkämpfen
Coste wirft Kruse „innerparteilichen Machtmissbrauch“ vor und forderte – die neueste Entwicklung – in der laufenden Woche noch einmal den gesamten FDP-Landesvorstand, der stark auf Kruse-Linie liegt, zum Rücktritt auf. Der beauftragte diese Woche erst einmal die renommierte Anwaltskanzlei Manner-Spangenberg, um sich gegen eine von der FDP-Legende Gerhart Baum mitverfasste Klageschrift des Coste-Clubs zur Wehr zu setzen, schickte aber gleichzeitig einen Moderator ins Rennen, um den innerparteilichen Rechtsstreit noch abzuwenden.
Denn der könnte nicht nur das Restrenommee der Hamburger FDP komplett zerstören, sondern käme die Partei auch teuer zu stehen. So teuer, dass sie auch ihre Wahlkampf-Kassen räubern muss und damit in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken könnte.
Noch schlimmer als die FDP hat es derzeit die Hamburger Linke erwischt. Deren Landesparteichef Keyvan Taheri warf seiner Partei vergangene Woche via „Hamburger Abendblatt“ und Facebook „innerparteilichen Rassismus“ vor, vor dem er schon seit einem Jahr immer wieder gewarnt habe, aber ungehört geblieben sei. Er selbst sei mehrfach rassistisch beleidigt worden. Das Problem: Mit konkreten Belegen wartet Taheri nicht auf, Ross und Reiter nennt er nicht und so sind seine Vorwürfe eben auch nicht widerlegbar.
In der Linken schlagen Rassismus-Vorwürfe ein wie eine Bombe
Da hilft es der Partei auch nicht, dass niemand sich an die angeblichen Warnungen des Parteichefs erinnern kann und dass gerade die Hamburger Linke weit mehr „Menschen mit Migrationshintergrund“ in Führungspositionen hat als jede andere Partei: die Kurdin Cansu Özdemir, immerhin seit 2015 Fraktionsvorsitzende, den Bürgerschaftsvizepräsidenten Deniz Celik, zahlreiche Bezirkspolitiker:innen und schließlich eben Keyvan Taheri, der iranische Wurzeln hat und mit der Deutsch-Polin Zaklin Nastic den Hamburger Landesverband führt.
In der Partei, die Anti-Rassismus für ihren Markenkern und ihre Kernkompetenz zugleich hält, schlagen Rassismus-Vorwürfe ein wie eine Bombe und die Medien, denen zum Teil interne Chatverläufe aus dem Inneren der Linken zugespielt wurden, weiden sich daran, dass gerade die Partei, die so stolz auf ihren hohen Migrant:innenanteil ist, sich derzeit in einer internen Rassismusdebatte komplett zerlegt.
Mehrheit der Linken in Hamburg strebt nach Neuordnung
Was das alles mit Macht zu tun hat? Taheri hat aufgrund seiner politischen Ausrichtung und aufgrund seines Führungsstils vermutlich keinerlei Chancen auf eine Wiederwahl, gab schon bekannt, dass er im September nicht erneut für den Sprecherposten kandidieren wird. Seine politische Karriere endet damit. Und so bewerten viele Mitglieder der Linkspartei Taheris Rassismus-Kampagne als „finale Abrechnung eines enttäuschten Narzissten mit der Partei, die ihn nicht mehr liebt“.
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Denn die Mehrheit der Hamburger Linken strebt nach Neuordnung, will bei den Vorstandswahlen vom 9. bis 11. September den Einfluss der Wagenknecht-Anhänger:innen und der Liste Links, einer sektiererischen Gruppe aus dem Uni-Milieu, kleinhalten. Die Reformkräfte der Partei, die auch in der realpolitisch orientierten Bürgerschaftsfraktion klar den Hut aufhaben, haben sich zusammengeschlossen und wollen auch im Landesvorstand die klare Mehrheit gewinnen. Taheri und die überzeugte Wagenknechtin Nastic, die ebenfalls schon ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur angekündigt hat, passen da nicht ins angestrebte Machtgefüge. Bis zu ihrem September-Parteitag wird die Linke sicher noch von innerparteilichen Grabenkämpfen geschüttelt werden, danach aber könnte Ruhe eintreten. Eine Perspektive, die die FDP derzeit nicht hat.