Mann droht Hamburgerin: „Ich fick‘ dich jetzt, dann stehst du nicht mehr auf Frauen!“
Es ist nur ein Satz, der die Situation in der Bar auf St. Pauli eskalieren lässt: „Ich stehe auf Frauen.“ Ein Mann packt Luisa K. am Hals und droht ihr mit Vergewaltigung. Die 27-Jährige kann sich wehren, aber das Erlebnis verändert sie. Und Luisa ist kein Einzelfall. Die Zahl der homophoben Übergriffe ist in Hamburg stark gestiegen.
Luisa K. ist mit ein paar Freunden auf dem Kiez unterwegs. Im „Quer Club“ auf dem Hans-Albers-Platz (St. Pauli) geht es feuchtfröhlich zu, alle wollen tanzen, feiern, flirten. Ein knapp zwei Meter großer Berg von Mann, strotzend vor Muskeln und zur Schau getragener Maskulinität, kommt auf sie zu und spricht sie an: Ob sie mit ihm etwas trinken wolle? „Können wir machen“, antwortet Luisa. „Aber um es gleich zu sagen, ich habe kein weiteres Interesse, ich stehe auf Frauen.“ Mehr braucht es nicht, um den Muskelberg in einen Vulkan zu verwandeln.
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Es ist nur ein Satz, der die Situation in der Bar auf St. Pauli eskalieren lässt: „Ich stehe auf Frauen.“ Ein Mann packt Luisa K. am Hals und droht ihr mit Vergewaltigung. Die 27-Jährige kann sich wehren, aber das Erlebnis verändert sie. Und Luisa ist kein Einzelfall. Die Zahl der homophoben Übergriffe ist in Hamburg stark gestiegen.
Luisa K. ist mit ein paar Freunden auf dem Kiez unterwegs. Im „Quer Club“ auf dem Hans-Albers-Platz (St. Pauli) geht es feuchtfröhlich zu, alle wollen tanzen, feiern, flirten. Ein knapp zwei Meter großer Berg von Mann, strotzend vor Muskeln und zur Schau getragener Maskulinität, kommt auf sie zu und spricht sie an: Ob sie mit ihm etwas trinken wolle? „Können wir machen“, antwortet Luisa. „Aber um es gleich zu sagen, ich habe kein weiteres Interesse, ich stehe auf Frauen.“ Mehr braucht es nicht, um den Muskelberg in einen Vulkan zu verwandeln.
Hamburg: Mann packt 27-Jährige am Hals und droht ihr
„Du Kampflesbe! Was machst du dann hier? Warum gehst du nicht in einen dieser Homo-Schuppen?“, schreit er sie an. Luisa gelingt die Flucht – vorläufig. Als sie wenig später auf dem Weg zur Toilette des Clubs ist, folgt ihr der wütende Mann. Er packt sie am Hals und presst sie gegen die Wand. „Ich fick‘ dich jetzt, dann stehst du nicht mehr auf Frauen!“
Er will mit ihr weiter Richtung Klo, sie zu einer „richtigen Frau machen“, wie er sagt. Doch Luisa holt mit der Hand aus, trifft ihn im Gesicht. Er lässt sie los, läuft zum Türsteher und jammert: „Die Kampflesbe hat mich verprügelt“. Luisa geht hin, um die Situation aufzuklären. Beide verlassen den Club, der Türsteher versucht, ihr, nachdem er die Geschichte gehört hat, zu helfen und den Angreifer abzugreifen. Doch der ist bereits über alle Berge.
Luisa könnte die Polizei anrufen, eine Anzeige gegen Unbekannt aufgeben. Sie macht es nicht. Es bringe doch eh nichts, man würde ihn nicht finden, sagt sie. Luisa ist damit keine Ausnahme. Laut einer Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte aus dem Jahr 2020 sollen fast 90 Prozent der Straftaten gegen LSBTI* (Lesben, Schwule, bisexuelle, transgender und intergeschlechtliche Menschen) nicht angezeigt worden sein.
Hamburger Polizei: Von 2020 auf 2021 stieg die Zahl der Straftaten gegen sexuelle Orientierung
Der Hamburger Polizei ist das Problem bewusst. 2016 haben sie deshalb zwei hauptamtliche Ansprechpartner für LSBTI* benannt. Sie sollen es betroffenen Menschen leichter machen, die Übergriffe zu melden. „Wir ermutigen Betroffene und Zeugen ausdrücklich, die Taten zur Anzeige zu bringen“, sagt Nina Kaluza, Sprecherin der Polizei.
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30 Taten wurden in Hamburg 2020 registriert, sechs davon waren Gewaltdelikte. Im vergangenen Jahr gab es 67 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Orientierung – eine Verdopplung innerhalb eines Jahres. Der Anstieg habe unter anderem mit zwei größeren Fall-Komplexen zu tun, erklärt Kaluza. In einem Komplex wurden sieben Taten registriert, bei denen eine Person nach dem Outing von verschiedenen Familienmitgliedern verbal und körperlich angegriffen wurde und das verspätet zur Anzeige gebracht hat.
Der zweite Komplex umfasst sechs Fälle, in denen zwei Beschuldigte im Bereich des Stadtparks verschiedene Straftaten gegen Homosexuelle begangen haben. Bei öffentlichen Kundgebungen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe kamen drei weitere Straftaten hinzu. Die steigenden Zahlen dürften jedoch auch im Zusammenhang mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Sensibilisierung im Rahmen des Gesetzes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität stehen, zu der auch homo- und transfeindliche Gewalt zählt. In diesem Jahr wurden bis Mitte Juli 13 Straftaten mit sieben Beschuldigten registriert. Sechs Ermittlungsverfahren laufen.
Homophober Übergriff: Luisa hat die Tat nicht angezeigt
Die Erfahrung im Club hat Luisa verändert. „Heute sage ich in solchen Situationen nicht mehr, dass ich auf Frauen stehe“, erzählt Luisa. Stattdessen erfindet sie Geschichten von ihrem angeblichen Freund, um aufdringliche Männer abzuwimmeln. Doch sie kann nicht jeder brenzligen oder unangenehmen Situation ausweichen. In einer vollen Bahn hätten sich zwei Männer einmal demonstrativ vor sie und ihre Freundin gesetzt und solange hemmungslos gestarrt, bis die beiden Frauen ausgestiegen seien. Ein anderes Mal küsste sie ihre Freundin öffentlich, und eine Gruppe Kegelabend-Männer fing an zu johlen.
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Luisa hat dennoch das Gefühl, die Gesellschaft bewege sich zumindest in die richtige Richtung. Man müsse die Menschen jedoch immer weiter für das Thema sensibilisieren – auch mit Blick auf intime Fragen. „Immer wieder fragen mich Leute, wie ich denn mit einer Frau überhaupt Sex haben könne. Das gehe praktisch doch gar nicht“, berichtet Luisa. Wenn sie dann zurückfragt, wie sie als heterosexuelles Paar es denn im Bett so machen, sei die Antwort immer: Das sei privat und die Frage zu intim. „Das ist es bei mir doch genauso“, stellt Luisa klar.