Lange Schlangen, lange Gesichter: Das Feier-Problem auf dem Kiez
Das Ende des Kiezbummels? Statt wie früher spontan von Club zu Club zu wechseln, bleiben die Feiernden nach stundenlangem Anstehen oft am gleichen Ort, wie sich am Wochenende wieder zeigte. Aber nicht nur Corona drückt heftig auf die Stimmung.
Das Ende des Kiezbummels? Statt wie früher spontan von Club zu Club zu wechseln, bleiben die Feiernden nach stundenlangem Anstehen oft am gleichen Ort, wie sich am Wochenende wieder zeigte. Aber nicht nur Corona drückt heftig auf die Stimmung.
Hans-Albers-Platz auf St. Pauli, nachts um halb eins: Vor Corona war es hier brechend voll, davon kann an diesem Wochenende keine Rede sein. Wer fehlt, sind die Touristen aus dem Ausland, nur vereinzelt finden sich einige Engländer und Skandinavier. Und die traditionellen Junggesellenabschiede? Jeder verdrehte die Augen über die lauten Gruppen, jetzt vermisst man die Männer in Tutus und die aufgekratzten Bräute mit ihren Bauchläden irgendwie. Viele Menschen sind mit der Hochzeitsplanung zurückhaltend gewesen.
St. Pauli: Weniger Feiernde auf dem Kiez unterwegs
Auch die Veranstalter sind noch vorsichtig. Derzeit treten fast keine Künstler auf, zu groß war die Unsicherheit in den vergangenen Monaten. Dazu kommt: Die Inzidenz liegt in Hamburg schon wieder deutlich über 1000 – das verdirbt die Feierlaune auf St. Pauli. Ein MOPO-Reporter über die gebremste Stimmung vor Ort: „Wie an einem kalten Januartag.“
In der Großen Freiheit schien das auf den ersten Blick nicht der Fall: Menschentrauben schoben sich durch die Nacht. Klassisch ist hier ein etwas jüngeres Publikum unterwegs, als am Hans-Albers-Platz. Allerdings hat die Dynamik deutlich abgenommen: Die vielen Menschen, das sind hauptsächlich lange Warteschlangen, die sich vor dem „Halo“ oder „Noho“ bilden. Schuld daran sind die 2G-Plus-Regelungen, die aufwendig kontrolliert werden.
St. Pauli: Viele Feiernde bleiben in einem Club
Sind die Feiernden dann endlich im Club angekommen, bleiben sie dort auch. Der MOPO-Reporter: „Das klassische Kiez-Bummeln gibt es so gut wie gar nicht mehr.“ Von wegen „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, amüsierst du dich…“. Schon gegen 2 Uhr nachts liegt die Partymeile fast ausgestorben da.
Schuld daran ist auch, dass viele Gastro-Betriebe auf dem Kiez trotz der aufgehobenen Sperrstunde nur eingeschränkt öffnen: Hier sind allerdings nicht die fehlenden Gäste das Problem, sondern das Personal. Viele Mitarbeiter haben sich in den zwei Corona-Jahren andere Jobs gesucht, immer mehr sind in Quarantäne. Mit der Kampagne „Seitenwechseln“, initiiert von Kiez-Legende und Dragqueen Olivia Jones wird jetzt verzweifelt Verstärkung gesucht.
Corona-Pandemie hat den Kiez deutlich verändert
Personalmangel, Corona-Kontrollen, hohe Inzidenzen, Schließungen und Sperrstunden – Corona hat den Kiez deutlich mitgenommen. Dazu kommt jetzt noch ein weiterer Faktor: Der Angriffskrieg auf die Ukraine. Vor drei Wochen marschierten russische Truppen auf Befehl von Wladimir Putins in die Ukraine ein und sind seitdem verantwortlich für den Tod tausender Menschen und die Flucht von rund drei Millionen Ukrainern – viele davon sind inzwischen in Hamburg angekommen. Es zeigt sich, dass diese Kriegsnachrichten den Feiernden deutlich mehr auf die Stimmung drücken als vergangene Krisengeschichten. Aufgrund der gestiegenen Energie- und Spritkosten sind viele Menschen zudem nicht mehr so spendabel – Service-Mitarbeiter berichten von wenig bis gar keinem Trinkgeld.
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Insgesamt waren laut der Polizei am Freitag circa 16.000 Personen auf dem Kiez unterwegs, am Samstag noch einmal 19.000. Zum Vergleich: Vor der Pandemie tummelten sich dort an beiden Tagen jeweils um die 40.000 Menschen. Am 2. April will Hamburg die Corona-Regeln weiter lockern – ob das die Clubs betrifft, ist aber noch unklar.