Krasse Erhöhung im Vorzeige-Viertel: Wie die Kirche Mieter ausquetscht
Als sie die Post vom Vermieter öffnete, war Eva R. (58) absolut geschockt: Die Medizinerin soll 15,5 Prozent mehr Miete für ihre Wohnung in der Neuen Mitte Altona zahlen. Damit ist sie nicht allein, weitere 41 Mieter in den Kranbauten im Viertel sind betroffen. Wie der kirchennahe Vermieter das rechtfertigt und was der Mieterverein den Betroffenen rät.
Als sie die Post vom Vermieter öffnete, war Eva R. (58) absolut geschockt: Die Medizinerin soll 15,5 Prozent mehr Miete für ihre Wohnung in der Neuen Mitte Altona zahlen. Damit ist sie nicht allein, weitere 41 Mieter in den Kranbauten im neuen Vorzeige-Viertel sind betroffen. Dahinter steht ausgerechnet ein kirchlicher Vermieter. Möglich macht es die “Indexmiete” – und von der sind immer mehr Mieter betroffen. Mietervereine warnen bereits vor einer gefährlichen Entwicklung, die die Kosten für alle Mieter hochtreibt.
Vor drei Jahren war Eva R. in die nagelneue Wohnung in der Felicitas-Kukuck-Straße eingezogen, vorher wohnte sie in Othmarschen. Dass sie einen Indexmietvertrag unterschrieb, wusste sie zwar, machte sich dazu aber weiter keine Gedanken. Denn Indexmieten werden laut Mieterverein mittlerweile bei jedem zweiten neuen Vertrag vorgelegt. „Dass ich am Ende aber mit einer solchen Summe rechnen muss, das hatte ich nicht erwartet.“
So muss R. in Zukunft 317 Euro monatlich mehr zahlen. Denn Indexmieten richten sich nach dem Verbraucherpreisindex und bei der aktuell starken Inflation kommen da schnell hohe Summen zusammen. Bei Eva R. lag der Index beim Einzug (Dezember 2019) bei 105,8 Punkten und im Oktober 2022 lag er dann bei 122,2 Punkten. Eine Steigerung um 16,4 Punkte, die auf eine Prozentzahl umgerechnet eine Steigerung von 15,5 Prozent entspricht, die nun auf die Miete aufgeschlagen werden darf.
Neue Mitte Altona: Wohnungen in Hamburg mit Indexmiete
Die ohnehin teure Wohnung (115 Quadratmeter) kostet nun monatlich statt 1914 Euro dann 2210 Euro. Selbst der Tiefgaragenplatz ist teurer geworden und steigt von 130 auf 150 Euro. „Natürlich darf ich mich nicht über eine Indexmiete beschweren, wenn ich den Vertrag unterschreibe“, sagt die Medizinerin. „Aber wieso erhöht der Vermieter gleich um das maximal mögliche?“ Sie sieht das als absolute Profitgier.
Da die Juristen vom Mieterverein ihr keine Hoffnung machen konnten, irgendwie dagegen anzugehen, zieht Eva R. nun aus. „Seit mein Sohn hier nicht mehr wohnt, ist die Wohnung eh zu groß“, sagt sie. Viele weitere Mieter wollen nun offenbar ebenfalls wegziehen, weil sie die höheren Mieten nicht zahlen können.
Vermieter ist ausgerechnet die Aachener Grundvermögen, die sich um Immobilien-Anlagen der katholischen und evangelischen Kirche kümmert. Auf Anfrage der MOPO begründet Aachener-Sprecherin Sonja Nees den Schritt so: „Die Steigerung der Verbraucherpreise betrifft nicht nur Privatpersonen, sondern auch unsere Anleger.“
Aachener Grundvermögen: „Anleger haben höhere Kosten“
Als Unternehmen müsse die Aachener Grundvermögen abwägen zwischen der Verantwortung für das Vermögen der Anleger und dem ethisch-moralischen Leitbild, urbanen Wohnraum für verschiedene Bedürfnisse und Einkommen bereitzustellen. Nees: „Knapp 60 Prozent der fast 650 Wohnungen, die in verschiedenen Fonds in Hamburg investiert sind, sind mietpreisgebunden.“
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Der Mieterverein zu Hamburg kritisiert diese Mieterhöhung scharf, kann aber wenig dagegen tun. „Der Vermieter darf die Miete so stark erhöhen, wenn der Lebenshaltungsindex das zulässt“, sagt Rolf Bosse, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg. Ist der Index über Jahre gestiegen, so darf der Vermieter das auch wie in diesem Fall nachträglich für mehrere Jahre zusammenrechnen.
Stadt Hamburg will Deckel für Indexmieten
So kann der Vermieter rückblickend bis zur letzten vorangegangenen Mieterhöhung die Indexzahlen zusammenrechnen. Oder wie in diesem Fall zurückgehend bis zum Einzug im Jahr 2019. Und leider greift laut Mieterverein auch der Mietendeckel hier nicht, es dürfte auch mehr als 15 Prozent erhöht werden, wenn der Index stärker klettert. Und das tat er zuletzt.
Der Hamburger Senat sieht die Indexmiete ebenfalls kritisch und hat Ende 2022 auf Bundesratsebene einen Gesetzesvorstoß initiiert. Er sieht eine Deckelung vor, so dass die Indexmiete maximal um 3,5 Prozent pro Jahr erhöht werden darf. Dann dürften im Fall von Eva R. dann 10,5 Prozent statt 15,5 Prozent mehr genommen werden.
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Insgesamt schätzt der Mieterverein die Zahl der Verträge mit Indexmiete in Hamburg auf 90.000, Tendenz steigend. Jährlich würden etwa 12.000 indexierte Neuverträge dazukommen. Bei der SAGA und den Genossenschaften gibt es keine Indexmietverträge. Bosse: „Indexmieten sind auch deshalb fatal, weil sie den Mietenspiegel in die Höhe treiben.“