Kein Platz für Arme: Kirchlicher Vermieter lehnt „Leistungsbezieher“ ab
„Bitte beachten Sie, dass wir Mieter bevorzugen, die ihren Lebensunterhalt eigenständig bestreiten“: Eine Hamburger Maklerfirma sollte im Auftrag eines Aachener Immobilienunternehmens in Hammerbrook Wohnungen vergeben. Aber nicht jeder Mieter war scheinbar willkommen. Und das, obwohl es sich beim Vermieter um ein kirchliches Unternehmen handelt!
Mehrere Mails gingen hin und her, irgendwann wurde der Ton dann immer genervter: „Die Anzahl der Empfänger irgendwelcher Leistungen in der letzten Woche war hoch. Bitte achten Sie darauf, dass wir keine Leistungsempfänger erhalten.“ Im Klartext: Arme Leute nicht willkommen!
Verfasst haben soll diese Anweisung eine kirchliche Kapitalverwaltung aus Aachen, die ein milliardenschweres Vermögen aus Fonds und Immobilien in ganz Deutschland verwaltet. Ausgerechnet so ein Unternehmen will geförderte Wohnungen nicht an Sozialhilfeempfänger vermieten? Das zumindest legen Nachrichten nahe, die eine Hamburger Maklerfirma mit dem Unternehmen ausgetauscht haben soll.
Eine kirchliche Kapitalverwaltung, die ein milliardenschweres Vermögen aus Fonds und Immobilien in ganz Deutschland verwaltet, aber geförderte Wohnungen nicht an Sozialhilfeempfänger vermieten will? Was eine Hamburger Maklerfirma mit dem Unternehmen „Aachener Grundvermögen“ erlebte, klingt unglaublich.
„Grundsätzlich wollen wir keine Leistungsbezieher“, steht in der Mail, die der Sachbearbeiter der kirchlichen Vermögensverwaltung im Mai 2019 an die Hamburger Maklerfirma schickte: „Wir behalten uns vor, ähnliche Kandidaten zukünftig abzulehnen.“
Damals ging es um das Neubauprojekt „Sonninpark“ in Hammerbrook, mit 800 Wohneinheiten. Die 248 geförderten Wohnungen hatte die „Aachener Grundvermögen“ gekauft. Die Kapitalverwaltung ist eine hundertprozentige Tochter der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft, die wiederum mehreren Bistümern, etwa den Erzbistümern Köln und Paderborn, gehört.
„Aachener Grund“: Leistungsempfänger als Mieter unerwünscht?
Der MOPO wurden mehrere Mails aus dem Mai 2019 zugespielt, aus denen auch hervorgeht, wie die Maklerfirma beinahe flehentlich für die Vermietung an Sozialhilfeempfänger wirbt („Wir sollten einem jungen Ehepaar eine Chance geben, sich wieder in die Arbeitswelt zu integrieren und am normalen Leben teilzuhaben“).
Der Mitarbeiter der katholischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Köln gibt jedoch klare Vorgaben: „Bitte beachten Sie, dass wir Mieter bevorzugen, die ihren Lebensunterhalt eigenständig bestreiten“, heißt es. Der Ton wird genervt: „Die Anzahl der Empfänger irgendwelcher Leistungen in der letzten Woche war hoch. Bitte achten Sie darauf, dass wir keine Leistungsempfänger erhalten.“
„Empfänger irgendwelcher Leistungen“? Was sagt der Makler zu so unchristlicher Wortwahl? Der will seinen Namen nicht veröffentlicht wissen, äußert im Gespräch mit der MOPO aber Unverständnis: „Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet ein Vermieter mit kirchlichem Hintergrund unsere Mitarbeiter darauf hinweist, dass sie gefälligst keine Leistungsempfänger vorschlagen sollen. Die Kirche ist doch selbst ein Leistungsempfänger.“
Das sagt die kirchliche Vermögensverwaltung zu der Kritik
Die „Aachener Grundvermögen“ spricht auf MOPO-Nachfrage von einem „Missverständnis“: Der Sachbearbeiter habe die Maklerfirma nur darauf hingewiesen, bei der Vermietung der Wohnungen auf eine gute soziale Durchmischung zu achten.
Hat die beauftragte Maklerfirma vielleicht zu viele Hartz-IV-Empfänger vorgeschlagen? Da reagiert der Makler sauer: „Das klingt ja so, als würden Leistungsempfänger grundsätzlich Probleme machen. Wir gucken uns jeden Bewerber an, achten auf einen guten Mix, und wo soll eine alleinerziehende Mutter mit Leistungsbezug denn wohnen, wenn nicht in einer geförderten Wohnung?“
Die Sprecherin der katholischen Vermögensverwaltung betont indes: „Wir achten in all unseren Wohnobjekten auf eine diversifizierte Mieterstruktur und fördern diese auch explizit.“ Auch im „Sonninpark“ habe man bis zu 30 Prozent der Wohnungen an Leistungsempfänger vermietet. Der Makler schüttelt darüber den Kopf. Das treffe nicht zu.
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650 Wohnungen besitzt die „Aachener Grund“ in Hamburg, etwa in der Neuen Mitte Altona, davon 60 Prozent mit gedeckelter Miete. Auch jenseits des Wohnungsmarktes mischt die katholische Kirche mit ihrem Vermögen auf dem Hamburger Immobilienmarkt mit: Erst kürzlich kaufte die „Aachener Grund“ eine Immobilie mit 186 Luxusapartments für reiche Senioren im Überseequartier (Hafencity). Außerdem gehören der Gesellschaft zwei Pflegeheime in Hamburg. Investitionsschwerpunkt aber sind „erstklassige Einzelhandelsimmobilien in innerstädtischen Top-Lagen“.
Im Jahr 2013, im Zuge des Finanzskandals um den Limburger Bischof, wurde der Geschäftsführer der „Aachener Grund“ gefragt, ob die Kirche zu reich sei. Seine Antwort im Kirchenportal katholisch.de: „Gemessen an ihren Aufgaben und Verpflichtungen ist die Kirche in Deutschland nicht reich.“ Laut Wikipedia verwaltete die „Aachener Grund“ Anfang 2021 in mehreren Immobilienfonds ein Volumen von 7,1 Milliarden Euro.