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MIETENmove-teilnehmerin hält ein schild hochh
  • Mietervereine und -initiativen sprechen vom „Mietenwahnsinn“ der vergangenen Jahre.
  • Foto: dpa

Irre Mieten in Hamburg: Sind die Mieter wirklich selbst schuld?

Es ist eine provokante These, die der CDU-Immobilienexperte Sven Hielscher in der MOPO aufgestellt hat: Mieter tragen eine Mitschuld an den explodierenden Mieten, weil sie auch absurd hohe Forderungen klaglos akzeptieren. Sylvia Sonnemann, Juristin vom Verein „Mieter helfen Mietern“, sieht das etwas anders, aber auch sie ermuntert dazu, sich gegen dreiste Eigentümer zu wehren.

„Selbst Schuld hätten die Mieter nur, wenn sie eine Wahl haben und sich freiwillig für die teure Wohnung entscheiden“, sagt die Mietrechtsexpertin im Gespräch mit der MOPO. „Wer ein teures Auto kauft, ist selbst Schuld, aber bei Wohnungen gibt es diese Auswahl derzeit nicht.“

Sind Mieter selbst Schuld an hohen Mieten in Hamburg?

Der Markt ist leergefegt, selbst Wohnungsanzeigen, die einem ein ungläubiges Lachen entlocken, sind nach wenigen Tagen aus den Portalen verschwunden, weil sich jemand gefunden hat, der verzweifelt genug ist, den Fantasiepreis weit über dem Mietenspiegel zu berappen.

Sylvia Sonnemann, Mietrechtsexpertin vom Verein „Mieter helfen Mietern“ Florian Quandt
Sylvia Sonnemann
Sylvia Sonnemann, Mietrechtsexpertin vom Verein „Mieter helfen Mietern“

Das deckt sich mit der Beobachtung der Juristin: Viele Menschen gehen, entnervt nach langer Suche, bei der Miete an ihre absolute Schmerzgrenze, um überhaupt eine Chance auf eine Bleibe zu haben und denken dann: „Ich habe den Vertrag unterschrieben, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich bin ja selbst Schuld.“


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Sylvia Sonnemann: „Das ist aber nicht so. Die Mietpreisbremse wurde ja eingeführt, weil Vermieter die Marktlage unzulässig ausnutzen. Man kann eine überhöhte Miete auch im Nachhinein rügen. Das muss einem nicht peinlich sein und man muss sich dann auch nicht undankbar fühlen.“ 

Als überhöht gilt eine Miete, die mehr als zehn Prozent über dem Mietenspiegel liegt: „Ein Mietvertrag für ein 50er-Jahre-Mehrfamilienhaus mit einer zweistelligen Nettokaltmiete pro Quadratmeter ist auf jeden Fall verdächtig.“ Mieter, die aus der Not heraus einen zu teuren Vertrag unterzeichnet haben, müssen sich nicht als Einzelfälle fühlen, so die Expertin: „Schätzungsweise 60 Prozent der neuabgeschlossenen Mietverträge in Hamburg sind zumindest Verdachtsfälle.“

Hamburg: Viele neue Mietverträge sind zu hoch

Die Mietpreisbremse gilt für alle Mietverträge, die ab 2018 abgeschlossen wurden. Sie wurde sogar noch verschärft: Für Mietverträge, die ab dem 1. April 2020 geschlossen wurden, gilt, dass Rückzahlungen bis zu 30 Monate rückwirkend geltend gemacht werden können. 

Ausgenommen von der Bremse sind Neubauten, die nach Oktober 2014 erstmals vermietet wurden, wozu auch das Wohnhaus „The Corner Ottensen“ zählt. Aktuell in der Vermarktung: ein 106-Quadratmeter-Penthouse für 2300 Euro kalt.

Das Eckgebäude „Ottensen Corner“ an der Großen Brunnenstraße. Florian Quandt
Neubau Eckgebäude Ottensen
Das Eckgebäude „The Corner Ottensen“ an der Großen Brunnenstraße/Ecke Donnerstraße.

Aber auch für solche Luxusbuden mit aufgeblasenen Eigennamen im Szenequartier gilt, was für alle neu abgeschlossenen Mietverträge gilt: Wenn die Miete zehn Prozent über dem Mietenspiegel liegt, muss der Grund dafür zwingend im Vertrag festgehalten sein. Als Gründe gelten: Neubau, Sanierung auf Neubau-Niveau oder eine Vormiete, die bereits deutlich über dem Mietenspiegel lag.

Mietpreisbremse in Hamburg

Selbst wer in eine teure Neubauwohnung zieht, hat durchaus Chancen, die Miete auf maximal zehn Prozent über den Mietenspiegel zu drücken, sofern im Mietvertrag der gesetzlich vorgeschriebene Hinweis fehlt, warum die Mietpreisbremse für diese Wohnung nicht gilt.

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Wer seinen Vertrag unverbindlich überprüfen lassen will, findet auf der Seite von Mieter helfen Mietern einen „Mietpreis-Check“. Auch Nicht-Mitglieder können sich dort eine Auskunft holen.

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