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  • Ein Autofahrer macht sich in Cuxhaven an seinem VW Käfer zu schaffen, der im Schnee stecken geblieben ist. Aufgenommen Silvester 1978.
  • Foto: dpa

Vor 42 Jahren: 17 Menschen starben! So kam es zum Winter-Chaos in Norddeutschland

Vor 42 Jahren starben bei der größten Schneekatastrophe in der Geschichte Norddeutschlands 17 Menschen: Es ist der 28. Dezember 1978, als innerhalb kürzester Zeit das Thermometer um 20 Grad sinkt. Regen verwandelt sich blitzschnell in Schnee. 90 Stunden lang geht das so – Dörfer werden von der Außenwelt abgeschnitten.

Zunächst deutet nichts darauf hin, was für ein Unwetter den Menschen zwischen Nord- und Ostsee droht. Die Meteorologen warnen zwar vor einer Sturmflut an der Ostsee, erkennen aber nicht, dass sich noch viel Schlimmeres zusammenbraut: Bis zu minus 47 Grad kalte Luftmassen aus dem Osten treffen über Schleswig-Holstein auf feuchtwarme Atlantikluft.

Dutzende von Ortschaften in Schleswig-Holstein waren von der Außenwelt abgeschnitten.

Dutzende von Ortschaften in Schleswig-Holstein waren von der Außenwelt abgeschnitten.

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dpa

Winter 1978/1979 im Norden: Das totale Schnee-Chaos 

Mit Regen geht es los. Der gefriert dann sofort auf den Straßen und auf den Freileitungen. Nach kurzer Zeit bildet sich rund um die Stromkabel ein Eispanzer von 30 Zentimetern Durchmesser. Die Last ist zentnerschwer. Und weil gleichzeitig der Sturm an den Kabeln zerrt, hält der Draht der Belastung nicht stand. In weiten Teilen Schleswig-Holsteins fällt der Strom aus. Auch Telefone gehen nicht mehr. Und es ist bitterkalt: minus 14 Grad bei Tage.

Total eingeschneit: Verkehrsschilder gucken oben aus der Schneedecke.

Total eingeschneit: Verkehrsschilder gucken oben aus der Schneedecke.

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dpa

Als Nächstes kommt der Schnee. Flensburg, Schleswig, Husum, Fehmarn und an die 100 kleinere Orte in Schleswig-Holstein sind von der Außenwelt abgeschnitten. Der Verkehr bricht zusammen, sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene. Auf Bundesstraßen und Autobahnen bleiben 500 Menschen mit ihren Autos liegen.

Zwei Spaziergänger mit Schutzhelmen am 2. Januar 1979 auf der vereisten Elbe

Zwei Spaziergänger mit Schutzhelmen am 2. Januar 1979 auf der vereisten Elbe

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dpa

Besonders schlimm ist es auf dem platten Land: Höfe sind bis zum Dachfirst eingeschneit, die Bewohner darin gefangen. Hochschwangere werden mit Hubschraubern in Krankenhäuser gebracht. In den Ställen kollabieren Schweine. Kühe, die an die Maschine gewöhnt sind und sich nicht mehr mit der Hand melken lassen, schreien vor Schmerzen.

Winter-Chaos: Soldaten kämpfen sich mit Bergepanzern durch

Natürlich passieren auch kuriose Dinge: So erhält ein Trupp Soldaten den Auftrag, sich mit Bergepanzern und Mannschaftswagen bis nach Steinbergkirche (Kreis Schleswig-Flensburg) durchzukämpfen, um 25 Ärzte aus dem Schnee zu befreien: Sie haben dort Polterabend gefeiert und sind dabei vom Schnee eingeschlossen. Jetzt werden sie dringend in ihren Praxen gebraucht.

In Harburg wird der 54-jährige Arbeiter Paul N. erfroren aufgefunden. Ein 45-jähriger Bauarbeiter aus Hemmoor erfriert auf seinem Trecker, der im Schnee stecken bleibt. Am Stadtrand von Kiel erfrieren drei Personen im Schnee. Besonders tragisch ist die Geschichte, die sich Silvesternacht bei Lütjenburg (Kreis Plön) abspielt: Ein 38-jähriger Vater und seine Söhne (12 und 15) verlaufen sich. Der Vater baut eine Schneehöhle, in der die drei die Nacht überstehen. Am nächsten Morgen bricht der Mann mit seinem älteren Sohn auf, um Hilfe zu holen. Den Zwölfjährigen lässt er zurück, er ist zu schwach. Als die Feuerwehr den Jungen holen will, ist er bereits erfroren.

Februar 1979: Drei Meter hoher Schnee in Hamburg

Ein Unwetter dieser Art hat es bis dahin noch nicht gegeben. Umso bemerkenswerter, dass es sich bereits sechs Wochen später, ab dem 13. Februar 1979, fast identisch wiederholt. Die Stadt Hamburg – beim ersten Mal noch glimpflich davongekommen – erwischt es diesmal richtig. Es gibt in der Stadt Schneeverwehungen von bis zu drei Metern Höhe. Vor solchen Massen müssen Bahnen, Busse und Autos kapitulieren. An manchen Kreuzungen guckt gerade noch das Straßenschild raus. Rechts und links der Fußwege türmen sich Schneeberge. Von den geparkten Autos am Straßenrand ist nichts mehr zu sehen.

Was Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) das größte Verkehrschaos seit dem Ende des Krieges nennt, ist für Kinder ein Riesenspaß. Sie haben schulfrei und genießen die weiße Pracht. „Ich war sieben und ich weiß noch, dass wir uns Bobbahnen gebaut haben und die Schneeberge hinuntergerodelt sind“, erzählt die Eimsbütteler Friseurin Maja Perez. „Wenn meine Oma zum Einkaufen ging, nahm sie nicht wie sonst den ,Hackenporsche‘, um die Lebensmittel zu transportieren, sondern einen Schlitten. Anders kam sie nicht voran. Ja, das war wirklich ein irrer Winter.“

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