Wie diese Gehörlose sich durchgekämpft hat – und in Hamburg Busfahrerin wurde
Nicole Dieringer ist eine echte Kämpferin. Mit drei Jahren stellten die Ärzte fest, dass sie etwas schwerhörig ist. Heute ist die 40-Jährige auf einem Ohr komplett taub, auf dem anderen hat sie nur noch eine Hörleistung von fünf Prozent. Für sie war aber klar, dass sie unabhängig sein und auf eigenen Beinen stehen will. Doch im Berufsleben warf man immer wieder Steine in den Weg, wollte ihr keine Chance geben. Erst vor einem Jahr fand sie ihren Traumjob – als Busfahrerin.
„Ich wollte nie einen Sonderstatus bekommen, nur weil ich gehörlos bin“, sagt die zweifache Mutter. „Meine Aussprache ist zwar ein wenig anders, aber ansonsten unterscheide ich mich nicht von den anderen Menschen.“
Nicole Dieringer ist eine echte Kämpferin. Mit drei Jahren stellten die Ärzte fest, dass sie etwas schwerhörig ist. Heute ist die 40-Jährige auf einem Ohr komplett taub, auf dem anderen hat sie nur noch eine Hörleistung von fünf Prozent. Für sie war aber klar, dass sie unabhängig sein und auf eigenen Beinen stehen will. Doch im Berufsleben warf man immer wieder Steine in den Weg, wollte ihr keine Chance geben. Erst vor einem Jahr fand sie ihren Traumjob – als Busfahrerin.
„Ich wollte nie einen Sonderstatus bekommen, nur weil ich gehörlos bin“, sagt die zweifache Mutter. „Meine Aussprache ist zwar ein wenig anders, aber ansonsten unterscheide ich mich nicht von den anderen Menschen.“
Seit einem Jahr ist sie jetzt als Busfahrerin auf Hamburgs Straßen unterwegs und sammelt die wartenden Fahrgäste ein.
Gehörlos als Busfahrerin bei den VHH: So läuft es im Alltag
„In der Regel verstehe ich alle Fahrgäste, sollte das einmal nicht der Fall sein, bitte ich sie, die Maske herunterzuziehen, dann kann ich von ihren Lippen ablesen“, erzählt sie. Die Reaktionen seien bis jetzt immer verständnisvoll gewesen, keiner hätte ihr daraus einen Vorwurf gemacht. Die meisten bemerkten ihre Gehörlosigkeit nicht einmal.

Auch in der Kommunikation mit der Leiststelle gäbe es keine Probleme, zur Not wiederholten diese das Gesagte. Die Kontaktaufnahme dorthin ist zum Beispiel notwendig, wenn der Bus Verspätung hat oder in einem Unfall steht. Die Leitstelle passt dann die Abfahrtzeiten an den Haltestellen entsprechend an, gibt Anweisungen an die Fahrer und gibt den nachfolgenden Bussen Bescheid, dass sie eine adäquate Umleitung fahren.
Die Akkus von Dieringers Hörgeräten reichen ungefähr acht Stunden, in ihrer Tasche hat sie aber immer Ersatzgeräte dabei. „Falls das eine nicht richtig geladen hat, sich nicht verbindet oder was auch immer“, sagt die 40-Jährige. Auch zu Hause trägt sie die Hilfen immer – es mache sie nervös, nichts zu hören. „Meine Kinder bringen mir die morgens meistens direkt, wenn sie merken, dass Mama sie nicht hört“, sagt Dieringer und lacht. Ihre zehnjährige Tochter und ihr zwölfjähriger Sohn haben keinerlei Hörbeeinträchtigung.
Nicole Dieringer ist gehörlos und fährt Bus bei den VHH
Seitdem sie ihre Diagnose im Alter von drei Jahrenbekam, trägt die Geesthachterin Hörgeräte. Als sie vor wenigen Jahren dann auf dem einen Ohr komplett gehörlos wurde, ließ sie sich ein Cochlea-Implantat (CI) einsetzen, mit dem sie einen Teil ihrer Hörkraft zurückbekam.
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Das CI ist eine Hörprothese, das die Funktion der geschädigten sensorischen Haarzellen im Innenohr übernimmt. Im Gegensatz zu Hörgeräten können CIs die Klarheit des Klangs weiter erhöhen. Steuern kann Nicole Dieringer das alles über ihr Handy. „Über Bluetooth kann ich die Lautstärke bequem einstellen und den Akku-Stand überprüfen.“
Aufgewachsen ist sie in Buchholz in der Nordheide, ging aber in Hamburg auf eine Schule für Hörgeschädigte. „Das war optimal, weil wir mithilfe von speziellen Anlagen den Lehrer besser verstanden haben. Aber wir waren auch sehr abgeschottet von der Außenwelt, weshalb ich mich in meiner Heimat oft sehr einsam gefühlt habe.“
Dass sie zu Hause nicht willkommen war, ließen andere Jugendliche sie auch öfters mal spüren, bewarfen sie mit Steinen oder schubsten sie absichtlich in die Brennnesseln. „Das prägt einen auf jeden Fall“, erzählt sie. Deshalb wollte sie nach der Schule auch weit weg und ging zum Berufsbildungswerk nach Husum. Nur leider konnte sie dort ihre Ausbildung aus gesundheitlichen Gründen nicht beenden. Danach suchte sie einen neuen Weg.
Weil sie gehörlos ist: Dieringer kämpft um einen Job
An diesem Punkt begann ihren Schilderungen nach dann eine Odyssee in den verschiedensten Jobcentern. „Ich wollte eigentlich Bürokauffrau werden, aber man wollte mir keine Ausbildung ermöglichen, weil ich schwerhörig bin und das angeblich nicht möglich sei“, erzählt sie und ihre Stimme nimmt einen bitteren Klang an. „Ich habe Praktika um Praktika gemacht, um ihnen zu beweisen, dass ich das kann. In der Altenpflege, im Hotel. Überall wollten sie mich anschließend ausbilden, aber dann wurde von Behördenseite wieder ein Riegel vorgeschoben.“
Reinigungsjobs, die hätte man ihr angeboten, erzählt sie und ballt die Hände. „Es spricht nichts gegen diesen Beruf, aber dann wäre ich weiterhin abhängig von Zuschüssen geblieben. Das wollte ich auf gar keinen Fall.“
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Immer wieder habe sie in den Bussen der Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein (VHH) deren Job-Kampagne „Weil du es kannst“ gesehen. Klar kann ich das, warum nicht?, habe sie gedacht und ihre Bewerbungsunterlagen eingereicht – mit Erfolg! Das Unternehmen wollte sie gerne übernehmen. Diesmal setzte sich Nicole Dieringer durch und begann 2021 tatsächlich ihre Ausbildung zur Busfahrerin. „Ich musste ein paar ärztliche Tests mehr machen bezüglich meiner Reaktion und Belastbarkeit und habe eine Bestätigung vorgelegt, dass ich mit meinen Geräten optimal hören kann“, erzählt sie. „Ansonsten galten die gleichen Voraussetzungen, ich war in denselben Klassen und Prüfungen wie die anderen.“