Haft aus Armut: Immer mehr Schwarzfahrer in Hamburger Gefängnissen
Die Zahl der Menschen, die wegen „Erschleichens von Leistungen“, meist wiederholten Schwarzfahrens, hinter Gitter saßen, war 2021 höher als den Vorjahren. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken hervor. Bis zu 20 Menschen gleichzeitig saßen in Haft, weil sie zu arm sind, die Geldstrafe zu bezahlen.
20 Menschen saßen laut Senat am 1. September 2021 in Hamburger Gefängnissen, die meisten zu arm, sich ein Ticket zu kaufen und zu arm, die Geldstrafe für das „Erschleichen von Leistungen“ zu bezahlen.
Viele von ihnen obdachlos. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor saßen an diesem Stichtag 12 Arme ihre Ersatzfreiheitsstrafe ab, 2019 waren es sieben. Sie sind eine absolute Minderheit unter den Zehntausenden, die jedes Jahr ohne Ticket erwischt werden.
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Die Zahl der Menschen, die wegen „Erschleichens von Leistungen“, meist wiederholten Schwarzfahrens, hinter Gitter saßen, war 2021 höher als den Vorjahren. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken hervor. Bis zu 20 Menschen gleichzeitig saßen in Haft, weil sie zu arm sind, die Geldstrafe zu bezahlen.
20 Menschen saßen laut Senat am 1. September 2021 in Hamburger Gefängnissen, die meisten zu arm, sich ein Ticket zu kaufen und zu arm, die Geldstrafe für das „Erschleichen von Leistungen“ zu bezahlen.
Viele von ihnen obdachlos. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor saßen an diesem Stichtag 12 Arme ihre Ersatzfreiheitsstrafe ab, 2019 waren es sieben. Sie sind eine absolute Minderheit unter den Zehntausenden, die jedes Jahr ohne Ticket erwischt werden.
Schwarzfahrer: Einige können Strafe nicht zahlen
Insgesamt fällt auf, dass während der Pandemie weniger Menschen erwischt wurden: 2019 waren es noch gut 153.000, im Coronajahr 2021 „nur“ noch knapp 136.000. Einige Tausend hatten nur ihre Monatskarte vergessen und konnten die nachreichen, die allermeisten zahlten ihre Geldstrafe und damit war die Sache erledigt.
Für Menschen, die nicht zahlen, aber arbeiten können, gibt es die Möglichkeit, den Knast durch gemeinnützige Arbeit zu verhindern („Schwitzen statt sitzen“). Laut Senatsantwort waren das im vergangenen Jahr 53 Personen. Ein knappes Drittel der Betroffenen hatte keine eigene Wohnung, und nahezu alle (mehr als 80 Prozent) bekommen staatliche Zuwendungen.
Linke: Keine Haft mehr für Schwarzfahrer
Die Linken kritisieren die Praxis der Ersatzfreiheitsstrafe in ihrer Senatsanfrage: „Es erscheint wenig sinnvoll, Menschen eine Haftstrafe antreten zu lassen, die ein Delikt aus Armut begangen haben.“ Die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann: „Solche Bagatelldelikte müssen dringend entkriminalisiert werden und gehören ins Ordnungswidrigkeiten- statt Strafrecht.“
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Das Thema ist nicht neu: Schon 2015 versuchte der damalige Justizsenator Till Steffen (Grüne) auf Bundesebene zu erreichen, dass Ersatzfreiheitsstrafen für Schwarzfahrer abgeschafft werden. Mit der Begründung, dass diese Haft nur Arme antreten müssen, denn das Gesetz sieht für das Fahren ohne Fahrschein nur eine Geldstrafe vor. Der Vorstoß blieb bisher ohne Erfolg. Dabei hätte auch der Staat etwas davon: Pro Hafttag kostet ein Häftling die Stadt 214,13 Euro.
Hamburg: Keine Gratisfahrten für Arme
Wäre es sinnvoll, sehr arme Menschen grundsätzlich gratis mit Bus und Bahn fahren zu lassen? Der Senat rechnet vor: rund 250.000 Personen bekommen in Hamburg Grundsicherung zum Lebensunterhalt. Würden nur 30 bis 50 Prozent von ihnen ohne Bezahlung öffentliche Verkehrsmittel nutzen, würden „Mindereinnahmen in Höhe von 53 Millionen bis 89 Millionen Euro pro Jahr entstehen“. Aktuell nutzen circa 50.000 Personen den Sozialrabatt, was rund 13,8 Millionen Euro pro Jahr kostet.
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Comedian Jan Böhmermann nannte Schwarzfahren „die unnötigste Straftat seit 1935“ und sammelte in seiner Sendung „Magazin Royale“ im Dezember 2021 knapp 70.000 Euro ein. Mit den Spenden sollten die Geldstrafen der Armen übernommen werden, um ihnen die Tage im Knast zu ersparen.