„Wir haben kein Privatleben mehr!“: UKE-Pfleger starten nächsten Aufstand
Ohne sie ging in der Corona-Krise gar nichts: Die Pflegekräfte in unseren Kliniken haben bis zur Erschöpfung und teils darüber hinaus gearbeitet, um die Millionen Covid-Kranken hierzulande wieder gesundzupflegen. Dafür gab es Geklatsche – und einen Corona-Bonus vom Staat. Was die Pflegekräfte sich stattdessen wünschten und immer noch wünschen: bessere Arbeitsbedingungen. Wie dramatisch die Situation auch in Hamburg ist, zeigte jüngst ein Brandbrief der Intensivpfleger vom Universitätsklinikum Eppendorf. Doch auch auf anderen Stationen des UKE ist Druck auf dem Kessel – wie die Pflegekräfte am Donnerstag eindrucksvoll demonstrierten.
Die Zahl der Pfleger, die an der kleinen Versammlung am Donnerstagmittag teilnehmen, ist recht überschaubar. Die meisten tragen Straßenkleidung, nur wenige sind an ihrer blauen Arbeitskluft als Pfleger zu erkennen. Pflegerin Karin H. (Name geändert) erklärt den Grund dafür. „Wir haben im Moment viele Ausfälle und das, wo ohnehin schon Personalknappheit herrscht. Den Arbeitsplatz für so eine Aktion zu verlassen, ist selten möglich. Und viele, die frei haben, müssen sich dringend erholen“, so H.
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Ohne sie ging in der Corona-Krise gar nichts: Die Pflegekräfte in unseren Kliniken haben bis zur Erschöpfung und teils darüber hinaus gearbeitet, um die Millionen Covid-Kranken hierzulande wieder gesundzupflegen. Dafür gab es Geklatsche – und einen Corona-Bonus vom Staat. Was die Pflegekräfte sich stattdessen wünschten und immer noch wünschen: bessere Arbeitsbedingungen. Wie dramatisch die Situation auch in Hamburg ist, zeigte jüngst ein Brandbrief der Intensivpfleger vom Universitätsklinikum Eppendorf. Doch auch auf anderen Stationen des UKE ist Druck auf dem Kessel – wie die Pflegekräfte am Donnerstag eindrucksvoll demonstrierten.
Die Zahl der Pfleger, die an der kleinen Versammlung am Donnerstagmittag teilnehmen, ist recht überschaubar. Die meisten tragen Straßenkleidung, nur wenige sind an ihrer blauen Arbeitskluft als Pfleger zu erkennen. Pflegerin Karin H. (Name geändert) erklärt den Grund dafür. „Wir haben im Moment viele Ausfälle und das, wo ohnehin schon Personalknappheit herrscht. Den Arbeitsplatz für so eine Aktion zu verlassen, ist selten möglich. Und viele, die frei haben, müssen sich dringend erholen“, so H.
Die Abwesenden nehmen stumm am Protest teil: Auf Plakaten haben die Pfleger mit Punkten markiert, wie stark sie sich belastet fühlen. Manche sind zusätzlich mit Kommentaren wie „Wir können nicht mehr!“ versehen.
Sozialsenatorin ist am Tag der Pflege optimistisch
Karin H. arbeitet seit vielen Jahren als Pflegerin am UKE. Im Laufe der Zeit sei die Belastung stetig größer geworden, sagt sie. „Immer mehr Kollegen gehen auf Teilzeit oder wechseln zu ambulanten Pflegediensten. Dort ist die Bezahlung zwar schlechter, aber das Stresslevel viel niedriger, es gibt weder Wochenend- noch Schichtdienste“, erklärt H. Dabei steige in der Klinik die Verantwortung, da die Patienten immer älter und ihre Versorgung immer anspruchsvoller würden.
Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) zeigt sich anlässlich des Tages der Pflege an diesem Donnerstag deutlich optimistischer. Derzeit gäbe es in Hamburg rund 3.760 Auszubildende in dem Bereich. 2.498 von ihnen absolvierten die „generalisierte Pflegeausbildung“, die vor zwei Jahren neu geschaffen wurde. Sie kombiniert die Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege und die Altenpflege, sodass die Absolventen vielfältig einsetzbar sind. „Es ist ein gutes Signal, dass sich so viele Menschen bewusst für eine Ausbildung im Pflegebereich entschieden haben“, so Leonhard. „Sie gehen zu auf einen vielfältigen Job mit sicherer Perspektive. Auch weiterhin wollen wir Jahr für Jahr Menschen für eine Ausbildung in der Pflege gewinnen, und zugleich Energie investieren, um die Menschen zu halten, die schon heute in der Pflege arbeiten.“
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Auch auf der Station von Karin H. kommt immer wieder Nachwuchs an. Das Problem: Viele seien schon nach kurzer Zeit abgeschreckt von der hohen Belastung und würden sich dann doch gegen den Beruf entscheiden. In der Station kämen zeitweise bis zu zehn auf einen Pfleger.
Eine konkrete Forderung nach einem Betreuungsschlüssel hat die Gewerkschaft „ver.di“, die die Aktion organisiert, noch nicht formuliert. Das sei aufgrund des unterschiedlichen Versorgungsaufwandes bei unterschiedlichen Patienten schwierig, sagt Sprecher Rolf Nonnenmacher. Die Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) und andere Fachgesellschaften erklärten im Jahr 2019 einen Betreuungsschlüssel von 1:4 für an Notaufnahmen angeschlossene Kurzlieger‑/Beobachtungsstationen für notwendig. Klar ist laut Nonnenmacher: Die Belastung müsse kleiner werden.
Pfleger protestieren gegen schlechte Arbeitsbedingungen
H. muss nach der Plakataktion direkt los zu ihrer nächsten Schicht. Sie liebt ihren Job und die Arbeit mit den Patienten, möchte eigentlich nichts anderes machen. Doch angesichts der wachsenden Belastung denkt auch sie hin und wieder über einen Wechsel zu einem Pflegedienst nach. „Wer sich für diesen Job entscheidet, hat kein Privatleben mehr“, sagt sie. Durch den Schichtdienst und die große Erschöpfung sei es kaum möglich, mit Freunden auszugehen.
Kinder hat die 42-Jährige nicht. Ihr Freund – ebenfalls Pfleger – hat seinen Job in einer Klinik bereits gekündigt und arbeitet nun bei einem ambulanten Dienstleister.
Die Versammlung am Donnerstag ist der Startschuss für eine Reihe von Aktionen, an deren Ende ein sogenannter Entlastungstarifvertrag stehen soll, erklärt „ver.di“-Sprecher Rolf Nonnenmacher. Für die Intensivpfleger stünden die Chancen auf eine Vereinbarug gut, nachdem sie im vergangenen September einen Brandbrief an die Chefetage geschickt hatten. Diese Vereinbarung soll ihnen einen Betreuungsschlüssel von einem Pfleger zu zwei Patienten garantieren. Die Verhandlungen dafür könnten zum Ende des Monats abgeschlossen werden. Nun organisieren sich auch alle anderen Pfleger in der Hoffnung auf einen solchen Vertrag – und um zu zeigen, dass auch sie irgendwann an ihre körperlichen und seelischen Grenzen geraten.