Sylvaina G. 2011 bei einem Empfang im Schloss Bellevue mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Sylvaina G. 2011 bei einem Empfang im Schloss Bellevue mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Aktuell wird der gebürtigen Ghanaerin der Prozess gemacht: Betrug, Untreue, Urkundenfälschung. Foto: privat

Früher war sie beliebter Gala-Gast, jetzt sitzt sie auf der Anklagebank

kommentar icon
arrow down

Viele Jahre war sie gerne gesehener Gast auf Galas und Empfängen, schüttelte Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) genauso die Hand wie Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Stets gekleidet in bunte Gewänder, trat sie in der Öffentlichkeit mit einem Selbstbewusstsein auf, dass der Eindruck entstehen konnte, sie sei so etwas wie die Kulturbotschafterin Afrikas in Hamburg. Die Rede ist von Sylvaina G.: Die 61-jährige Deutsch-Ghanaerin steht aktuell wieder mal im Rampenlicht – allerdings als Angeklagte. Ihr werden in mehreren Fällen Untreue, Urkundenfälschung und Betrug vorgeworfen.

Eigentlich sollte Sylvaina G. bereits im vergangenen Februar der Prozess gemacht werden. Allerdings blieb sie dem Verhandlungstermin unentschuldigt fern. Daraufhin wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl erlassen: neun Monate auf Bewährung.

Verleihung des Integrationspreises von DFB und Mercedes-Benz 2010: Sylvaina G. posierte gemeinsam mit Ex-Fußballprofi Oliver Bierhoff für den Fotografen. dpa
IMIC
Verleihung des Integrationspreises von DFB und Mercedes-Benz 2010: Sylvaina G. posierte gemeinsam mit Ex-Fußballprofi Oliver Bierhoff für den Fotografen.

Bevor dieser jedoch rechtskräftig werden konnte, legte Sylvaina G. Einspruch ein. Daraufhin wurde erneut eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht St. Georg anberaumt.

Sylvaina G. soll Geld an sich genommen haben

Sylvaina G. ist in Hamburg alles andere als unbekannt: 2010 gründete sie das „Interkulturelle Migranten Integrations-Center“ (IMIC e. V.), war jahrelang in der Politik aktiv, beispielsweise als stellvertretende Leiterin des Hamburger Integrationsbeirates. Für ihre gemeinnützige Arbeit hat sie immer wieder Geld vom Staat und von angesehenen Organisationen erhalten. Bekannt wurde sie durch die „Africa Days“, die sie ab 2012 in Kooperation mit dem Bezirksamt Wandsbek jährlich auf dem Wandsbeker Marktplatz veranstaltete.

Auch als rechtliche Betreuerin war Sylvaina G. tätig: Im Auftrag von Hamburger Betreuungsgerichten nahm sie die Interessen von Menschen wahr, die sich aufgrund körperlicher oder psychischer Erkrankung nicht selbst um ihre Angelegenheiten kümmern konnten. In dieser Funktion soll sich Sylvaina G. bereichert haben. Das Opfer: ein hilfloser, schwer kranker Ghanaer namens Jav A., der am 16. Dezember 2020 an den Folgen eines Schlaganfalls starb – das Datum des Todes wird noch eine wichtige Rolle spielen.

Sylvaina G. soll gefälschte Quittungen vorgelegt haben

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat Sylvaina G. in sechs Fällen und zuletzt an dessen Todestag Geld vom Konto ihres Mandanten abgehoben und in die eigene Tasche gesteckt – insgesamt mehr als 3000 Euro. Um dies zu vertuschen, soll sie dem Betreuungsgericht Anfang 2021 Quittungen mit gefälschter Unterschrift vorgelegt haben. So habe sie den Eindruck erwecken wollen, sie habe ihrem Klienten vor dessen Tod das Geld ausgehändigt.

Möglicherweise wäre die Sache nie entdeckt worden, wäre dem Sachbearbeiter beim Betreuungsgericht bei der Durchsicht der Papiere nicht eine wichtige Unstimmigkeit aufgefallen: Eine der Quittungen trug das Datum 17.12.2020. An diesem Tag kann Jav A. aber unmöglich eine Unterschrift geleistet haben, denn da war er bereits einen Tag tot. Eine Fälschung?

Quittung trägt ein verräterisches Datum

Vor Gericht lässt Sylvaina G. ihren Anwalt Matthias Wisbar mitteilen, dass sie alle Vorwürfe von sich weise – und es ansonsten vorziehe, zum Sachverhalt zu schweigen. Das Gericht befragt daraufhin den Kriminalbeamten des LKA, der den Fall seinerzeit bearbeitet hat. Er berichtet, Sylvaina G. sei im Verhör in Tränen ausgebrochen. Sie habe behauptet, immer nur im Auftrag ihres Mandanten Geld von dessen Konto abgehoben und es ihm im Krankenhaus gegen Quittungen übergeben zu haben. Das Geld sei hauptsächlich für die Tochter in Ghana bestimmt gewesen. Für das falsche Datum auf der Quittung, so der Polizist, habe die Angeklagte keine Erklärung gehabt. Sie habe zudem widersprüchliche Angaben gemacht.

Im Auftrag des Gerichts hat sich eine Schriftsachverständige mit den sechs fraglichen Quittungen beschäftigt. In der Verhandlung trägt die Gutachterin ihre Ergebnisse vor. Demnach gebe es „erhebliche Anhaltspunkte“ dafür, dass es sich um sogenannte Pausfälschungen handele: Jemand habe die Unterschriften – beispielsweise mithilfe einer beleuchteten Glasplatte – durchgepaust. Nur so erkläre sich, dass alle sechs Unterschriften nahezu deckungsgleich seien. Normalerweise sei keine Unterschrift wie die andere, so die Sachverständige. Im Anschluss ist Verteidiger Wisbar bemüht, die Aussagekraft des Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Er spricht von „redundantem Schrott“ und „forensischer Kaffeesatzleserei“.

Gericht will eine Zeugin aus Ghana laden

Der Cousin des verstorbenen Jav A. tritt im Prozess als Entlastungszeuge auf: Er behauptet, von seinem Verwandten noch unmittelbar vor dessen Tod damit beauftragt worden zu sein, Geld an die Tochter in Ghana weiterzuleiten. Er habe sich zu diesem Zweck 200 Euro von Sylvaina G. aushändigen und von einem Bekannten nach Ghana bringen lassen.

Amtsrichter Moritz hält dem Zeugen vor, es sei kaum möglich, dass Jav A. ihm diesen Auftrag unmittelbar vor seinem Tod im UKE gegeben habe, denn da habe sich der offenbar bereits im Koma befunden. Daraufhin räumt der Zeuge ein, dass das Gespräch mit seinem Cousin vielleicht doch zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden habe …

Erst im März wird der Prozess weitergehen

Erst im März wird der Prozess weitergehen – er ist bis dahin ausgesetzt. Der Grund: Auf Antrag der Verteidigung soll nun die Tochter des verstorbenen Jav A. als Zeugin gehört werden, die in der ghanaischen Hauptstadt Accra lebt. Sie soll dazu befragt werden, ob sie tatsächlich Geld von ihrem Vater erhielt und wie viel. Die Ladung muss im Wege eines Rechtshilfeersuchens erfolgen – und solch ein Procere mit dem Ausland, insbesondere mit Afrika, dauert erfahrungsgemäß seine Zeit. Die Hauptverhandlung wird daher am 9. März neu beginnen – und dann müssen alle bereits gehörten Zeugen und Sachverständigen erneut vernommen werden.

Übrigens: Schon im Sommer 2024 hat die MOPO über Vorwürfe gegen Sylvaina G. exklusiv berichtet. Wie die Staatsanwaltschaft jetzt bestätigt, gibt es – abgesehen vom laufenden Prozess – mindestens ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Sylvaina G. Dabei geht es ebenfalls um den Verdacht der Untreue: Das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens lautet: 3321 Js 793/23. Laut Staatsanwaltschaft hat im Rahmen dieses Verfahrens bereits eine Durchsuchung stattgefunden. Die Ermittlungen laufen. Gegenüber der MOPO nahm Sylvaina G. zu dem Vorwurf keine Stellung. Vor einem Jahr hatte ihr Anwalt der MOPO mitgeteilt, seine Mandantin sei Opfer einer Rufmordkampagne.

Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp
test