Warum Hamburgs Senat im Corona-Blindflug unterwegs ist
Der Senat, der sich sonst so damit rühmt, immer außerordentlich vorausschauend zu handeln, war schlecht auf die Wucht der Omikron-Welle vorbereitet. Noch Anfang Dezember – eine Zeit großer Unsicherheit ob der Auswirkung von Omikron, aber auch vieler Warnungen von Virologen weltweit – hieß es aus der Sozialbehörde, dass bis Frühjahr 150 Stellen aus der Kontaktnachverfolgung gestrichen werden sollten.
Mittlerweile ist die Kontaktnachverfolgung nahezu nicht mehr existent, dafür verabschiedete man sich schleunigst zum Neujahr von den Stellenabbau-Plänen und stellte über 100 Menschen ein, die den Gesundheitsämtern bei der Bewältigung der Omikron-Wand helfen sollen. Außerdem wurde die Bundeswehr mit 100 Mann zur Unterstützung herangezogen und nach MOPO-Informationen wird in den Ämtern fleißig rochiert, wo aus verschiedenen Abteilungen Mitarbeiter:innen zur Pandemiebekämpfung abgestellt werden. Nur: Die Infektionszahlen steigen schneller als Personal aufgestockt werden kann.
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Die Gesundheitsämter kommen mit den Corona-Zahlen nicht mehr hinterher und auch die Corona-Maßnahmen der Politik sind mittlerweile ausgeschöpft. Warum Hamburg offenbar so schlecht für die Omikron-Welle aufgestellt ist – und warum dem Senat aber auch die Hände gebunden sind.
Die Sozialbehörde traut ihren eigenen Zahlen schon längst nicht mehr. Die Pandemie-Behörde weist auf ihrer eigenen Website, wo sie die täglichen Corona-Zahlen vermeldet, darauf hin, „dass die Zahl der tatsächlichen Fälle und damit auch die tatsächliche Inzidenz höher sind als angegeben“. Auch nach zwei Jahren Pandemie sind die Gesundheitsämter offensichtlich nicht so ausgestattet, um auf große Wellen adäquat reagieren zu können.
Auch am Mittwoch wurden deutlich über 1000 Fälle der insgesamt 5571 vermeldeten Neuinfektionen laut Sozialbehörde nachgemeldet und stammten nicht vom Vortag. Man kann ohne zu übertreiben von einem Blindflug sprechen, wenn man das hört.
Hamburgs Sozialbehörde: Meldeverzug ist gewöhnlich
So weit würde der Sprecher der Behörde, Martin Helfrich, freilich niemals gehen. „Wir haben immer noch einen guten Überblick über die aktuelle Lage“, betont er. Der Meldeverzug sei gar gewöhnlich, es sei halt die Masse an Fällen, die sich bemerkbar mache.
Nichtsdestotrotz war der Senat, der sich sonst so damit rühmt, immer außerordentlich vorausschauend zu handeln, schlecht auf die Wucht der Omikron-Welle vorbereitet. Noch Anfang Dezember – eine Zeit großer Unsicherheit ob der Auswirkung von Omikron, aber auch vieler Warnungen von Virologen weltweit – hieß es aus der Sozialbehörde, dass bis Frühjahr 150 Stellen aus der Kontaktnachverfolgung gestrichen werden sollten. Ja, auch in Krisenzeiten muss gespart werden.
Die Zahlen steigen schneller, als Hamburg Personal einstellen kann
Mittlerweile ist die Kontaktnachverfolgung nahezu nicht mehr existent, dafür verabschiedete man sich schleunigst zum Neujahr von den Stellenabbau-Plänen und stellte über 100 Menschen ein, die den Gesundheitsämtern bei der Bewältigung der Omikron-Wand helfen sollen. Außerdem wurde die Bundeswehr mit 100 Mann zur Unterstützung herangezogen und nach MOPO-Informationen wird in den Ämtern fleißig rochiert, wo aus verschiedenen Abteilungen Mitarbeiter:innen zur Pandemiebekämpfung abgestellt werden. Nur: Die Infektionszahlen steigen schneller als Personal aufgestockt werden kann.
Dass man nicht in so eine angespannte und überfordernde Situation schlittern musste, zeigt der Stadtstaat Bremen. Dort ist der Meldeverzug trotz ähnlicher Inzidenzlage äußerst gering. Die Ämter wurden schlicht personell besser als in Hamburg aufgestellt.
Corona: Hamburgs Krankenhäuser nicht überlastet
Derweil rauscht nun an der Elbe Omikron einmal durch die Stadtgesellschaft und das höchste Ziel der Politik bleibt, eine Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden. Und darin macht sich Hamburg derzeit trotz der vielen täglichen Neuinfektionen bislang gut. Die Impfquote ist hoch, was zwar nicht die Ansteckungen mit Omikron drastisch reduziert wie noch bei Delta, dafür sind die Menschen aber mit großer Mehrheit vor schwereren Verläufen gut geschützt.
Außerdem ist Omikron, darauf deutet vieles bislang hin, selbst milder im Verlauf als Delta. „Nach wie vor müssen wir aber davon ausgehen, dass ein kleiner Anteil der Infizierten auch einen schweren Krankheitsverlauf entwickelt – meist sind dies die Vorerkrankten oder älteren Menschen -, und deswegen bei steigender Infektionszahl auch die Zahl der schweren Verläufe steigt, weshalb derzeit weiterhin die bestehenden Maßnahmen gelten, um das Infektionsgeschehen nicht außer Kontrolle geraten zu lassen“, so Helfrich.
Einfach durchlaufen lassen will man Omikron dann also nicht, obwohl der Senat vorerst keine neuen Maßnahmen ergreifen will – auch, wenn Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) damit rechnet, dass die jüngste Welle bis ins Frühjahr andauern könnte.
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Zur Wahrheit gehört ohnehin, dass – auch, wenn man sich schon dran gewöhnt haben mag – mit 2G+ in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens strenge Maßnahmen gelten. Viel mehr bleibt dem Senat sowieso nicht mehr an Spielraum – die neue Bundesregierung hatte das scharfe Schwert des pauschalen Lockdowns als eine ihrer ersten Amtshandlungen verunmöglicht.
Grüne-Fraktionschefin fordert Rückkehr zur epidemischen Lage auf Bundesebene
„Wir haben in Hamburg den Maßnahmenkatalog für die Pandemiebekämpfung weitgehend ausgeschöpft und sind sehr froh, dass dies aktuell ausreicht, um die Überlastungen der Krankenhäuser zu verhindern. Es wäre dennoch gut, wenn der Bund durch die Rückkehr zur epidemischen Lage frühzeitig den notwendigen Rechtsrahmen für eventuell wieder notwendige Verschärfungen schaffen würde“, sagte die Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg der MOPO.
So lange gilt das, was Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) über die Lage denkt: „Im Moment, glaube ich, müssen wir mit der Situation einfach zurechtkommen wie sie ist.“ Man könnte auch sagen: Augen auf und durch.