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  • Vorratskäufe sind per se nicht schlecht, sie verhindern die vielen Kontakte in den Supermärkten, aber anderen etwas wegnehmen ist verwerflich.
  • Foto: dpa

Coronavirus: Ladet Eure Angst nicht bei den Alltagshelden ab

In Zeiten der Corona-Krise sollten wir als Hamburger, zumindest symbolisch, zusammenstehen. Leider ist das im Alltag häufig nicht der Fall: Verkäufer werden bepöbelt und Menschen mit Schutzmasken verhöhnt. Dass wir vor einer solch unbekannten Situation Angst haben ist verständlich, aber bitte liebe Hamburger, ladet Eure Angst nicht bei denen ab, die im Moment alles dafür tun, um den Laden am Laufen zu halten.

Eigentlich wollte ich nur ein paar Kleinigkeiten, unter anderem etwas Milch, kaufen. Das Regal war leer, es gab nur noch Sojamilch. Für mich kein Problem, der Herr vor mir sah das anders. Seine Wut ließ er an der Verkäuferin aus, die gerade eine riesige Palette vor das Regal gezerrt hatte. Während er schreit, versucht sie ruhig zu erklären, dass sie gerade Milch nachfülle. Mit einem Karton unter dem Arm stapft der Kunde davon, ich schnappe mir die Sojamilch und versuche der Verkäuferin ein Lächeln zu schenken.

Keiner von uns hat bis jetzt eine solche Krise miterlebt. Wir sind die Generationen nach den großen Kriegen, Schnabelmasken aus den Zeiten der Pest-Pandemien kennen wir nur noch aus dem Fernsehen, Krankheiten wie Ebola waren für uns immer weit weg.

Coronavirus: So eine Situation kennt keiner von uns

Jetzt hat es uns zum ersten Mal selbst erwischt. Keine Epidemie der vergangenen Jahre hat zu Schulausfällen und einer sukzessiven Lahmlegung der Öffentlichkeit geführt. Und was machen wir? Anstatt zusammenzuhalten, verfallen wir in Egoismus. Hauptsache, ein Jeder bekommt noch Toilettenpapier, Milch, Desinfektionsmittel und Seife.

Mittlerweile ist es so weit gekommen, dass Verkäuferinnen im Supermarkt bepöbelt werden, weil die Regale leer sind. Diejenigen, die sich aufopfern, eine Flut an teilweise panischen Bürgern zu bewältigen und im Akkord versuchen, die Regale zumindest wieder ansatzweise zu befüllen, werden jetzt zur Zielscheibe für Anfeindungen.

Expertin: Angst ist per se erst einmal nichts Schlechtes

„Angst ist ja auch per se nichts Schlechtes“, sagt die Hamburger Psychologin Angélique Mundt. „Die gewisse Besorgnis hält uns wachsam und konzentriert.“ Grundsätzlich mögen wir es einfach nicht, wenn wir die Kontrolle über eine Situation verlieren. Die derzeitigen Hamsterkäufe seien genau das – der Versuch, ein wenig Kontrolle über das eigene Leben zurück zu gewinnen.

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Es ist nicht verwerflich, „wenn es jemandem besser geht, weil er größere Vorratsmengen eingekauft hat“, sagt Mundt. Anstelle eines Einkaufes alle zwei Tage, kaufen wir für eine ganze Woche ein und minimieren so den Kontakt zu anderen Menschen. Verwerflich wird es erst dann, wenn die Massenkäufe bedeuten, anderen etwas wegzunehmen oder wenn wir unsere Angst auf andere Menschen abladen.

Schutzmasken schüren die Angst vor dem Coronavirus

Ein leeres Regal, ein Mensch mit einer Schutzmaske oder Abgabebeschränkungen in den Supermärkten, all das macht uns unruhig und schürt oft die Angst, weil nicht mehr wir die Kontrolle haben und das Virus auf einmal so nah ist. Angst ist ein schlechter Begleiter, denn in Zeiten, in denen wir zumindest gedanklich zusammenstehen sollten, zeigt sich an vielen Stellen leider das wahre Gesicht dieser Gesellschaft: Egoismus!

Expertin: Alle Reaktionen sind erklärbar, aber nicht entschuldbar

„Alles ist erklärbar, aber nicht entschuldbar“, sagt Mundt. Es ist falsch, die Verkäuferin anzubrüllen, weil es keine Milch mehr gibt. Es ist ebenso verwerflich, Witze über Menschen mit einem Mundschutz zu machen, denn wer weiß schon, warum dieser Mensch den Schutz tatsächlich braucht. Es hilft niemandem, sich in diesen Zeiten auf diejenigen zu stürzen, die vermeintlich schwächer oder ängstlicher sind. Vielmehr sollten wir uns darauf konzentrieren, unsere Gefühle zu ordnen, um Ausbrüche zu vermeiden. Denn eins kann ich Ihnen versichern: Angst lässt sich nur schwer verdrängen.

Coronavirus: Zuhause bleiben ist momentan die Devise

Zuhause bleiben ist momentan die Devise, persönliche Kontakte am besten vermeiden, also greife ich mehr zum Telefon. Meine Omas freuen sich immer über ein Gespräch, mit der Familie und Freunden verabrede ich mich zum Skypen. Nach der Arbeit in den eigenen vier Wänden geht es noch einmal an die frische Luft, mit Abstand zu anderen Menschen versteht sich. Und wenn ich dann doch wieder etwas einkaufen muss, dann gehe ich mit einem Lächeln zur Kasse und bedanke mich für den tollen Einsatz.

Es ist aber auch toll, dass es so viele Menschen gibt, die sich bemühen, anderen zu helfen. Es tauchen immer mehr Posts und neue Gruppen in den sozialen Medien auf, die sich dafür stark machen älteren und gefährdeten Menschen behilflich zu sein. Zum Beispiel wird angeboten, die Einkäufe zu übernehmen, den Hund Gassi zu führen oder einfach ein nettes Gespräch am Telefon. Auch wir bekommen immer wieder Anfragen, wo man sich denn melden könne um zu helfen. Großartig!

Liebe Hamburger: Nicht pöbeln, sondern helfen 

Unbehagen und Angst sollten wir also lieber in Tatendrang und Zusammenhalt umwandeln: Dem einen hilft es aus einer misslichen Lage, den anderen lenkt es ab. Ein Hoch auf die, die diese Gesellschaft im Moment am Laufen halten. Machen wir sie nicht zur Zielscheibe unserer eigenen Angst, sondern unterstützen wir sie und schenken ihnen zumindest ein Lächeln. Und vielleicht ziehen wir ja auch positive Schlüsse aus dieser neuen Situation. Das Coronavirus kann jeden treffen, es kennt keine Grenzen, keine Hautfarben, keine Religion – so verschieden sind wir Erdenbürger also doch nicht. 

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