Chaos in den Heimen: So müssen sich die Pfleger jetzt wehren
Schicht- und Nachtdienste, Fachkräftemangel, hohe Arbeitsbelastung: Die Anforderungen in Pflegeberufen sind extrem hoch. Und doch sind Protestaktionen von Pflegern erstaunlich selten. Das muss sich ändern, sagt Pflegeheimleiter Hans-Jürgen Wilhelm. Denn klar sei: Lange könne unser heutiges Gesundheitssystem nicht mehr aufrechterhalten werden.
„Werte gehen heute anders“, heißt das Buch, das der Soziologe und Pflegeheimleiter Dr. Hans-Jürgen Wilhelm, der zehn Jahre lang Vorstand des Elisabeth-Alten- und Pflegeheims in der Sternschanze war und heute ein Heim in Wittenburg (Mecklenburg-Vorpommern) leitet, vor Kurzem veröffentlicht hat. Ein sehr theoretischer Titel – doch es wird schnell deutlich, was damit gemeint ist.
Pflegeheimleiter: Gesundheitssystem muss sich verändern
- Deutsch (Deutschland)
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Schicht- und Nachtdienste, Fachkräftemangel, hohe Arbeitsbelastung: Die Anforderungen in Pflegeberufen sind extrem hoch. Und doch sind Protestaktionen von Pflegern erstaunlich selten. Das muss sich ändern, sagt Pflegeheimleiter Hans-Jürgen Wilhelm. Denn klar sei: Lange könne unser heutiges Gesundheitssystem nicht mehr aufrechterhalten werden.
„Werte gehen heute anders“, heißt das Buch, das der Soziologe und Pflegeheimleiter Dr. Hans-Jürgen Wilhelm, der zehn Jahre lang Vorstand des Elisabeth-Alten- und Pflegeheims in der Sternschanze war und heute ein Heim in Wittenburg (Mecklenburg-Vorpommern) leitet, vor Kurzem veröffentlicht hat. Ein sehr theoretischer Titel – doch es wird schnell deutlich, was damit gemeint ist.
Pflegeheimleiter: Gesundheitssystem muss sich verändern
Ein besonders hohes Selbstwertgefühl haben die meisten Pfleger in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Rettungsdiensten nicht. Dabei gibt es viele von ihnen: 1,1 Millionen (2020). Ein „sanfter Riese“, wie Wilhelm sie nennt. Obwohl sie einen Großteil der Arbeitskräfte im Gesundheitssystem ausmachen, haben sie keine Lobby.
Das müsse sich schleunigst ändern. „Die Pfleger müssen sich organisieren, zum Beispiel in einer Gewerkschaft oder in einem Verband, wie die Ärzte“, sagt der Pflegeheimleiter. „Im Moment wird viel über die Pflege geredet, aber sie bringt ihre Meinung kaum ein.“
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Am Dienstag hatte Lauterbach im ZDF-Morgenmagazin eine Krankenhausreform angekündigt: Das ganze System werde „weniger ökonomisch“. Sogenannte Fallpauschalen sollen abgeschafft, Nachtdienste reduziert und Behandlungen häufiger ambulant durchgeführt werden. „Um das zu ermöglichen, müssten Betten in den Kliniken abgebaut werden“, sagt Dr. Hans-Jürgen Wilhelm. Das würde weniger Platz für die Patienten bedeuten – in einer Gesellschaft, die immer älter wird und somit immer häufiger auf medizinische Versorgung angewiesen ist.
Pfleger müssen zeigen, wie machtvoll sie sind
„Wir können nicht mehr darauf hoffen, dass die Zahl der Pflegekräfte in Deutschland steigt“, sagt Wilhelm. „Der Fachkräftemangel ist ein branchenübergreifendes Problem und auch das Potenzial im Ausland ist irgendwann ausgeschöpft. Deshalb braucht es ein Gesundheitssystem, das mit weniger Pflegepersonal auskommt.“ In der Altenpflege würden sich zum Beispiel teilstationäre Wohnformen wie Demenz-Dörfer oder andere Wohngemeinschaften anbieten, in denen sich die Patienten gegenseitig unterstützen und weniger auf Hilfe angewiesen sind.
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Der wichtigste Punkt bleibt aber für Wilhelm: „Die Pfleger müssen endlich selbstbewusst werden und zeigen, wie viele und wie machtvoll sie sind.“ In organisierter Form – zum Beispiel in Gewerkschaften – sei es dann auch viel einfacher, durch Protestaktionen wie Streiks auf missliche Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. So könne die Pflege endlich wieder zeigen, wie wertvoll sie doch ist.